Funkbetriebsstelle Hardtberg (Malchin)

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Funkbetriebsstelle Hardtberg (Malchin) 
12.Aug.25 13:45
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Interessant, was damals dazu in der Tageszeitung "Freie Erde" (Organ der Bezirksleitung der SED Neubrandenburg), heute der "Nordkurier" am 22.12.1954 veröffentlicht wurde, aber lesen Sie selbst:

  

Die Funkbetriebsstelle Hardtberg nahm dann im Oktober 1955 ihren Betrieb auf und wurde dem Funkamt Schwerin als Außenstelle angegliedert. 

Sie entstand aus der Notwendigkeit heraus, die sich in den nördlichen Bezirken befindenden Fernsehsender Marlow Inbetriebnahme im November 1955 auf zunächst OIR Kanal 8 und Schwerin-Zippendorf am 15.August 1957 auf CCIR-Kanal 11 mit der erforderlichen Bild- und Tonmodulation zu versorgen.

Leider habe ich aus dieser Zeit noch keine Fotos gefunden. Soviel wissen wir aber: der Hardtberg ist 126 m hoch, dazu kam der Stahlgittermast mit 94 m. 

Das Bedienungspersonal hatte damals einen Anmarschweg von ca 4 Km vom Bahnhof Hohen -Mistdorf. Allerdings hatte man wenigstens für Einkaufsfahrten ein Betriebsmotorrad vom Typ AWO. Auch eine Frischwasserversorgung gab es damals noch nicht. Erst im III.Quartal  1957 wurde die von der Firma Overmann aus Neukalen gebaute Wasserleitung in Betrieb genommen. 

Neben dem Stahlgittermast waren auch ein Betriebsraum, eine Werkstatt, das Büro, Unterkunftsräume und die Küche vorhanden. 

Als erste Geräte baute die Firma RAFENA Radeberg als Videozubringer die RVG 904 und als Tonzubringer die RVG 905 ein sowie für Telefoniezwecke der Betriebsstellen untereinander die RVG 902. Die Geräte arbeiteten auf Wellenlängen um die 20 cm. Als Antennen wurden Parabolspiegel von 1,5o  2.5o und 4,oo m Duchmesser verwendet. Die Signalzuführung erfolgte über die Strecke:  Adlershof >>>Birkholzaue>>> Telegrafenberg>>> Helpterberg>>> Hardtberg

Konstruktiv und technisch dürfte er annähernd so ausgesehen haben Ende der 50iger Jahre.

Das Bild vom Sockelbereich ( Foto Ihle ) stammt bereits aus den 90iger Jahren. Die Gittermastkonstruktion ist dort noch die ursprüngliche der 50iger Jahre, die Wärmepumpen waren damals natürlich noch nicht im Einsatz.

Die ersten RVG-Geräte arbeiteten nicht sehr zuverlässig. Häufig gab es Störungen. So betrug zum Beispiel die Störzeit (mit Netzausfällen) im ersten Halbjahr 1956 bei der RVG 904  277 Minuten, bei der RVG 905  40 Minuten.  Diese wurden dann durch modernere Anlagen ersetzt. Zunächst wurden  englische Anlagen KTR 1000 von der Firma PYE importiert und auch durch deren Fachkräfte montiert.

Die Radeberger Kollegen entwickelten aber die Anlagen weiter und diese wurden nun gegen RVG 908 und RVG 955 ersetzt, auch die von PYE. Die Ausfallzeiten minimierten sich. So fiel die RVG 908 im ersten Halbjahr 1965 nur noch 23 Minuten aus , die RVG 955 nur neun Minuten. 

Die Programmzeiten waren inzwischen erheblich angestiegen. 1956/57 war montags noch gar kein Programm , ab 7.10.1958 wurde das Vormittagsprogramm für Spätarbeiter eingeführt...

In der Chronik der Funkbetriebsstelle sind einige interessante und für uns heute kaum vorstellbare Fakten genannt:

"Die Kollegen hatten nicht nur mit den Tücken der Geräte zu kämpfen, auch das Leben auf der Betriebsstelle stellte hohe Anforderungen an sie. Wasser ist beispielsweise ein lebensnotwendiges Element. Er war ein rarer und kostbarer Artikel . Da keine Wasserleitung vorhanden war und der "Wassertransport im Faß" auch ausfiel, sei es durch Glätte im Winter oder andere Umstände, konnten sich die Kollegen nicht waschen oder Kaffee kochen. Auch die sanitären Einrichtungen, soweit man davon sprechen konnte, gaben oft zu Ärger Anlass. Trotzdem waren die Kollegen mit Eifer bei der Sache und leisteten wahre Pionierarbeit. " 

Interessant ist auch mal zu erfahren, was die Kollegen monatlich verdienten:

Der Stellenplan 1957, Bezahlung nach Ortsklasse B sah folgendermaßen aus:

Schichtleiter Gehaltsgruppe TII    376 DM monatlich ( DM hieß damals auch noch die DDR-Mark).

