MP Kondensatoren: Erfahrungen zum Siemens E311b

ID: 39159
MP Kondensatoren: Erfahrungen zum Siemens E311b  
02.Jan.05 19:16
18851

Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz


Einleitung:

Das Gerät wurde zwischen 1959 und Anfang 70er Jahren (keine genauen Angaben gefunden) in den Versionen a-e gebaut. Zusätzlich gab es noch Spezialversionen e1-e4 (siehe auch www.dr-boesch.ch/radio/siemens-e311.htm und www.boatanchors.de).

Sicher ist, daß er 1959 konstruiert wurde.

Zur allgemeinen Funktion möchte ich aus Bergmann, Rockschies, Spanknebel, Eine kurze Geschichte der Funknachrichtenempfänger in Funktionsplänen 1929 – 1983, Schriftenreihe zur Funkgeschichte Band 10, Verlag Dr. Rüdiger Walz, Idstein 2002 zitieren (siehe auch hierzu das Blockschaltbild unter dem Gerät):

"Siemens E311a 1959

Ein konventioneller Dreifach-Superhet mit aufwendiger Vorselektion und extrem niedriger ZF3, dessen Frequenzaufbereitung damals eine Treffsicherheit von 100 Hz nachgerühmt wurde [99]; für SSB-Empfang war ein Produktdetektor und eine Seitenbandumschaltung durch Quarze vorgesehen [100] [101]. Die hohe Treffsicherheit wurde durch "Rastung" des ersten Oszillators mit Hilfe des Spektrums eines thermostatisierten 100-kHz-Quarzoszillators in Verbindung mit einem ebenfalls thermostatisierten zweiten Oszillator mit nur 100 kHz Variationsbreite erreicht. Der erste Oszillator hat eine Skala mit 100-kHz-Teilstrichen (Frequenz grob), der zweite ein zwei-ziffriges Zählwerk für die kHz-Stellen in Verbindung mit einer Strichskala für die 100-Hz-Stellen (Frequenz fein).

Zur Rastung des ersten Oszillators wird sein Signal mit dem Oberschwingungsspektrum des 100-kHz-Quarzoszillators gemischt und hieraus ein Stellsignal für eine elektrisch veränderbare Induktivität hergeleitet, die stets zur Schwingkreisspule des ersten Oszillators parallelgeschaltet wird und damals "Magnetvariometer" MV genannt wurde. Das Stellsignal verändert mit Hilfe des Magnetvariometers die Oszillatorfrequenz so lange in Richtung zur nächstliegenden Quarzharmonischen, bis der Frequenzunterschied verschwunden ist. Im Falle eines "Ausrastens" wird eine "Fangschaltung" aktiv, die den Synchronisierzustand wieder herzustellen versucht. Störungssituationen fallen durch eine dann blinkende "Rastlampe" auf.

Die Vorselektion wird im Gleichlauf mit der Einstellung "Frequenz grob" abgestimmt, der Benutzer braucht sich also nicht um einen "Preselector" zu kümmern. Die Rasteinrichtung kann ausgeschaltet werden, wenn man mit "Frequenz grob" einen größeren Bereich absuchen möchte."

Eigene Erfahrungen

Von Funkamateuren wurde ich schon gewarnt, daß die Versionen a bis c dieses Gerätes fehlerbehaftet seien. Die besten Versionen seien d und e. Trotzdem erwarb ich einen E311b, da ich das Gerät mehr aus Sammlergesichtspunkten beurteile, als aus Nutzungssicht.

An dem Gerät ist auf jeden Fall die Rastschaltung interessant, die dem Gerät immerhin eine Wiederholgenauigkeit von +/- 100 Hz geben soll. Die Realisierung einer derartigen Genauigkeit bei nur 25 kg Gewicht ist im Vergleich z.B. zu einem Rohde & Schwarz mit 67 kg Gewicht schon beachtenswert.

Bei meinem Gerät war die Rastschaltung defekt. Die Rastlampe leuchtete permanent. Ich will jetzt hier nicht beschreiben, welche Irrwege ich gehen mußte, um letztendlich den Fehler zu finden, sondern will einfach den Effekt beschreiben.

