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24.Jan.09 19:22
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Wolfgang Scharschmidt (D)
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Wolfgang Scharschmidt

Brennverfahren -Katodenformierung- für Oxid-Katodenröhren -Sinn & Zweck

 
Auch nach dem Jahr 2000 werden für den Konsumermarkt noch neue Oxidkatodenröhren entwickelt bzw. gefertigt. So u.a. z.B. von Alesa Vaic der Typ AV320BSL, Emmission Labs der Typ 1605, von Ei -KT-90, von GE der Typ TT100,    JJ -EL509S, ECC99, von KR-Enterprise - Typ1610, oder von Reflektor/Svetlana/SED -7027A, 6C45Pi und viele andere Typen mehr*sodass die nachstehend auf-geführten Formierungs-Brennverfahren nach wie vor aktuell sind.                                                                           *mehr dazu im Band V der Röhrenhistorie
 
Die Formierung der Röhrenkatode erfüllt mit ihrer Emissionsaktivierung eine wichtige Funktion, wobei im Laufe des Pumpprozesses die Karbonatbeschichtung zunächst in emittierfähige Erdalkali-oxide umgesetzt und danach aktiviert wird. Brennen oder Formierungsbrennen dagegen bewirkt eine Emissionsstabilisierung und erfolgt an fertig evakuierten und gegetterten Röhren. Es ist ein ebenso wichtiger Fertigungsprozess mit von Hersteller zu Hersteller unterschiedlichen Verfahren, um den Elektronenröhren über ihre Betriebszeit weitgehend stabil bleibende Kenndaten zu geben. Zur Ermittlung eines optimalen Brennverfahrens, vor allem bei neu entwickelten Röhrentypen, folgt man nachstehenden Anhaltspunkten:           
             Nutzung von Erfahrungswerte bzw. Einstellungen aus Vergleichen ähnlicher Röhrentypen
 Findung anhand aufwändiger Experimentierversuche. 
 
Das Brennverfahren erfolgte allgemein in mehreren Schritten. Bei Philips/Valvo begann man 1. so z.B. mit einem Flashen, 2. einem Sättigungs- / Säuberungsbrennen und 3. einem Ruhestrombrennen, bzw. 4. bei professionellen Röhren einem zusätzlichen Altern, mit der Absicht:
             a. Formierung der Katode
             b. Reinigung der Einzelteile
             c. Stabilisierung der Kennwerte.
 
1. Beim Flashen werden die Katoden der auf einem Brennrahmen in bestimmten Losgrößen aufge-steckten Röhren zunächst 2 bis 5 Minuten auf eine Temperatur von ca. 1000°C [meist stufenweise] aufgeheizt. Dabei entsteht durch Zusätze im Katodennickel hervorgerufen eine chemische Reduktion, ein rein thermisches Aktivieren, was allen Röhren eine erhöhte gleichmäßige Emissionsfähigkeit gibt. Dieser erste Prozess erfordert, um keine Isolations- oder Gitteremissionen auszulösen, präzise und vorsichtige Vorgehensweise.
2. Wird bei einem Brennschema von Sättigungsbrennengesprochen, so versteht man darunter eine Einstellung, bei der das Steuergitter eine positive Spannung erhält. Mit dem Sättigungsgebiet der Katode hat dies aber nichts gemein, denn die Röhren arbeiten beim Brennen ausschließlich im Raumladegebiet. Würde die Röhre in die Sättigung gefahren -d.h. höchst möglicher Katodenstrom, würde die Katode, da sie noch nicht gleichmäßig emittiert, durch partielle Überhitzung zerstört. So werden die Katoden beim Sättigungsbrennen allgemein mit 125 bis 250 mA/cm² belastet. Es erstreckt sich meist über eine Zeit von 10 bis 20 Minuten und erfolgt bei einer Katodentemperatur um 900-950°C, wobei durch elektrolytische Wirkung des Stromes eine Stromaktivierung erreicht wird. Die für die Elektroden gewählte Lasteinstellung sollte dabei ca. 10-20% über den Angaben deren Kennwerte liegen. Um starke Gasentwicklung und damit Getterverlust zu vermeiden, empfiehlt sich insbesondere für Endröhren ein zweistufiges Sättigungsbrennen. Dabei dient die erste Stufe mit Belastung des Schirmgitters und der Anode [erhöhter Anodenspannung] hauptsächlich der Säuberung der Einzelteile, wobei zur Strombegrenzung ggf. das Steuergitter negativ gemacht werden muss. In der zweiten Stufe erfolgt dann die Stromaktivierung.
3. Im nächsten Bearbeitungsprozess folgt das Ruhestrombrennen, für das allgemein eine Zeit von 20 bis 60 Minuten angesetzt wird. Hierbei werden die Röhren mit möglichst maximaler Elektrodenlast betrieben. Um stabile Kennwerte zu erhalten, benutzt man gelegentlich -abhängig vom Pumpverfahren oder von der Röhrenart- auch ein lastloses Verfahren, bei dem die Röhren nur beheizt werden. Für das Ruhestrombrennen wurde als günstigste Katodentemperatur ein Wert um ca. 800-850°C gefunden. Vorgenannte Verfahren eignen sich auch zur Röhrenregenerierung.
4. Ein Altern der Röhren entspricht im Prinzip einem zusätzlichen Ruhestrombrennen, das auf 24 bis 48 Stunden ausgedehnt wird, wobei eine Katodentemperatur um 700-800°C und eine Lasteinstellung entsprechend der Kenndaten gewählt werden. Insbesondere bei professionellen Röhren angewandt, soll mit dem Altern, die in den ersten Betriebsstunden einer Röhre auftretende Formierdelle aufge-fangen, sowie Frühausfälle ausselektiert werden.
 
