Farbfernsehstart in der ehemaligen DDR

ID: 510214
? Farbfernsehstart in der ehemaligen DDR 
18.Jan.19 10:05
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Am 7.10.1969 startete offiziell mit dem 2. Programm des DDR- Fernsehens das Farbfernsehen in der DDR im SECAM III b System . Ich möchte dieses Ereignis zum Anlass nehmen um anzufragen, wer einen Beitrag oder Zeitdokumente für eine größere Veröffentlichung im Radiomuseum beisteuern kann.  

Informationen zum Beispiel aus Tages- oder Wochenzeitungen wären sicher hilfreich....

wie haben Sie es selbst erlebt ???

Erinnern sie sich an besondere Dinge ?

Waren Sie persönlich dabei?

Was hat man in der BRD / Berlin West zum Farbfernsehstart in der DDR publiziert?

 

Schön, das sich unser Staßfurter Jürgen Recke  schon gemeldet hat, dort stand die Aufgabe für den Start 1000 Stück des Farbfernsehers Color 20 dem Handel bereit zu stellen. Dieses Gerät war zumindestens in Europa das erste volltransistorisierte und damit auch recht sparsam im Energieverbrauch. Welche Probleme es zu meistern gab, das werden uns die Staßfurter sicher aufschreiben.....Klasse ! ....

Foto; Wolfgang Lill 12.01.2019 Berlin Fernsehturm "Am Alexanderplatz" Hier startete offiziell am 07.10.1969 das zweite Programm des DDR-Fernsehens in Farbe

Im Vorfeld auf diese bedeutsame Maßnahme begannen natürlich die Medien mit der Information. Ich bedanke mich beim " Neuen Deutschland", damals die auflagenstärkste Tageszeitung in der DDR mit etwa 1 Million für die Genehmigung, einige Artikel zu übernehmen. 

Rext und Grafik : ND vom 16.August 1969 Seite 13

Die Übertragung des zweiten DDR- Fernsehprogrammes in Farbe erfolgt zunächst mit offiziellem Sendestart ab 07.10.1969 über 4 Großsender . Die obige Zeichnung veranschaulicht  den Empfangsbereich in südlicher, westlicher, nördlicher und östlicher Richtung in Kilometern.

In diesem Bereich konnte das zweite Programm des DDR Fernsehens theoretisch von etwa 25 % der Bevölkerung empfangen werden. 

Einer davon ist der 1959 fertiggestellte 184,5 m hohe Sender in Dequede ( Foto Arne Wiechern, www Senderfotos.de )

In Mecklenburg wird die Ausstrahlung über den Schweriner Sendemast ( im Bild rechts ) realisiert.

(Foto Wikipedia, Niteshift)

Der vierte im Bunde war der Dresdner Fernsehturm

Foto: Wikimedia ET420fan ( Änderungen Bildausschnitt vom Turm) wohl extra fertiggestellt im Sommer 1969 für den Fernsehstart des 2. Programmes.

Weitere Schritte des geplanten Ausbaues waren: Leipzig ( 1970 ) und Marlow (Rostock im Jahre 1971 )

 

Der ND- Artikel "Das Farbfernsehen stellt sich vor" dürfte aus heutiger Sicht noch interessant sein, wie hat man es den Bürgern damals erklärt ?

Hier noch die weiteren Schemen ( 1) ...(14) siehe vorherigen Text:

Ich persönlich halte diese Informationen zur damaligen Zeit für gut und verständlich. Natürlich musste die besondere Verbindung zur Sowjetunion immer wieder hervorgehoben werden.

Die Nachrüsttuner waren im Handel bzw über die Vertragswerkstätten erhältlich, die Tuner waren zunächst Mangelware.

Es gab die Festnetztuner ( in Dresden z.B. fest auf UHF- Kanal 29 eingestellt) und die durchstimmbaren.

Und es gab natürlich auch die Bastler. Ich gehörte damals dazu. Aus Einzelteilen wurden im Nahbereich des Senders Dresden (wo mehrere UHF Sender ausstrahlten ging das natürlich nicht ) Yaggi-Antennen zusammengebaut. In den Dipol wurde eine Tunneldiode eingesetzt ( diese "Kauften" wir meistens gegen 1/2 l Wodka bei sowjetischen Militärangehörigen). Die Tunneldiode machte Oberwellen und am Tuner des Fernsehgerätes erfolgte zumeist im Kanal 3 oder 4 die Feinabstimmung des 2. Programmes.

