Lautsprecher Magnetspalt reinigen

ID: 222472
? Lautsprecher Magnetspalt reinigen 
18.Jun.10 12:35
72

Carsten Diesing (D)
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Carsten Diesing

Hallo liebe Radiofans,

Ich habe hier einen etwas hartnäckigen Patienten: einen uralten Philips Lautsprecher aus den 30ern. Er stammt wahrscheinlich aus großen Beschallungssäulen oder sowas, da er eine etwas krumme Impedanz von etwa 25 Ohm hat. Das Problem ist, daß die Polplatte des Magneten verrostet ist und wahrscheinlich auch die Oberfläche des Polkerns und allgemein das Innere des Magneten schon Rost angesetzt hat. Ich habe ihn bereits mehrfach gründlich mit Druckluft ausgeblasen und dann selbstklebende Papierstreifen durch den Magnetspalt gezogen, bis keine Krümel mehr haften blieben. Jedoch nach einer Weile kratzt die Spule wieder. Ich nehme an, daß wie bei den meisten Magneten unterhalb der Polplatte ein Raum ist, wo noch weitere Eisenspäne vorhanden sind die immer wieder nachrutschen (der Magnet ist also innen teilweise hohl).

Ich habe bereits mehrere Ideen gehabt, wie ich diesem Problem Herr werden kann:

- Epoxydharz mit Aceton etwas verflüssigen, in den Magnetspalt kippen, ein wenig schütteln, wieder herauslaufen lassen und dann den Bereich, der für die Schwingspule relevant ist (also die beiden Wände des Magnetspalts), mit Papier trocken reiben. Anschließend das an den Wänden der Kammer verbliebene Epoxydharz trocknen lassen. Dieses bindet die Eisenspäne und sie können nicht mehr in Richtung Magnetspalt gerüttelt werden. Vorgang evtl. wiederholen. Bei dieser Methode befürchte ich aber, daß unter dem Harz das Metall weiter rostet.

- Magnetspalt mit Salzsäure füllen. Ich habe auf Arbeit mit einer Chemikerin darüber gesprochen, sie meinte es wäre theoretisch machbar, da sich die Rostpartikel mit ihrer großen Oberfläche viel schneller aufgelöst haben, als das restliche Metall nennenswert angegriffen werden kann. Hinterher gründlich mit DI-Wasser ausspülen, Oberfläche passivieren (da gibts wohl auch ein Mittelchen, ich glaube sie erwähnte Schwefelsäure), wieder spülen.Eventuell mit WD40 einölen.

Da der Magnet nicht demontierbar ist, kommt außer der Klebestreifenmethode leider keine andere mechanische Methode in Frage. Was halten Sie von den beiden Ideen? Hat jemand noch eine weitere Idee? Da der Lautsprecher so nicht nutzbar ist, habe ich auch nicht viel zu verlieren. Es wäre jedoch schade ihn ohne alles zu versuchen wegzuwerfen.

Anbei noch ein paar Bilder des betreffenden Lautsprechers. Ich denke aber das Thema könnte von allgemeinem Interesse sein. Habe bisher fast alle meiner alten Pappen aus den 30ern und 40ern ausgiebig reinigen müssen, meist mit Demontage der Membran. Aber der Philips ist ein Härtefall....

Vielen Dank und viele Grüße

Carsten Diesing

Anlagen:

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 2
? Salzsäure 
18.Jun.10 17:53
72 von 7831

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Ich kann nur zur zweiten vorgeschlagenen Methode mit der Salzsäure einen Kommentar geben.

Derartig gebeizte Metalloberflächen neigen im nachhinein stark zum Rosten. Nur durch Neutralisation mit verdünnten Laugen (z.B. Soda) , mechanischer Reinigung und Versiegelung läßt sich das verhindern. Selbst als Chemiker arbeite ich daher ungern mit Säuren um Eisenoberflächen zu reinigen. Reinigung und Versiegelung dürften im engen Polspalt problematisch sein, daher rate ich von der Verwendung von Salzsäure ab.

