Aktenzeichen XY 1939 mit dem E1 Einheitsfernsehempfänger

ID: 183719
Aktenzeichen XY 1939 mit dem E1 Einheitsfernsehempfänger 
15.Feb.09 18:48
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Wolfgang Scheida (A)
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Aktenzeichen XY 1939 mit dem E1 Einheitsfernsehempfänger

Schon Jahrzehnte bevor Eduard der Zimmermann † 19. September 2009 alias "Ganoven-Ede" die im deutschsprachigen Raum bestens bekannte Sendung "Aktenzeichen XY ungelöst" gestaltete, und ebenso bevor George Orwell seine Kriegserfahrungen im Ministerium machen konnte die ihm 1948 zum Herausgeben des Romans 1984 veranlassten war das Medium Fernsehen bereits im Dienste der Verbrecherjagd eingesetzt worden.

Dieser, dem Internet sei gedankt, online stehende Fernsehwerbefilm der UFA 

"Wer fuhr IIA2992" führt uns ein in die Vielfältigkeit des Mediums Fernsehen anno 1939. (Anmerkung: IIA war das Autokennzeichenkürzel für München bis 1945)   

Wir sehen einige Errungenschaften jener Tage:

Reichsautobahnen, dicke 3,2 L Mercedes Benzen mitsamt Autoradio, und herausstechend der Fernsehrundfunk als Gemeinschaftserlebnis in den Fernsehstuben die man als Abendunterhaltung eigens (in Berlin) aufsuchte. 

Der E1 als Individualempfänger steht wie selbstverständlich in der Polizeidienststelle wo er in der Radiostellung die UKW Rundfunkübertragung als Information und Hintergrundberieselung wieder gibt.

Das in Deutschen Großstädten verfügbare 180 Zeilen Telefonfernsehsprechnetz mit seinen Fernsehsprechstellen wird ebenfalls gleich mit in die Pflicht genommen.

Ob man sich wohl ausmalen kann was daraus geworden wäre wenn im damaligen Umfeld dieses Medium massenwirksam zur Verfügung gestanden wäre? Visuelle Überwachung wie wir es heute als gegeben hinnehmen könnte in dieser(n) Idee(n) seinen Keim gehabt haben.

Was auffällt, ist aber die wohl gespielte Aufmerksamkeit aller Akteure auf das was sie sehen und hören und deshalb zu den Ermittlungen einbringen können.

Uns bleibt die Ernüchterung der omnivisuellen Realität nach über 70 Jahren öffentlichem Fernsehen und die lautet bisweilen:

Medial visuelle Überreizung und Übersättigung.   

Mediale Überreizung führt zur TV Langweile   

Damit niemand 70 Jahre später ungewolltes Opfer einseitiger Propaganda wird sei auf diesen 1939er RCA Werbefilm zum Thema Fernsehen in den USA zum internationalen Vergleich verwiesen.

Beachte die Begeisterung für Pferderennen hüben wie drüben (Auch mit Boxkämpfen wurde das neue Medium gerne beworben. 

Belegt auf deutscher Seite sind der Boxkampf mit Fernsehübertragung in der Europameisterschaft vom 2. Juli 1939 mit Max Schmeling gegen Adolf Heuser - Ausschnitt Spiegel TV 1999 "Fernsehen unterm Hackenkreuz").  

441 Zeilen Fernsehübertragung vom aktuellen Bilddienst des deutschen Fernsehrundfunks vom Boxkampf im Berliner Sportpalast am 11.8.1939 zwischen Adolf Heuser & Preciso Merlo in der Europameisterschaft im Halbschwergewicht

Sowie: 441 Zeilen Fernsehübertragung vom aktuellen Bilddienst des deutschen Fernsehrundfunks vom Boxkampf im Berliner Sportpalast am 11.8.1939 zwischen Adolf Heuser & Preciso Merlo in der Europameisterschaft im Halbschwergewicht.

Wobei hier schon die überarbeitete Kamera der Fernseh AG mit dem Superikonoskop (Speicherröhre mit elektronenoptischer Vergrößerung) zum Einsatz kam was auch bei unzureichenden Lichtverhältnissen für gute Aufnahmen sorgte.(Quelle: Fernseh AG Hausmitteilungen 1. Band, Heft 6, Dezember 1939).

Fußballfreunde hingegen können im Fußballländerkampf Deutschland-Italien am 26.11.1939 im Berliner Olympiastadion die Übertragung im Fernsehen belegt finden:

Fernsehkamera der Fernseh AG beim Fußballländerkampf Deutschland-Italien am 26.11.1939 im Olympiastadion

(Quelle: Fernseh AG Hausmitteilungen 1. Band, Heft 6, Dezember 1939)

Anmerkung: Zu jener Zeit wurde auf beiden Kontinenten mit 441 Zeilen Abtastung gearbeitet. Inkompatibel blieb es dennoch da hier eine 50 Hz und dort eine 60 Hz Netzversorgung waren/sind.   

2/2009 W. Scheida/Wien Fernsehhistoriker

 

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