Laut Handbuch sollen die 100 kHz –Schwingungen des quarzgesteuerten Oszillators Röhre 12/I in den folgenden Verstärkerstufen 12/II und 13/I so aufbereitet werden, das ein nadelförmiges Signal in die Kathode der Röhre 13/II eingekoppelt wird. Diese Nadelimpulse waren auch an der Anode 13/I zu messen. In Röhre 13/II werden diese Nadeln mit dem Überlagerer-Oszillatorsignal (im Schaltbild Raster Oszillator genannt) gemischt. Am Ausgang der Röhre 14/I soll laut Handbuch ein fast reines 100 kHz Signal entstehen, dessen Größe von der Abweichung des Überlagerers von den 100 kHz Harmonischen abhängt. Dieses Signal steuert Röhre 11/II an, in deren Anode die Spule des Magnetvariometers liegt. Dieses Magnetvariometer beeinflußt die Schwingung des Rasteroszillators. Dies geschieht solange, bis der Rasteroszillator ein Vielfaches von 100 kHz erreicht. Um den Suchbereich der Rasterschaltung zu vergrößern ist eine Wobbelschaltung mit Hilfe eines Relais eingebaut, auf deren Funktion ich hier im Detail nicht eingehen möchte.

(Die zum Text gehörenden Schaltbilder finden Sie unter dem Gerät, sie lassen sich nicht sinnvoll auf <40 kb komprimieren)

Beim Durchmessen der Verstärker in diesem Bereich fiel nichts ungewöhnliches auf, bis auf eine zu geringe Gittervorspannung an Röhre 13/I. Diese Gittervorspannung wird aber scheinbar allein von einem 1 M Ohm Widerstand R3 an Masse erzeugt. Des weiteren lag am Ausgang des Rasterverstärkers 14/I ein Sinussignal, das mit Nadelimpulsen überlagert war. Dieses Signal war offensichtlich nicht in der Lage, die Röhre 11/II mit dem Magnetvariometer anzusteuern.

Bei der Überprüfung einiger Gitterkoppelkondensatoren ergab sich eine seltsame Beobachtung. Zuerst einmal hatte keiner der Kondensatoren Leckströme. Dies war auch bei diesen Kunststoffkondensatoren Typ MP und MKL von Siemens erfahrungsgemäß nicht zu erwarten. Jedoch hatten die Kondensatoren stark abweichende Kapazitätswerte. Die Kapazität konnte von nicht messbar bis zum Doppelten des angegebenen Wertes liegen ! Da die Arbeitspunkte der Rasterverstärker kritisch für die Funktion sind, überprüfte ich alle Kondensatoren in diesem Bereich und mußte feststellen, daß sie alle gravierende Abweichungen (auf mehreren Messgeräten gemessen) zeigten. Nun fand ich auch den Fehler: Es war Kondensator C7 0,1 µF in der Kathodenleitung der Röhre 12/II, also dem 100 kHz Oszillator. Dieser Kondensator zeigt eine Kapazität von 10 pF statt 0,1 µF.



Bild MP und MKL Kondensatoren von Siemens

Ersatz brachte augenblicklich Verbesserung. Am Gitter der Röhre 13/I entstand die geforderte Gittervorspannung. Das Signal bekam nach der ersten Stufe eine runde symetrische Form und war an der Kathode des Mischers 13/II jetzt nicht mehr nadelförmig, sondern ein Sägezahn ! Am Ausgang des Rasterverstärkers 14/I war jetzt auch ein sinusförmiges 100 kHz Signal variabler Intensität zu messen, das die Röhre 11/II ansteuerte.

Erstaunlich waren für mich die starken Schwankungen der ansonsten so zuverlässigen MP Kondensatoren, die ich in der Form bisher nicht beobachte habe. Die Stufen waren gleichstrommäßig fast im Sollbereich, aber Hf-mäßig vollkommen daneben. Später fand ich in den anderen Baugruppen Spuren meiner Vorgänger, die diese Kondensatoren, die alle ausnahmslos aus 1964 stammen, ausgetauscht hatten. Die Kunststoffe in dem Gerät scheinen alle kritisch zu sein. So zeigte eine Filtergruppe im Hf-Verstärker einen Kurzschluß zum Chassis. Erst eine langwierige Widerstandsanalyse und der Ausbau des Filters zeigte den Grund (siehe Bild). Zwischen Zuleitung und Masse hatte sich ein Lichtbogen gebildet. Die Spannung an dieser Stelle beträgt 180 V und das Material (Polystyrol) scheint mir an sich ausreichend dick an dieser Stelle.

      



Bild Filtereinheit mit Lichtbogenschaden

Die Stelle wurde angefräst und mit Epoxidharz verschlossen. Zur Sicherheit wurde das Chassis unter dem Filter mit Zaponlack zusätzlich isoliert.

Das Gerät funktioniert nun, soweit ich es beurteilen kann einwandfrei. Die ausgebauten Kondensatoren füge ich natürlich in einem Tütchen bei, falls mal jemand den Originalzustand wiederherstellen möchte. Alle Reparaturen wurden reversibel durchgeführt.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.