Die Lissajous-Figuren und das Modulations-Trapez

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Die Lissajous-Figuren und das Modulations-Trapez 
25.Apr.16 18:02
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Als die Technik der Oszilloskope noch nicht so ausgereift war, hatten diese meist nur einen Kanal und der zugehörige Vertikal-Verstärker meist eine (sehr) geringe Bandbreite. Hochfrequente oder modulierte Signale konnten damit nicht so einfach gemessen werden.

  • Wie waren die Phasenverschiebung zwischen zwei (hochfrequenten) Sinus-Signalen zu messen?
  • Wie konnte der Modulationsgrad eines Amplituden-modulierten Senders gemessen werden?
  • Wie hat man sich beholfen um trotz unzulänglicher "Oszillographen-Technik" (halbwegs) genaue Messungen zustande bekommen?

Lissajous-Figuren

Um die Begrenzungen durch einen Kanal und die unzureichende Bandbreite des Vertikal-Verstärkers (Y) zu umgehen, hatten frühe Oszilloskope, wie z.B Siemens KE2072 (1949 - 1953), direkte Anschlußmöglichkeiten für die X-Ablenk-Platten (Xa, Xb) und die Y-Platten (Ya, Yb) der Oszillographen-Röhre, so daß die Genauigkeit des Meßergebnisses nur von dieser Röhre abhängig war.

Mit Hilfe eines Meßsenders konnten so die Empfindlichkeiten und die Grenzfrequenzen für die X und Y Richtungen einzeln bestimmt werden. (Die Probleme bei der Entwicklung der Oszillographen-Röhren werden hier nicht betrachtet.)

Zur Vereinfachung wird zur Messsung der Lissajous-Figuren unterstellt, daß der X-Kanal und der Y-Kanal gleiche Eigenschaften haben soll. (Bei den meisten Oszilloskopen hat allerdings der Y-Kanal die größere Bandbreite.) 

Die Phasenverschiebung zwischen zwei hochfrequenten Spannungen können mit modernen (meist mehrkanaligen) Oszilloskopen sehr einfach gemessen werden. Bei (früheren) einkanaligen Oszilloskopen geschah dies mit Hilfe der Lissajous-Figuren.

Die prinzipielle Schaltung zur Messung der Phasenverschiebung ist in Bild 11-7 dargestellt.[1]

Bild 11-7a zeigt im Prinzip noch einen (alten) Oszillographen mit direktem Anschluß der X- und Y-Platten.

Bild 11-7b ist eine Schaltung zur Messung der Phasenverschiebung des Stromes in einem Verbraucher (Rl) gegenüber der angelegten Spannung.

Wie aus diesen Beispielen zu erkennen ist, wird für diese Messungen die (normale) X-Ablenkung des Oszilloskops nicht verwendet. (Schaltung auf X/Y Betrieb)

Hat man für X und Y gleiche Auslenkung, ergeben sich für zwei Sinus-Spannungen folgende Lissajous-Figuren, abhängig von deren gegenseitiger Phasenverschiebung.[1]

Man erhält somit eine Gerade bei Phasenverschiebung 0o. Bei 180o Phasenverschiebung hat man wieder eine Gerade, aber mit der negativen Steigung der 0o Geraden. (360o ist wieder wie 0o.)

Bei 90o Phasenverschiebung entsteht ein Kreis. Dawischen ergeben sich Ellipsen.

Zur Bestimmung der Phase φ ist die Figur auszumessen.[2]

Es gilt:

sin φ = Y0/Y = X0/X bzw.

φ = arc sin(Y0/Y) = arc sin(X0/X)

Man mußte dazu also Funktionentafeln mit den trigonometrischen Funktionen bemühen.

Zur Abschätzung des Phasenwinkels konnten aber auch die oben gezeigten Beispiele dienen.

Insbesondere die Phasenverschiebungen von 00 und 1800 sind sehr genau aus den Lissajous-Figuren zu bestimmen, weil dann ja eine Gerade dargestellt wird.

 

Das linke Bild zeigt die Abhängigkeit der Lage der Ellipse von dem Phasenwinkel im Bereich 00 bis ±3600.

Um die Mehrdeutigkeiten aufzulösen, kann man mit Hilfe des Referenz-Signals den Strahl aufhellen, Bild 11-16, was in der Lissajous-Figur durch eine (etwas) stärkere Linie dargestellt ist.[1]

Insbesondere in der frühen Literatur zur "Hochfrequenz-Meßtechnik" werden Messungen von Lissajous-Figuren (auch komplizerterer Art bei nicht sinusförmigen Spannungen) und deren (graphische) Auswertung ausführlich behandelt.

