Die Kammeranode der PL 500 – wirklich eine neue Erfindung ?

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Die Kammeranode der PL 500 – wirklich eine neue Erfindung ? 
13.Jun.11 17:11
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Jacob Roschy (D)
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Jacob Roschy

Die Kammeranode der PL 500 – wirklich eine neue Erfindung von 1960 ?

- Nein, keineswegs !

Fast 3 Jahrzehnte früher, am 9. September 1932, bewarb sich der RCA- Röhrendesigner Edward Herold um ein Patent für eine neuartige End-Tetrode, bei der mittels einer speziell geformten Anode eine starke Unterdrückung von Sekundärelektronen selbst bei niederer Anodenspannung erfolgte, so dass auf ein Bremsgitter verzichtet werden konnte.

Diese Röhre besitzt über einer oder zwei Flachprofil-Katoden nur ein Steuergitter und ein Schirmgitter, gefolgt von der Anode. Es ist daher eine End-Tetrode, welche Endpentoden, besonders beim Betrieb an niederer Anodenspannung, überlegen ist. Diese Röhre wurde im Dezember 1932 als Type 48 eingeführt.

 48 top

Auf den Innenseiten der beiden flachen Anodenhälften wurden in Längsrichtung kleine U- Schienen angebracht, so dass die Anode aus mehreren zur Katode hin offenen Kammern besteht, im Prinzip also völlig gleich der PL500. Bei der PL500 wurde lediglich das Strahlblech zur Bündelung des Elektronenstromes hinzugefügt, welches 1932 bei der Röhre 48 noch nicht erfunden war.

Die 48 kann bei 98 V Anoden- und Schirmgitterspannung und 52 mA Anodenstrom noch 2 W Sprechleistung bei Ra= 1,5 kΩ abgeben.
Sie konnte auch in Farm- Radios verwendet werden, die nur mit 32 V Batteriespannung betrieben wurden. Dabei konnte mit einer 48 im A- Betrieb noch 80 mW und mit 2 Röhren 48 im Gegentakt AB- Betrieb noch 250 mW erreicht werden, was mit keiner anderen Röhre möglich war.

Im November 1936 erschien jedoch die Beam Power Tetrode 25L6, die bei 110 V Anoden- und Schirmgitterspannung eine Sprechleistung 2,1 W hatte, was man für transformatorlose Allstromradios für ausreichend ansah.

Da zur Herstellung von Beam Power Tetroden nur ein einfacher Blechrahmen zur Unterdrückung von Sekundärelektronen genügt, waren diese wohl deutlich kostengünstiger als Röhren mit Anodenkammern nach Art der 48, so dass keine weiteren Röhrentypen nach diesem Prinzip mehr erschienen.

Nachdem über lange Zeit nur noch Beam Power Tetroden oder herkömmliche Pentoden für höhere Ausgangsleistungen zur Anwendung kamen, wurde erst mehrere Jahrzehnte später mit der PL500 eine Röhre geschaffen, welche zur Unterdrückung von Sekundärelektronen sowohl Strahlbleche zur Bündelung des Elektronenstromes wie auch Anodenkammern enthält, womit auftretende Sekundärelektronen wieder eingefangen und damit vom Rückweg zum Schirmgitter abgehalten werden.

Die PL500 ist also eine Kombination aus einer herkömmlichen Beam Power Tetrode und einer Kammeranodenröhre nach dem Prinzip der 48.

Alle europäischen Zeilen-Endröhren nach der PL500 erhielten ebenfalls Anodenkammern, also die nachfolgende PL504, wie auch die für Farb-TV vorgesehenen Zeilen-Endröhren PL509 und PL519.

Im Gegensatz zu den beidseitigen insgesamt 7 Kammern der 48 hat die PL500 wie auch wohl alle ihre Nachfolger nach jeder Seite nur noch 3 Anodenkammern, was durch die Bündelung des Elektronenstromes durch Strahlbleche ermöglicht wurde, welche die 48 noch nicht hatte.

