"Joint-Stereo" analog

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"Joint-Stereo" analog 
25.Jan.13 15:20
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Joint Stereo ist ein Begriff aus der Digitalen Signalverarbeitung. Der Grundgedanke dabei ist, daß bei Stereo-Signalen meist sehr vieles im linken und im rechten Kanal identisch ist, wo hingegen die Unterschiede zwischen den beiden Kanälen entsprechend gering sind.

Zur Verbesserung der mp3-Codierung spaltet man daher das Stereo-Signal folgendermaßen auf:

  • Kanal für identische Anteile (I-Kanal) mit größerer Datenrate
  • Kanal für die Unterschiede (U-Kanal) mit kleinerer Datenrate

Diese beiden Kanäle sind hierbei nicht spektral begrenzt (wie im nachfolgenden analogen "Joint-Stereo"), allerdings liegt es in der Natur der Sache, daß bei höheren NF-Frequenzen die größeren Unterschiede entstehen.

Über Joint Stereo findet man einiges im Netz, z.B. eine Übersicht  oder über das LAME-Projekt.


Während beim digitalen Joint Stereo das Problem bei der zur Verfügung stehenden  begrenzten Datenrate besteht, bestand das Problem bei dem "analogen Joint-Stereo" in der Begrenzung des technischen Aufwandes für eine "nach Stereo klingende" Wiedergabe.

Der Grundgedanke ist wieder ganz ähnlich: bei höheren NF-Frequenzen gibt es mehr Unterschiede zwischen linkem und rechtem Kanal, während man bei tiefen Frequenzen eventuelle Unterschiede noch nicht einmal orten kann.

Analog trennt man daher frequenzmäßig auf:

  • Kanal für tiefe NF-Frequenzen (Summen-Kanal mit Gegentakt-Verstärker)
  • 2 Kanäle für hohe NF-frequenzen (links & rechts mit Eintakt-Verstärker)

Da bei tiefen NF-Frequenzen größere Leistungen auftreten, ist hier ein Gegentakt-Verstärker angemessen.

Trennt man die Kanäle am Eingang des NF Zweiges auf, sind 3 NF Verstärker erforderlich, jedoch kommt man mit 2 NF Verstärkern aus, wenn erst am Ausgang aufgetrennt wird. Das begrenzt dann auch den technischen Aufwand. Das Blockschaltbild zeigt das Prinzip. Oben ist der "links" Kanal und unten der "rechts" Kanal.

Damit man einerseits mit 2 Verstärkerzweigen auskommt und andererseits für den Summenkanal einen Gegentakt-Verstärker realisieren kann, ist im oberen Kanal an 2 Stellen eine Phasen-Umpolung (PU) erforderlich. Die erste Phasenumkehr ist für die Gegentakt-Ansteuerung (für die teifen Töne TT) erforderlich, Damit die hohen Töne im oberen Kanal trotzdem phasenrichtig abgestrahlt werden, erfolgt eine zweite Phasen-Umpolung durch entsprechenden Anschluß des oberen Hochton-Lautsprechers (HT) .

Damit die beiden Hochtöner nur die höheren NF Frequenzen wiedergeben, werden (im Blockschaltbild) die entsprechenden Trafos für tiefe Töne mit Drosseln überbrückt. Dies ist allerdings in der Praxis nicht notwendig; hier werden die beiden Übertrager so bemessen, daß sie für tiefe Frequenzen fast einen Kurzschluß darstellen.

Entsprechend muß der Gegentakt-Übertrager für die hohen NF Frequenzen mit Hilfe von Kondensatoren überbrückt werden.

Somit ergeben sich Frequenzweichen für die Auftrennung der Frequenzbereiche in einen Tiefton Bereich (TT) und zwei Hochton Bereiche (HT).

Ein Bespiel für eine realisierte derartige Schaltung ist  der 4006W_Stereo  dessen Schaltung hier auszugsweise wiedergegeben ist.

Ein interessantes Detail ist die Realisierung der ersten Phasen-Umkehrstufe PU [1:-1], deren Ausgangssignal invertiert zu ihrem Einganssignal ist.

Die Funktionsweise ist ziemlich ähnlich wie bei einem invertierend beschalteten Operationsverstärker (OV). [Beim OV gilt die Analyse für Gleich- und für Wechsel-Spannungen und -Ströme, während sie bei der Röhrenschaltung so nur für die Wechselgrößen gilt.]

  1. Da der Eingangswiderstand sehr groß ist, gilt iΔ => 0 Damit wird ir = - ie
  2. ie = (ue - u Δ )/Re ; ir = (ua + uΔ)/Rr ; ua = A*uΔ

  3. ua/ue = - Rr/(Re + [Re + Rr]/A ) ; für A =>  ∞ folgt: ua/ue = -Rr/Re

  4. Für einen Inverter gilt: ua/ue = - 1

  5. Für endliche Verstärkung A folgt: Re = Rr(A - 1)/(A + 1)

  6. Da die Röhrenstufe mit dem C-System der EABC80 nur eine endliche große Verstärkung A realisieren kann, muß demzufolge der Rückführwiderstand Rr (R49 = 3,3 MΩ) größer als der Eingangswiderstand Re (R47 = 2,7 MΩ) sein.

  7. Der Kondensator C59 = 3,3 nF stellt bei den NF Frequenzen einen kleineren Widerstand als der Gitterableitwiderstand R51 = 10 MΩ dar. Somit ist der "Summenpunkt"  wechselstrommäßig praktisch auf Gitterpotential.

Die hier als "analoges Joint-Stereo" vorgestellte Schaltung wird manchmal auch mit "Quasi Gegentakt" bezeichnet. Hier ein entsprechendes Beispiel aus dem vorigen Link.

Es gibt mehrere Geräte, bei denen eine entsprechende Schaltung realisiert ist, z.B. im Gerufon 62W. In diesem Beitrag findet sich bereits eine gute Erklärung zur Wirkungsweise (wie auch schon im Thread zu "Quasi Gegentakt"), die hier um eine Graphik und um den Zusammenhang mit dem OV erweitert wurde.

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.