Das Modulations-Trapez

Zur Messung des Modulationsgrades m einer AM-Schwingung mußte die modulierte HF-Schwingung an die Y-Platten der Oszillographen-Röhre gelegt werden. Frühe Oszillographen hatte i.a. eine viel zu geringe Bandbreite des Y-Verstärkers, ganz abgesehen von den im Y-Verstärker entstehenden (Frequenz-abhängigen) Phasen-Verschiebungen. Man war somit darauf angewiesen, die Y-Platten der Oszillographenröhre mit der modulierten HF-Schwingung direkt anzusteuern. Als Figur auf dem Schirm ergab sich dadurch das Modulations-Trapez. Dieses wird für den Modulationsgrad m=1 zum Dreieck.

In dieser Figur [3] ist in a) die Messung mit einem Oszilloskop mit direkter Ansteuerung der Platten dargestellt. In b) sind typische Modulations-Trapeze dargestellt und die Bestimmung des Modulations-Grades m.

Trapeze mit einfachen Flanken entstehen aber nur dann, wenn die Phasenverschiebung zwischen dem modulierenden Signal (NF-Signal) und der Hüllkurve der AM-Schwingung 00 (oder 1800) Phasendrehung ist.

In c) sind die Figuren zu sehen, wenn die Phasenbeziehungen zwischen NF-Signal und AM-Hüllkurve andere Werte aufweisen. Die Randkurven, die sich dabei ergeben, entsprechen genau den oben gezeigten Lissajous-Figuren. (Bei 900 Phasendrehung ergibt sich hier eine horizontal liegende Ellipse und kein Kreis, weil die Verstärkungen in X- und Y-Richtung ungleich sind.)

Die Figur d) zeigt den Einfluß von nichtlinearen Verzerrungen der NF-Schwingung im Modulator. Diese hängt u.a. vom Arbeitspunkt des Modulators und von dessen Kennlinie ab. Daher konnte das Modulations-Trapez zur Einstellung und Kontrolle des Senders verwendet werden. (Ein Minimum an Klirren ist jedoch nur schwierig damit einzustellen. Hier ist ein Klirr-Analysator besser geeignet.)

Die Prinzip-Schaltung zur Messung des Modulations-Trapez (links [6]) zeigt, daß zur Messung desselben nicht notwendigerweise ein Sinus-förmiges Modulations-Signal erforderlich ist. Notwendig ist jedoch dann ein Y-Verstärker, der sowohl eine frequenzunabhängige Verstärkung und eine konstante Laufzeit für die zu messenden Frequenzen hat, als auch eine Phasenverschiebung von 00, damit kein "verwaschenes" Trapez entsteht. 

Das Bild oberhalb des Scops zeigt die (normale) Y-t Darstellung des Amplituden-modulierten Signals. Mit dieser Methode kann mit moderen Scopen der Modulationsgrad einfacher gemessen werden.

 

Das Bild 23-8 [1] zeigt Aufnahmen von Modulations-Trapezen, die beim Empfang von Rundfunk-Sendern gemessen wurden.

Hier zeigt sich, daß in der Praxis bei nicht-sinusförmiger Modulation i.a. keine exakte Messung möglich ist.

 

Hat die modulierende Schwingung eine Gegenphase bezüglich der AM-Hüllkurve, ist die kürzere Seite rechts.[1]

 

Fig. 313 [2] ist eine Auflistung von gemesssenen Modulations-Trapezen und den AM-modulierten HF-Schwingungen.

Messung von AM-Schwingungen

Mit heutiger Meßtechnik ist es bequemer, die AM-Schwingung in der Y-t Darstellung zu messen.

Die Darstellung Bild 23-2 [1] ergibt sich, wenn das Scop auf die NF synchronisiert wird. Eine Phasenverschiebung zwischen der NF-Schwingung und der AM-Hüllkurve ist zur Bestimmung der Maxima und Minima unerheblich.

Die Darstellung Bild 23-3 ergibt sich, wenn auf den HF-Träger synchronisiert wird.

AM-Schwingungen im Zeitbereich

In den folgenden Bildern [4] ist die Größe der Trägerschwingung und die maximale Amplitude der AM-Schwingung (in Abhängigkeit vom Modulationsgrad m) deutlicher zu erkennen.

Einen wichtigen Unterschied ergibt sich im Zeitverlauf in Abhängigkeit davon, ob es sich um einen (normalen) AM-Modulator bzw. AM-Sender (Zwei-Quadranten-Multiplizierer) für große HF-Leistungen oder um einen Modulator mit einem Vier-Quadranten-Multiplizierer (z.B. MC 1596) für kleine HF-Leistungen handelt.

