Werksfehler? 4713W; Bella-Luxus

ID: 385046
Dieser Artikel betrifft das Modell: Bella-Luxus 4713W (Loewe-(Opta); Deutschland)

Werksfehler? 4713W; Bella-Luxus 
22.Sep.15 15:21
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Heinz LUCAS (D)
Redakteur
Beiträge: 425
Anzahl Danke: 3

Dieser Loewe-Opta Bella wurde vor langer Zeit ins Altgerätelager gegeben. Am Radio war auf einem Notizzettel vermerkt „läßt sich nicht leise stellen“.

Im Rahmen der Aufarbeitung habe ich alle Teerkondensatoren getauscht, Röhrensockel gereinigt und weitere Arbeiten vorgenommen. Meine Hoffnung war, das der Lautstärkefehler damit behoben wäre. Leider ergab ein Test, dass der Fehler immer noch vorlag.

Mir fiel auch auf, dass die Wiedergabe auf UKW (AM wurde vorerst nicht getestet) etwas verzerrt war. Durch den Einbau neuer, passiver Bauteile hatte ich die Vermutung, dass ein Abgleich Verbesserungen bringen könnte, leider war dem nicht so.

Mein nächster Schritt war eine optische und elektrische Kontrolle der Komponenten. Dabei fiel mir auf, dass am R34 eine der Anschlußkappen lose und eventuell Verursacher des Fehlers war. Leider brachte ein Austausch keine Verbesserung. Die optische Suche ging weiter.

Beim Prüfen des R37 wurde ich nachdenklich, der eine Anschluß geht an C68 und C69, wo er richtig aufgelegt ist. Doch der andere Anschluß führt nicht, wie im Plan eingezeichnet, an Masse, sondern auf  die Verbindungsleitungen zu R26, C56, C59(der übrigens nicht als Elko, sondern falsch als C eingezeichnet ist), R24 und zum g3 der EF89. Nachdem ich R37 richtig auf Masse aufgelegt hatte, ließ sich die Lautstärke zuregeln.

Nun ergibt sich die Frage, war das schon immer so? Hat die technische Abnahme bei Loewe-Opta diesen Fehler übersehen/überhört? Ist in der Kette Abnahme, Verkauf und Kunde niemanden aufgefallen, dass das Radio nicht leise zu stellen ist? Oder war das der Grund, weshalb das Radio bereits im Jahre 1968 ausgemustert wurde?

Das Foto zeigt den falsch aufgelegten Widerstand. Die Masse ist eine Lötfahne höher zu sehen.

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Höchstwahrscheinlich Fehler ab Werk 
29.Sep.15 23:31
319 from 1850

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730
Anzahl Danke: 5

Nachdem hierzu so lange keine Antwort geschrieben worden ist, wage ich es mal.

Klar, wir wollen hier im RMorg möglichst auf Vermutungen verzichten und möglichst belegbare Fakten oder plausible Argumentationen posten. Aber wie ich es auch drehe und wende, es spricht alles dafür, dass es sich tatsächlich um einen Fehler ab Werk handelt. Die Gründe:

  1. Der für einen Serienzustand unhaltbare Fehler (Restlautstärke und Verzerrungen) verschwindet, sobald die Schaltung nach Plan (wieder)hergestellt ist.
  2. Die beiden Lötstützpunkte liegen nebeneinander, so dass eine Verwechslung schon mal vorkommen kann.
  3. Ich kann keinen Grund erkennen, warum man absichtlich den Fußpunkt eines Gegenkopplungsnetzwerks ausgerechnet an den heißen Punkt des Ratio-Elkos legen sollte. Die DC-Balance jedenfalls würde dadurch nicht beeinflusst, denn im GK-Zweig liegen Kondensatoren (C68, C69); es gibt also keinen DC-durchlässigen Zweig. Zwar wird ein Teil der GK-Spannung wechselspannungsmäßig an den Ratio-Elko angelegt, aber auch das dürfte sich nicht auswirken. (Die rechnerische Grenzfrequenz dieses Zweigs ist wegen der vielen Elemente nicht ganz einfach zu berechnen, dürfte aber irgendwo im kHz-Bereich liegen, also bei einer Freqenz, bei der der Ratio-Elko schon als Kurzschluss betrachtet werden kann.)