Funkmechaniker : T I  329 DM

Das Einarbeitsgehalt war T Ia  291 DM

Außer dem Betriebsstellenleiter , der die Gehaltsgruppe T IV hatte war noch ein Antennenwart tätig , er hatte die Gehaltgruppe TI,   329 DM. 

Die Reinemachefrau wurde nach Gehaltsgruppe 2 bezahlt und dann gab es noch die vier Kollegen von der Betriebswache. Diese erhielten ein Gehalt von 295 DM.

Weiter in der Chronik:

"Der Qualifikationsstand der Kollegen war auch nicht sehr hoch. Viele Kollegen verließen die Betriebsstelle nach kurzer Zeit wieder. Sei es aus finanziellen Gründen oder der ungünstigen Lage. Es gab Wohnungsprobleme und fehlende Qualifizierungsmaßnahmen  waren weitere Ursachen. 

Kollegen , die fast von der Pike auf dabei waren, werden hier genannt:

Herr Sölch Betriebsstellenleiter, Schichtleiter waren die Kollegen Wenzel, Tiedemann und Retzlaff, Funkmechaniker war Kollege Dornick, drei Wachleute waren über längere Zeit dort; die Kollegen Gauck, Scholze und Möde. Durch die Qualifitźierung wurde Kollege Gauck Antennen- und Dieselwart und der Kollege Scholze Bearbeiter für technische Unterlagen....

Am 25.07.1958 wurde auf Wunsch der Kollegen die GST-Gruppe der Betriebsstelle gegründet. Vor allen Dingen der Funksport, wie auch der Schießsport erweckten allgemeines Interesse.

Um den Schießsport neben dem Luftgewehr auch mit KK-Waffen durchführen zu können wurde von den Kameraden der GST in unmittelbarer Nähe ein Schießstand errichtet.

Am 1.1.1959 wurde die Betriebsstelle Hardtberg vom Funkamt Oranienburg übernommen." 

Weiter aus der Chronik...

"Im Laufe des Jahres 1959 wurde umgebaut. Die RVG 902, 904 und 905 gingen außer Betrieb und die verbesserten Geräte vom Typ RVG 908 und RVG 955 eingesetzt. Das brachte natürlich eine Reihe von Umbauarbeiten mit sich. So wurde beispielsweise der gesamte Betriebsraum von den Kollegen mit Zement ausgegossen, um für die neuen Geräte notwendige Kabel- und Lüfterkanäle zu schaffen.

Im I. Quartal wurde auch die englische Richtfunkstrecke KTR1000 in Betrieb genommen, nachdem sie durch die englischen Techniker fast ein halbes Jahr lang eingemessen wurde. Diese Anlage war in einem massiven Steingebäude untergebracht, welches eigens für diesen Zweck von der Baufirma Happek ( Malchin) nach vielen Schwierigkeiten errichtet wurde. 

Durch viele freiwillige Aufbaustunden halfen die Kollegen der Betriebsstelle , die Errichtung des Gebäudes zu beschleunigen. 

Ab 1.3.1959 wurde dann die KTR 1000 zur Hauptstrecke erklärt. Leider dauerte diese Freude nicht allzu lange, denn diese Anlage erfüllte nicht die in sie gesteckten Erwartungen. Obwohl die KTR 1000 sehr klein im Aufbau war und einen guten Allgemeineindruck machte, arbeitete sie doch instabil.

Am 30.4.1959 erhält die Betriebsstelle den lang ersehntenWagen, einen Kübelwagen vom Typ IFA P2m. Zwar nicht sehr komfortabel, aber doch Grund genug für die Kollegen, sich darüber zu freuen. Dadurch trat eine bedeutende Verbesserung für Betriebsstelle und die Kollegen ein. Der Kübel wurde aber wieder abgezogen und dann folgte ein FRAMO Kombi, danach zur Abwechselung ein P70 (Bild).

Dieser P70 war jedoch nur im Rückwärtsgang dazu zu bewegen, den "Berg" zu nehmen. 

Heute ( etwa 1965) besitzen wir einen BARKAS, der doch einen besseren Eindruck macht.

Am 14.09.1959 gründeten die Kollegen eine Brigade, die um den Titel "Brigade der Sozialistischen Arbeit" kämpft. ....