Ansonsten kenne ich keine weiteren Methoden den Polspalt zu reinigen über die bereits von Ihnen angewendeten hinaus, daher lasse ich das Fragezeichen.

Rüdiger Walz

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 3
? Salzsäure 
18.Jun.10 19:17
105 von 7831

Carsten Diesing (D)
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Carsten Diesing

Hallo Herr Walz,

danke für Ihre Antwort. Die erwähnte Passivierung der Oberfläche mit Schwefelsäure (wenn ich mir das richtig gemerkt habe) soll ansich erreichen, daß die Metalloberfläche nicht weiter rostet. Können Sie eventuell dazu noch einen Tip abgeben?

Eine mechanische Reinigung ist leider nicht machbar, ohne den Magneten komplett zu demontieren. Ob dies überhaupt möglich ist ohne ihn zu zerstören, weiss ich nicht. Die Muttern, die auf der Rückseite zu sehen sind, halten den Magneten am Korb fest. Es handelt sich also um eine Messing-Gewindespindel mit Muttern an beiden Enden. Damit lässt sich der Magnet nicht auseinander nehmen! Ich hatte den Korb bereits abgeschraubt und soweit es geht den darunter liegenden Rost entfernt. Nach Entfernen des Korbs sind auch keine versteckten Schrauben hervorgetreten, mit denen man den Magnet hätte zerlegen können.

Viele Grüße

Carsten Diesing

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 4
? Passivierung 
18.Jun.10 20:21
132 von 7831

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Die Passivierung von Eisen erfolgt mit Phosphorsäure bzw. sauren Phosphaten oder in Rostschutzfarben mit Calcium-Magnesiumphosphaten und nicht mit Schwefelsäure. Auch hier gilt das Gleiche wie in meiner vorherigen Antwort. Theoretisch klingt das alles sehr gut, aber wir hatten mal einen Schlauberger an der Uni, der sein Auto mit Phosphorsäure entrostet hatte. Danach rostete es schneller als zuvor.

Die professionell in der Metallindustrie verwendeten Mittel enthalten Inhibitoren, die weitergehende Angriffe der Säuren auf das Metall verhindern und nur den Rost entfernen bzw. in Phosphate umwandeln sollen, aber diese lösen Ihre Eisenspäne im Spalt nicht auf.

Sind Sie sicher, dass das Kratzen durch Verunreinigungen entsteht und sich nicht die Schwingspule nach dem Einbau nachträglich verzieht ? Normalerweise sollte nach Anwendung der beschríebenen mechanischen Reinigungsmethoden Ruhe sein

Rüdiger Walz

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 5
? Passivierung 
18.Jun.10 20:34
139 von 7831

Carsten Diesing (D)
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Carsten Diesing

Hallo,

stimmt, Phosphorsäure war das Zauberwort (: ich bin chemisch nicht wirklich bewandert, deswegen habe ich das verwechselt...

Ja ich bin mir sicher. Der Magnetspalt ist bei diesem Modell sehr großzügig und man kann ja aufgrund der verschraubten Zentrierspinne die Zentrierung gut nachkorrigieren. Die Membran bewegt sich frei, aber ab und zu reisst sich ein Rostkörnchen los und das hat dann einen knirschenden Klang, wie Sand, nicht schabend, wie wenn die Schwingspule dezentriert ist.

Nach Ihren Ausführungen bin ich nun auch nicht mehr so von der Säure-Methode überzeugt. Haben Sie noch eine Meinung zu der Aussage, daß unter einer Lack- oder Epoxydharzschicht das Metall weiter rostet? Nicht, daß dann irgendwann ein Stück der dünnen Harzschicht heraus bricht. Denn wenn der vorhandene Dreck und Rost einfach nur mechanisch gebunden würde, wäre mir das auch recht. Da wie erwähnt der Magnetspalt relativ großzügig ist, mache ich mir auch keine Sorgen, daß es dann zu eng wird für die Schwingspule, zumal ich im Bereich der Schwingspule ja mit einem Papier die Epoxydharzschicht wegwischen wollte...