Wie aus der linken Darstellung hervor geht, ergibt sich bei Übermodulation m > 1 bei einem AM-Sender in der detektierten Hüllkurve ein Zeitabschnitt mit 0V. Das ist aber eine nichtlineare Verzerrung, die im Empfänger durch keine Maßnahme ausgeglichen werden kann. Da es sich bei AM-Sendern immer um große Leistungen handelt, ist dieser bezüglich seiner Spitzenleistung begrenzt, weshalb die maximale Amplitude nicht größer als die doppelte Trägeramplitude werden darf. (Das ergibt als Spitzenleistung die vierfache Trägerleistung.)

Wird zur Modulation ein Vier-Quadranten-Multiplizierer verwendet, so muß (i.a.) dem NF-Signal eine Gleich-Komponente hinzu gefügt werden, damit eine AM entsteht. Ist die Gleichkomponente nicht ausreichend groß, entsteht eine Übermodulation, jedoch im Unterschied zum Zwei-Quadranten-Multiplizierer mit sich überschneidenden Hüllkurven, die von einem (bei AM-Radios üblichen) Spitzen-Gleichrichter auch nicht "richtig" demoduliert werden kann, wodurch dann auch hier nichtlineare Verzerrungen entstehen.

Maximaler Modulations-Grad

Theoretisch ist der maximale Modulationsgrad m =1 (100%). Aber, wie aus den Zeitfunktionen ersichtlich ist, sollte man diesen Grenzwert auf der Sender-Seite nicht überschreiten. In der Praxis bedingt das eine genaue Einjustierung und einen Amplituden-Clipper für das modulierende Signal, oder zumindest eine sehr schnelle Amplituden-Regelung. Denn "normale" Audio-Signale haben einen sehr hohen "Crest-Faktor", so daß dadurch ein mittlerer Modulationsgrad von ca. 33% entsteht, wenn Übermodulation vermieden werden soll.

Der "Crest-Faktor" ist ein Maß für die maximale Amplitude bezogen auf die Amplitude des Effektivwertes (RMS, root mean square) einer Zeitfunktion. Hier ist eine Rauschspannung als Modell für eine (unprozessierte) Audio-Spannung dargestellt.[5] Die Verteilungsfunktion der Amplitudendichten ist eine Gauß'sche Glockenkurve. σ ist der Effektivwert der Rauschspannung. Die maximal auftretenden Amplitudenwerte, die praktisch zu berücksichtigen sind, sind demnach 3σ, also der dreifache Effektivwert, wenn der Restfehler insgesamt 0,27% nicht überschreiten soll. 

Mit diesen Annahmen ist der mittlere Modulationsgrad auf mmittel ≈ 0,33 (33%) anzusetzen, damit praktisch keine Übermodulation entsteht.

Man wird sich daher sinnvoller Weise auf mmax < 1 beschränken.

  • Präzise ausgedrückt heißt das: Ein AM-Sender sollte möglichst bis 100% Modulation linear arbeiten, aber man darf diesen im Mittel nur bis ca. 33% modulieren, damit in den durch den Crest-Faktor entstehenden Spitzen keine Übermodulation entsteht.(Frühere Sender konnten nur bis ca. 80% maximal modulieren.)

Aber auch für AM-Empfänger ist ein Modulationsgrad mmax < 1 notwendig. Das liegt an den Krümmungen der Demodulator-Kennlinien. Wird der Modulationsgrad zu groß, ergeben sich durch diese Krümmungen nichtlineare Verzerrungen. Man kann davon ausgehen, daß die Demodulatoren der AM-Empfänger an die bei (früheren) AM-Sendern möglichen Modulationsgrade angepaßt sind, so daß man auch aus diesem Grund sinnvoller Weise (mittlere) Modulationsgrade von ca. 33% einstellen sollte.

Die Aussteuerungs-Grenzen von AM-Demodulatoren werden in "AM-Demodulator - Aussteuerungsgrenzen"  beschrieben. Dort ist auch zu sehen, daß die Aussteuerungsgrenze für die bei AM-Demodulatoren übliche Spitzengleichrichtung mit steigender NF-Frequenz, infolge des "Diagonal Clipping", abnimmt.

Literatur:

[1] Czech, J.: Oszillographen-Meßtechnik

[2] Klein, P.: Elektronenstrahl Sichtgeräte in Technik und Medizin, Weidemann, 1952

[3] Terman, F.E.: Radio Engineering

[4] Rudolph, D.: Amplituden-Modulation

[5] Sheingold, D.H.: Analog-Digital Conversion Handbook, Prentice-Hall, 1986

[6] Roddy, D.; Coolen, J.: Electronic Communication, 4th ed., Prentice Hall, 1995

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