Interessant ist aber vielleicht Folgendes: Wenn das unter Punkt 3. Geschriebene korrekt ist, dann müsste man daraus folgern, dass sich die Verschaltung überhaupt nicht auswirkt. Herr Lucas schreibt aber, dass sich Restlautstärke und Verzerrungen ergeben. Dazu hätte ich nur eine Idee: Der Ratio-Elko könnte gealtert sein (erhöhter Innenwiderstand, gesunkene Kapazität), so dass die GK eben doch Einfluss nimmt, und zwar auf den Ratio-Detektor. Das würde neben Restlautstärke und Verzerrungen auch erklären, warum der Schaltungsfehler des Gerätes beim Verlassen des Werkes gar nicht aufgefallen ist: Er war schlicht und einfach (noch) nicht zu hören. Das wird sich erst allmählich mit der Alterung des Ratio-Elkos geändert haben.

Möglicherweise käme etwas Licht ins Dunkle, wenn Herr Lucas mal den Ratio-Elko genau untersuchen bzw. vorsorglich durch ein frisches Exemplar ersetzen könnte.

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Grund 4 
30.Sep.15 09:22
359 from 1850

Andreas Steinmetz (D)
Redakteur
Beiträge: 730
Anzahl Danke: 4

Nach obigem Post kam mir der Gedanke, dass es doch viel einfacher sein könnte, wenn man die Schaltung nicht von hinten über die GK betrachtet, sondern von vorne:

4. Es wird immer davon ausgegangen, dass am Ratio-Elko nur eine Gleichspannung anliegt. Aber ist das wirklich so? Leider habe ich das nie untersucht, aber vielleicht hilft folgende Überlegung weiter: Die Gleichspannung liegt abhängig von der Feldstärke durchaus im zweistelligen Volt-Bereich und wird gewonnen durch niederohmige Gleichrichtung der ZF-Spannung. Es ist durchaus realistisch, dass die aus dieser Gleichrichtung resultierende Ripplespannung am Ratio-Elko im Bereich einiger mV liegt und neben der NF auch einen nennenswerten Klirranteil aufweist. Bei der beobachteten Verschaltung ab Werk gelangt nun diese Störspannung über R37, C68 (und C69, R35) und R35 an den Fußpunktwiderstand R33 des Lautstärke-Potis. Gerade bei niedriger Lautstärke-Einstellung gelangt das Signal von dort ungehindert an das empfindliche Steuergitter der EABC80. Kein Wunder also, dass es zu den beobacheten Störgeräuschen kommt, besonders dann, wenn der Ratio-Elko nicht mehr ganz taufrisch ist.

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Es dürfte ein Fertigungsfehler sein. 
30.Sep.15 13:29
408 from 1850

Heinz LUCAS (D)
Redakteur
Beiträge: 425
Anzahl Danke: 3

Danke für die ausführliche Schaltungserklärung Herr Steinmetz.

Wie ich bereits schrieb, war am Radio ein Hinweis, dass es sich nicht leise stellen läßt. Beim Einschalten war dieser Fehler auch zu hören. Außerdem war die Wiedergabe auf UKW sehr verzerrt. Meine Vermutung war, dass die Ursache in einem oder mehreren defekten Bauteilen zu finden wäre.

Bevor ich ein Radio aufarbeite dokumentiere mit Fotos ich den Originalzustand. Anhand dessen kann die Schaltung nach dem Austausch von Bauteilen auf richtiges Auflegen der Drähte geprüft werden.

Nach dem Austausch aller Kondensatoren, Messungen der Spannungen und Prüfen der Röhren war der ursprüngliche Fehler immer noch vorhanden. Besonders die Verzerrungen, mehr hörbar bei Musik, weniger bei Sprache, auf UKW waren störend. Da nicht auszuschließen war, dass seinerzeit an den Kernen der Bandfilter gedreht wurde, habe ich einen Abgleich vorgenommen. Enttäuschender Weise brachte das keinen Erfolg. Bis ich dann auf den falsch montierten Widerstand kam, der die Ursache für den Fehler war.

Es kam mir dann noch ein Zufall zuhilfe, ein Freund bat mich, seinen kürzlich geerbten Bella mal nachzusehen, - er ließe sich nicht leise stellen. Der Fehler kam mir doch bekannt vor?

Nun kommt das Interessante, im Bella meines Freundes wurde der R37 ebenfalls an den Verbindungsleitungen zu R26, C56, C59, R24 und zur EF89 gelegt. Nach dem Umlöten des R37 nach Masse spielt das Radio meines Freundes wieder, vorsorglich habe ich noch einen kompletten Kondensatortausch vorgenommen und die üblichen Arbeiten vorgenommen.

Zu Ihrem Grund 4 Herr Steinmetz, eine Alterung des Ratio-Elkos kann ich nicht ausschließen, aber dass dieser Elko nur ca. sieben Jahre funktioniert, scheint mir unwahrscheinlich. Also doch kein Einzelfall in der Fertigung? Es wäre interessant zu wissen, ob andere Sammler dieses Bella gleiche Erfahrungen gemacht haben.

Es grüßt

Heinz Lucas

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