Viele Grüße

Carsten Diesing

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 6
? Schutz durch Epoxidlack 
19.Jun.10 00:38
179 von 7831

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Normalerweise sollte das Eisen unter der Epoxidharzbeschichtung nicht weiterrosten, sofern es nicht Feuchtigkeit intensiv ausgesetzt ist.Wenn Sie Ihr Gerät also nicht draußen oder in einer unbeheizten Garage aufbewahren, sollte es funktionieren. Zumindest in meiner Sammlung haben Chassis mit Rostanflug nach Lackierung nicht mehr gerostet, auch wenn man den Rost nicht restlos mit Säure oder Rostumwandler entfernt. In geschlossenen Räumen reicht das.

Es darf aber wirklich kein Span auf Höhe der Schwingspule zurückbleiben, er würde sonst mit dem Harz auf ewig im Spalt fixiert werden.

Rüdiger Walz

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 7
Danke 
19.Jun.10 09:33
225 von 7831

Carsten Diesing (D)
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Carsten Diesing

Hallo,

okay vielen Dank für Ihre Antworten! Ich werde dann mal die Epoxydharzmethode versuchen. Kann noch etwas dauern, da ich in nächster Zeit nicht viel Zeit habe, aber sobald ich den Lautsprecher entweder gebaut oder versaut habe, gibt's Bilder und einen Bericht (:

Viele Grüße
Carsten Diesing

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 8
Professionelle Mittel für die Rostentfernung 
22.Jun.10 18:23
395 von 7831

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Hier noch ein Hinweis von Klaus Werner, der hier mit einer Veröffentlichung einverstanden ist:

Ein gutes Mittel für die Beseitigung von Rost ist FERTAN. Wird von mir seit Jahren genutzt.

FERTAN ist recht flüssig, von brauner Farbe und auf Gerbsäure-Basis und wandelt Rost in ein abwaschbares, schwarzes Pulver um bzw. färbt die Oberfläche schwarz, wie eine Brünierung. FERTAN passiviert die Oberfläche von Stahl und Eisen und hat daher eine begrenzte
Rostschutz-Wirkung, die aber für in Innenräumen genutzte Geräte ausreicht.
Im Außenbereich oder wenn eine Lackierung erfolgen soll, muss anschließend erst ein Rost-Primer aufgetragen werden.
 
FERTAN wird auf die Roststelle mit dem Pinsel aufgetragen. Da es kriechfähig ist, eignet es sich auch gut für Spalt-Entrostung bzw. für Hohlräume.FERTAN trocknet an und reagiert unter Einwirkung von Luftfeuchtigkeit mit dem Rost. Der Vorgang kann durch Einsprühen mit Wasser beschleunigt werden. Je nach Bedarf sollte die Entrostung mehrfach wiederholt werden, mit Ab- bzw. Auswaschen des jeweiligen Werkstücks zwischen den einzelnen Arbeitsgängen. Anschließend weiterbehandeln nach Bedarf, z.B. mit feiner Drahtbürste abbürsten für glatte Oberflächen.  
 
An stark feuchtigkeits- oder rost-belasteten Teilen (Auto, Motorrad, Rasenmäher-Messer, Waschmaschinen-Gehäuse innen, Spülmaschinen-Teilen) kann die Wirkung durch den zusätzlichen Einsatz von Nigrin Rostumwandler (enthält 30% Phosphorsäure) verstärkt werden: FERTAN – einwirken lassen – Nigrin Rostumwandler – einwirken lassen – alles abwaschen – noch mal FERTAN und fertig. Die Einwirkzeit sollte jeweils mindestens einen Tag betragen, länger ist besser.
 