Die nur im französischen Markt verbreitete EL- bzw. PL300 hat nach jeder Seite sogar nur 2 Anodenkammern, was in der Herstellung besonders günstig ist.

 PL300


Amerikanische Zeilen-Endröhren

Die überwiegende Mehrheit der heute noch auffindbaren amerikanischen Zeilen-Endröhren besitzen ebenfalls Anoden mit „Flossen“ nach innen zur Katode hin, meistens nur eine in der Mitte wie bei der PL300, was sich besonders günstig herstellen lässt.
Wann diese eingeführt wurden, ob vor oder nach der PL500 ist bis jetzt nicht bekannt.

Erstaunlich ist jedoch, dass keinerlei Publikationen über deren Einführung bekannt sind, analog zu den Artikeln über die PL500 in Europa !

Lediglich in dem Buch „Electron Tube Design“,1962, (1*) das nur für ausgewählte RCA- Mitarbeiter zugänglich war, findet man in dem Artikel "Audio Output, Vertical-Deflection, and Horizontal-Deflection Tubes...", (Seiten 669-681), in einem kleinen Abschnitt, warum an den Anoden von Zeilen-Endröhren “embosses” oder “snivet tins” angebracht wurden:


 

Eine "Snivets" genannte Störung ist besonders ärgerlich in der Horizontalablenkung. Snivets sind vertikale schwarze Balken, Linien oder Muster, die auf der rechten Seite des Bildröhren-Bildes erscheinen.
Der Effekt scheint durch eine Instabilität in der virtuellen Kathodenregion verursacht zu werden, wenn die Anodenspannung der Zeilenendröhre sehr gering ist (siehe Fig. 9). Dieser kann zu unregelmäßigen Stromsprüngen während eines Zeilenzyklus führen.

Diese "Snivet"- Stromsprünge sind schnell genug, um ein Frequenzspektrum bis hinauf zum VHF- und UHF- Bereich zu produzieren, die in den Empfangstuner eingekoppelt werden können.
Daher müssen beim Design der Röhre geeignete Schritte zur Unterdrückung dieses Effekts unternommen werden.

Hier besteht ein Paradoxon im Design: je besser die Konstruktion, das heißt, je schärfer das Knie, desto höher ist der Anodenstrom bei niedrigster Kniespannung, aber umso größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Snivets entstehen. Umgekehrt ist die Wahrscheinlichkeit von Snivets geringer, je runder das Knie ist, aber um so ineffizienter ist dann die Röhre mit der Folge von geringerem Output. 

Die Design-Methoden, die mit begrenztem Erfolg erprobt wurden, beinhalten die Variation des Abstandes zwischen der Anode und Schirmgitter, indem entweder Blechstreifen oder Einprägungen längs der Anodeninnenseite angebracht wurden, wie in Fig. 10 gezeigt. Der Zweck ist, die Anodenoberfläche unregelmäßig zu machen, um auf diese Weise die Stabilität in der virtuellen Kathodenregion zu verbessern.

 


 

Eine sehr erstaunliche Begründung !

Blechstreifen oder Einprägungen im Anodenblech zur Unterdrückung von unregelmäßigen Stromsprüngen, - aber kein Wort über die verbesserte Unterdrückung der Sekundärelektronen wie bei der PL500 ! - Und obwohl dieses Prinzip 30 Jahre zuvor vom RCA- Röhrendesigner Edward Herold bereits erfunden wurde !

Warum bezieht sich RCA nicht darauf ? Wollte man durch diese sonst unbekannte und daher nicht sehr überzeugende "Snivet"- Begründung die Wiederentdeckung dieser Erfindung und ihrer Anwendung in Beam Power Tetroden durch Philips nicht anerkennen ??

- Dies sind Fragen, die noch auf eine Antwort warten !

 

1*)  Electron Tube Design RCA, 1963, 943 (!!) pages, direkter Download 

!! Achtung: 84 MegaByte PDF file !!
 

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.