Die lohnpolitischen Maßnahmen der Deutschen Post vom 8.November 1960 wurden von den Kollegen der Betriebsstelle begrüßt. 

Der Stellenplan der Funkbetriebsstelle Hardtberg sieht danach folgendermaßen aus:

        Funktion                Gehaltsgruppe                Mindestqualifikation

Betriebsstellenleiter              J III                             Ingenieur

Schichtleiter                          J  II                             Ingenieur             4 Mitarbeiter

Techniker                              J I                               Techniker               4 Mitarbeiter

Funktechniker                      G 9                              Funkmechaniker   3 Mitarbeiter

Bearbeiter für Techn. Unterlagen  G8                     Speziallehrgang     1 Mitarbeiter

Kraftfahrer, Diesel- und                                                                                                                            Antennenwart                       G6                              Berufskraftfahrer    1 Mitarbeiter

Reinigungskraft                     G3                             keine                      1 Miarbeiterin

Ein halbes jahr nach den lohnpolitischen Maßnahmen wurden dann die ertsen Kollegen attestiert und sind damit berechtigt, die Uniform der Deutschen Post ( DDR) zu tragen.

Die Kollegen übernahmen auch viele Arbeiten, die mit der eigentlichen Technik nicht in direktem Zusammenhang standen. So wurde z.B. am 22.09.1961 das Dach der Baracke geteert und damit erhebliche Kosten eingespart.

Ein Treibstofflager für Dieselkraftstoff wurde am 20.10.1961 fertig gestellt. Innerhalb des Produktionsaufgebotes übernahmen die Kollegen  am 2.10.1961 die Verpflichtung die umgesetzte Feuerlösch- und Motorradgarage selbst zu installieren.

Auch die Baracke wird in Eigenleistung am 23.05.1962 von außen gestrichen. Am 31.08. 1962 begannen die Kollegen der Wache und der Technik gemeinsam  damit, einen Zaun aus Betonpfählen und Maschendraht anzufertigen. 

Am 6.12.1961 herrschte ein gewaltiger Sturm. Marlow bekam kein Richtfunk-Signal mehr. Der Umlenkspiegel in Richtung Marlow hatte seine Richtung geändert, da ein Halteseil gerissen war. Die Kollegen Wiechert und Wenzel haben im mutigen Einsatz bei Windstärke 8...9 den Schaden behoben.

Die bevorstehende Rückwärtsschaltung konnte ohne Schwierigkeiten durchgeführt werden. 

Im Laufe des Jahres 1962 wurde nach und nach die KTR 1000 außer Betrieb genommen, da sie den technischen Anforderungen  nicht mehr genügte. 

Hinweis : zu KTR 1000 in meinem Beitrag Telegrafenberg

Die dadurch frei werdenden Räume  wurden als Umkleide- bzw. Schlafräume umgebaut. Nun erst konnte man wirklich von Schlafräumen sprechen, da die Phonzahlen in den Räumen der Betriebsbaracke einfach zu hoch waren.

Da die GST-Gruppe keinen entsprechenden Raum hatte, bauten sich die Kameraden am 7.12.1963 einen eigenen aus und konnten somit ihre Arbeit intensiver gestalten...

Es wurden zwei Bildschreiber gebaut und am 10.1.1962 in Betrieb genommen. Am 15.02.1963 wurde ein Abhörverstärker fertiggestellt. Einige Netzgeräte der RVG 908 wurden im Jahre 1964 überholt.

 Im III.Quartal 1964 wurde mit den Arbeiten für einen abgeteilten Kontrollraum innerhalb des Betriebsraumes begonnen.

Eine selbst gebaute Wechselsprechanlage wurde im I.Quartal 1965 in Betrieb genommen.

Die Deutsche Lufthansa ( damals hieß die Fluggesellaschaft in der DDR noch so) richtete im II.Quartal 1965 eine englische Funkstation im ehemaligen PYE-Gebäude ein...

Seit 1961 konnte die Betriebsstelle dreimal den dritten Platz im innerbetrieblichen Wettbewerb erringen. 

Die Störzeiten wurden im Laufe der Zeit gesenkt, die Arbeitsproduktiviät ist gestiegen und die Selbstkosten wurden verringert. 

Der Grund für die Fortschritte ist aber nicht nur in der technischen Verbesserung der Geräte und Anlagen zu suchen, sondern auch im betrieblichen Wettbewerb und in der fachlichen und gesellschaftlichen Qualifizierung der einzelnen Kollegen." 

Hier ist die Chronik zu Ende. Vielleicht findet sich noch etwas ? Ich suche weiter und hoffe auf Verbündete in der Region, denen die Geschichte am Herzen liegt.

 

 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.