Nach Findung eines Brennverfahrens, Wahl des Brennrahmens entweder Zwei- oder Dreikreisrahmen[Ausstattung mit einer Heiz-, sowie je einer Anoden- und Gitterspannungsquelle -hauptsächlich für Trioden- bzw. beim Dreier-rahmen einer weiteren Gitterspannungsquelle] und dem Durchlauf mehrerer Versuchsfertigungen, erfolgt vor Fertigungsübergabe noch eine Emissionsbeurteilung. Als gebräuchliche Messmethoden eignen sich nachstehende Möglichkeiten:
             eine sog. Sättigungsmessung (Fabrikmessung mit ~Spannung)
             eine Steilheitsabnahmemessung
             eine Rauschfaktormessung und
             eine Impulsmessung [bei Normalheizung mit z.B. t=8µs / f=100Hz / U=200V].
Bei der Wahl der Messmethode ist zu beachten, dass die Messung geometrieunabhängig, die Katode auch bei längerer Messzeit nicht überlastet und die Messung möglichst bei normaler Katoden-temperatur erfolgt. Diese Forderungen erfüllen insbesondere die Rausch- und Impulsmessung.
 
Für "unvergleichbare" Röhren-Neuentwicklungen eignen sich die beschriebenen Formierungsver-fahren nur bedingt, weil sie kaum die optimalsten Brennparameter sein werden. Um das geeignete Brennverfahren zu finden, bedarf es dann meist aufwendiger, kostenintensiver Experimente. Ein Weg dahin soll kurz aufgezeigt werden.
Zunächst wird eine Anzahl Röhren mit konstanter Katodentemperatur ohne Strom aktiviert, wobei der zeitliche Verlauf der Emissionsfähigkeit gemessen wird. Dabei durchläuft die Emission eine Kurve mit einem ausgeprägten Maximum. Werden mehrere Gruppen mit verschiedenen Katoden-temperaturen aktiviert, so erhält man bei unterschiedlichen Zeiten jeweils abweichende Maxima. Aus den Höchstwerten bildet man eine Aktivierungsgerade, indem die Temperaturen der jeweiligen Maxima logarithmisch über die Zeit aufgetragen werden. Mit Hilfe dieser Geraden lässt sich dann die zu jeder Aktivierungstemperatur gehörende Zeit, bei der Emissionsmaximum erreicht wird, ablesen. Wird länger gebrannt, wird das Emissionsmaximum überschritten, d.h. die Katode würde desaktiviert. Wird kürzer gebrannt, wird das Maximum gar nicht erst erreicht. Man nennt deshalb das Gebiet oberhalb der Geraden Desaktivierungsgebiet, das unterhalb Aktivierungsgebiet. Der Einfluss einer Stromaktivierung und die der Entgasung in Katodenumgebung lassen sich durch Verschieben der Geraden berücksichtigen. Außerdem erlaubt die Aktivierungsgerade eine Katodenmaterial-Beurteilung [aktiv/passiv].
Die anhand dieses Verfahrens gefundenen Kriterien ermöglichen in nachfolgenden Aktivierungs-versuchen, ob Einstufen-, Zweistufen-, Mehrstufenaktivierung [in Abstufungen der Katodentemperatur -z.B. 1000-950-850...700°C stets von hoch nach tief beginnend]oder Stromaktivierung, zusammen mit vorliegenden Erfahrungen, eine zielsichere Analyse und mehr oder weniger schnelle Findung eines optimalen Brennschemas.
*Dies ist ein ergänzender Bericht zu im  "Band I der Röhrenhistorie"  beschriebenen 
 Katodenproblematiken, hrenstörgrößen usw.. Die fünfbändige Röhrenhistorie erscheint im
 Funk Verlag Bernhard Hein /Dessau - www.funkverlag.de.
 Der Band I kommt im April 2009 in den Handel.   
 

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