Für die Langzeit-Konservierung nach Abschluss der Entrostung verwende ich Löwe-Rostprimer. Bei mir seit 1970 erfolgreich in Verwendung und auch von mir in Freiland-Bewitterungsversuch getestet, in Konkurrenz zu Lack auf Stahl, UBS auf Stahl, andere Rostschutz-Primer.
Die einzelnen Arbeitschritte, nämlich das Einpinseln, Einsprühen mit Wasser oder Abwaschen dauern nur wenige Minuten. FERTAN ist auch sehr gut für kleine, feinmechanische Teile, Radio- oder Lautsprecher-Chassis geeignet, da es sich mit feinem Pinsel auch ganz gezielt punktuell einsetzen lässt. Auch für verchromte oder vernickelte, aber punktuell angerostete Teile geeignet, da es nur mit Rost reagiert. Ebenfalls sehr geeignet für Trafos und E-Maschinen. Die Blech-Pakete quellen nicht auf.
 
Bei der in der Anfrage von Herrn Diesing genannten Problematik würde ich FERTAN mit ca. 10 – 20% Wasser verdünnt in den Magneten einfüllen, Überschuss auskippen, mehrere Tage einwirken lassen, heiß auswaschen, Luftspalt mit festem Papier oder Messingblech reinigen, und diese Kur mehrfach wiederholen. Jeder Arbeitsschritt erfordert nur weinige Minuten, aber es braucht halt Geduld, bis die Sache abgeschlossen ist.
Danach sollte der Rost entfernt und die Oberflächen in Magneten und Luftspalt passiviert sein.
 
Von Epoxidharz würde ich abraten. Gefahr der Verklebung des Luftspalts, Weiterrosten und Abblättern.
 
FERTAN gibt es bei ATU, Nigrin im Baumarkt. Löwe-Rostprimer (auch in Schwarz) im Maler-Fachhandel zu bestellen. Alles auch übers Web erhältlich.
 
Ich möchte darauf hinweisen, dass ich mit den o.g. Markenprodukten weder verwandt, verschwägert oder geschäftlich verbunden bin, ich habe halt langjährige Erfahrung damit, insbesondere mit der Kombination der drei genannten Mittel.
Speziell FERTAN habe ich bei der Restaurierung von alten Radios (VE 301) und Photoapparaten, beim Motorrad (CX500C), Autos, Haushaltsgeräten, Gartengeräten, eisernen Gartenspalieren usw. benutzt. Gartenspaliere werden samt (grobem) Rost einfach überstrichen, den Rest besorgt die
Witterung und die Einwirkzeit. Schnell gemacht, sieht gut aus, schwarz-grau wie Gusseisen, und hält mehrere Jahre.
 
Misserfolge bei Entrostung und Rostschutz sind immer die Folge falscher Anwendung!
Also (verdünnte) Phosphorsäure am Auto im Prinzip nicht schlecht, aber danach ohne weitere Maßnahmen Unterbodenschutz oder Lack drüber kann nicht gut gehen. Nur Autowerkstätten toppen das: Rost einfach abbürsten und Unterbodenschutz drüber, oder auf blankes Blech spachteln …
 
Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie so freundlich wären, Herrn Diesing diese Informationen zukommen zu lassen. Könnte bei Interesse auch im RMOrg veröffentlicht werden.
 
Klaus Werner

 

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FERTAN 
22.Jun.10 19:37
419 von 7831

Carsten Diesing (D)
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Carsten Diesing

Hallo Herr Walz,

vielen Dank, daß Sie sich für mich weiter erkundigt haben und auch vielen Dank an Herrn Werner für die ausführliche Beschreibung. Sie klingt für mich sehr gut. Ich werde das, sobald ich Zeit habe, mal versuchen. Kann wie gesagt etwas dauern, aber ich werde berichten (:

Viele Grüße

Carsten Diesing

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