So gesehen kamen recht viele unserer Bürger für kleines Geld  in den Genuß, das zweite Programm zumindestens mit Ihrem alten Schwarz-Weiß-Gerät zu empfangen....

Die Rundfunk- und Fernsehgebühren erhöhten sich damals von 7,50 Mark auf 10 Mark, wenn man Empfangsteilnehmer des 2. Programmes war.  Aber Rentner waren von den Gebühren insgesamt befreit. Ob sich die Tunneldioden- Gucker angemeldet haben, entzieht sich meiner Kenntnis.

 

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Farbfernsehstart in der ehemaligen DDR 
19.Jan.19 20:10
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Und wieder ein kleiner Beitrag aus dem Jahre 1972. Damals wurde die DDR immer noch nicht flächendeckend mit dem 2. Prgramm in Farbe versorgt. Es wurde notwendig, auch Senderketten des 1. Programmes für Farbübertragungen umzurüsten

Hier eine Information vom Fernsehen der DDR, wohl mehrfach auf Anfragen rausgeschickt, im April 1972: 

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Farbfernsehstart in der ehemaligen DDR 
21.Jan.19 20:23
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Stolz war man auf die erfolgreiche Entwicklung, hier die Titelseite von Radio und Fernsehen.

 

Natürlich besonders auf das neu gestaltete Zentrum Berlins, der Hauptstadt der DDR. Der Fernsehturm "Am Alex"ist auch heute im Jahre 2019 mit 368 m noch das höchste Gebäude Deutschlands, damals im Jahre 1969 war er der zweithöchste Fernsehturm der Welt , nur der Fernsehturm in Ostankino ( Moskau) war mit 540 m  damals bedeutend höher. Aber dem " großen Bruder" ließ die DDR den Erfolg ,Die Baukosten des Ostberliner Fernsehturmes liefen damals aus dem Ruder; er kostete cirka 100 Millionen Mark der DDR. 

Foto: ND /Schönfeld/Stadtarchiv v. 6.10.1969

Los ging es nach zahlreichen Versuchssendungen mit dem 2. Programm:

Wir lesen 2. Programm 7.10.1969 19,30 Uhr Aktuelle Kamera mit Studio XX (Farbsendung)

Also halten wir fest, die erste offizielle Farbsendung im DDR Fernsehen war die Aktuelle Kamera !

...und vor tausend ausgelieferten Fernsehgeräten saßen sicher mindestens 10000 glückliche Menschen und freuten sich.....

Katja Stern ist einfach überwältigt und begeistert, hier Ihre Kritik zu den ersten Sendungen im ND vom 14.10.1969.

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Farbfernsehstart in der ehemaligen DDR 
22.Jan.19 09:30
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Das wird ja wirklich interessant. 
Gerald Gauert aus Magdeburg hat mir einen interessanten Artikel über den Color 20, veröffentlicht im Heft 11/69 der Jugend und Technik ( Technikzeitschrift der DDR- FDJ)  zur Verfügung gestellt.

 

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Objekt 114 , was verbarg sich dahinter ? 
25.Jan.19 21:38
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Wir sammeln erst mal weiter Zeitdokumente:

Herr Jürgen Recke war damals dabei und hat für unser Radiomuseum die Geschichte des Jugendkollektives aufgeschrieben:

Ich war dabei!!

Bei der 0-Serie und und dem Serienanlauf des Color 20 war ich dabei.

Wie kam es dazu:

Von 1962 bis Februar 1965 erlernte ich den Beruf des Funkmechanikers in Staßfurt. Danach wurde ich von der NVA eingezogen und diente 18 Monate als Funkorter bei den Fla-Reketen.

Im Herbst 1966 kam ich zum FSGW zurück und wurde als Facharbeiter wieder eingestellt. Ich reparierte etwa für 1,5 Jahre Schwarz/weiß Geräte verschiedener Gerätetypen.

Inzwischen war die Entwicklung des Kofferfernsehers K67 abgeschlossen. Ich wechselte in die Endfertigung dieses Gerätes. Sie bestand als Basis der Prüfung aus 6 parallelen Prüfplätzen als Einzel-oder Nestfertigung.

Das war für uns Reparaturarbeiter eine gewaltige Umstellung. Vorher die Röhrentechnik mit hohen Spannungen und nun die Halbleitertechnik mit niedrigen Spannungen. Das sollte wohl schon eine Erfahrungssammlung für die kommende Farbproduktion sein.

Wir hatten davon keine Ahnung. Es war bezüglich der Fernsehproduktion alles sehr vertraulich und geheim. Das Projekt Farbfernsehen erhielt den Codenamen „Objekt 114“.

Mit Beginn 1969 begann dann für uns eine umfangreiche Schulung der Facharbeiter für Farbfernsehtechnik durch das ingenieurtechnische Personal des FSGW.

Erste praktische Erfahrungen sammelten wir im Mai mit der 0-Serie. Es waren etwa 50 Geräte vorgesehen.

Nach Auswertung der 0-Serie begannen wir etwa Mitte August mit der Serienproduktion.

Ziel war es, bis zum 20 Jahrestag der DDR (7. Oktober 1969) 1000 Geräte zu produzieren.

Dazu wurden 2 Brigaden gebildet. Sie bestanden aus den geschulten Facharbeitern und dem ingenieurtechnischen Personal des FSGW. Diese beiden Brigaden arbeiteten je 12 Stunden und das in zwei Schichten. Die eine von 6,00 Uhr bis 18,00 Uhr und die zweite dann 18,00 Uhr bis 6,00 Uhr. Die zweite Schicht mit der Nachtarbeit war die härteste. Der Tiefpunkt für die Arbeit war so etwa zwischen 1,00 Uhr und 2,00 Uhr erreicht. Für viele von uns war es eine ungewohnte Zeit.

Es gab auch zwischen beiden Brigaden ein kleinen Wettbewerb, den wir alle waren sehr ehrgeizig,

das Ziel war 1000 Geräte zu erreichen.

Wir wurden auch ständig über den Stand der Gerätestückzahl und über die Qualität informiert.

Für die Produktion standen die Geräte auf einem Wagen und der Wagen wurde für die Einstellarbeiten von Kabine zu Kabine geschoben. Am Ende der Prüfung wurde das Gerät mit der Rückwand und den Papieren wie Bedienungsanleitung und Garantiekarte komplettiert.

Nach einer äußeren Kontrolle und polieren des Gerätes, erfolgte die Endabnahme durch die Fertigung.

Diese Kontrolle beinhaltete die Gesamtheit des Gerätes, mit Sicherheitskontrolle, mit Kontrolle der Empfindlichkeit usw. War bei der Kontrolle alles in Ordnung, folgte am Ende noch eine Kontrolle durch die TKO (TechnischesKontroll Organ). Es war eine zweite unabhängige Kontrolle und oftmals mit anderen Ergebnissen. Alles diente der Qualitätssicherung!!

Als letztes wurden die Geräte der Verpackung und dann dem Versand zugeführt.

Das Ziel wurde am 02. Oktober 1969 erreicht.

Alle an der Produktion beteiligten Kollegen, bekamen für Leistung eine Prämie von 1 000 Mark.

Nochmals ein herzliches Dankeschön lieber Jürgen, wir warten nun gespannt auf weitere Beiträge 

 

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Gruppe Volkzorn fordert Westfernsehen für Dresden u Umgebung 
26.Jan.19 12:07
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Die Gruppe "Volkszorn", so lautete der Absender eines an den Staatsrat der DDR gerichteten Briefes,  Dieser wurde abgefangen und der Staatssicherheit übergeben.

Die Gruppe "Volkszorn" forderte die Verantwortlichen des Staatsrates auf, mittels zusammengestückelten Wortschnipseln aus UNION und Sächsischer Zeitung das Westfernsehen auch in Dresden auszustrahlen.

Der Großraum Dresden war eines der wenigen Gebiete auf dem Territorium der DDR, wo man damals kein Westfernsehen empfangen konnte. 

Als Frist dafür hatte die Gruppe "Volkszorn" den 6.November 1984 gesetzt.

Die Gruppe "Volkszorn" drohte bei Nichterfüllung der Forderung mit der Sprengung des Wachwitzer Fernsehturmes und des damaligen UKW- Senders Löbau.

Man nahm diese Drohung ernst und leitete Maßnahmen zu Sicherung dieser Objekte ein.

Westfernsehen auf terristischem Wege gab es erst im Frühjahr 1990  durch Einbeziehung bei       3- sat  man sprach auch kurzfristig von 4-sat  und nach der Wiedervereinigung kam ARD und ZDF, wurde der MDR und ORB gegründet als Länderanstalten.

Ich bedaure nur, das man den Deutschen Fernsehfunk ( Ende 31.12.1991 24,00 Uhr )  zerschlagen hat ( das ist mein persönlicher Zorn an dieser Sache ). 

 

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