Praktiker des 19. Jahrhunderts Teil 1 |
Ernst Erb ![]()
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CH Articles: 5692 Schem.: 13756 Pict.: 31072 17.Apr.03 13:49 Count of Thanks: 139 |
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Die Erkenntnisse der letzten Jahrhunderte brachten uns die Grundlagen, mit Hilfe derer im 19. Jahrhundert ein voll funktionsfähiges Telegrafen- und Telefonsystem entstand. Diese beiden drahtgebundenen Übermittlungssysteme bilden die direkten Vorgänger des Rundfunks, obwohl man mit den darauf folgenden Erfindungen zunächst nur die lästigen Drähte für die Telegrafen einsparen wollte. Hier einige Eckpfeiler aus «Radios von gestern» [1-20ff]: In der deutschsprachigen Literatur liest sich das oft ganz anders. Ich muss mich wiederholen: Am meisten erstaunt hat mich das Buch [149] «Tagebuch der Nachrichtentechnik» (1980) von Sigfrid von Weiher, das sich ausschliesslich der Kulturgeschichte der Technik widmet. Der Autor hat mit diesem Thema doktoriert, ist Leiter eines Archivs und Lehrbeauftragter für das gleiche Thema. In seiner «Nabelschau» figurieren unter den ca. 500 Erfindernamen weder Dr. John Ambrose Fleming (Röhrendiode etc.), Edwin Howard Armstrong (Rückkopplung, Supersonic-Superheterodyne-Schaltung, Super-Regenerativ-Schaltung, Frequenzmodulation), noch Josef Henry, nach dem wir immerhin die Einheit der Induktion benennen. Henry hat 1840-42 u.a den oszillatorischen Charakter der Entladungen von Kondensatoren gefunden, den Thomson (Lord Kelvin) 1853 und Feddersen 1858 (rotierender Hohlspiegel) bestätigen. Auch Hermann Ludwig Ferdinand Helmholtz (Potsdam 1821-1894 Berlin) befasst sich mit den Schwingungen von Henry. Mit Henry beginnt die Geschichte der elektrischen Schwingungen. Das sind nur drei von vielen unerwähnten aber wichtigen «ausländischen Erfindern» - dafür überwiegt die Aufzählung von Lokalmatadoren. Die Daten hier sind international recherchiert. Dennoch wäre es interessant, mehr über mögliche Vorgänger zu wissen oder mehr über einzelne Erfindungen oder Entwicklungen. Können Sie etwas dazu beitragen oder korrigieren? This article was edited 17.Apr.03 16:09 by Ernst Erb . |
Ernst Erb ![]()
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CH Articles: 5692 Schem.: 13756 Pict.: 31072 02.Mar.07 21:39 Count of Thanks: 148 |
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Auszug aus dem Buch „Radios von gestern“ von 1989 (Aus Seiten 20 bis 36).
Nur wer sich intensiv mit internationaler Literatur befasst, kann erkennen, dass es mit den „Nationalhelden“ manchmal nicht so verhält, wie der einfache Bürger glaubt. So räumte ich lange vor der Internet-Zeit mit gewissen falschen Vorstellungen auf, doch fühle ich mich meist auf „verlorenem Posten“, wenn ich wieder und wieder die falschen Repetitionen erblicke. 1850 Funkeninduktor
Heinrich Daniel Rühmkorff verbessert in Paris den Funkeninduktor ganz wesentlich, sodass sehr hohe Spannungen zu erreichen sind. Der Funkeninduktor bildet um die Jahrhundertwende ein Hauptelement für die drahtlose Telegrafie. Die Induktionsspule, ein Teil des Funkeninduktors, ist wesentlich länger bekannt. Wahrscheinlich sind es neben Henry, 1840, Bréguet und Masson, die 1841 erste Induktionsspulen bauen.
Der Induktionsapparat besteht aus einer primären, dickdrahtigen Spule von geringer Windungszahl. Im Hohlraum der Spule befindet sich ein Bündel von Eisendrähten. Die Sekundärspule mit vielen Windungen eines gut isolierten, dünnen Drahtes, ist bei besseren Modellen in zusätzlich isolierten Kammern um die Primärspule angeordnet. Das An- und Abschalten des Primärstromes ruft Induktionsströme hervor. Die beiden Pole eines Blätterkondensators überbrücken die Unterbrechungsstelle der Primärleitung.
Bei kleineren Funkeninduktoren erreicht der Wagnersche Hammer rasches Unterbrechen und Schliessen des Primärstromes. Für grössere Induktoren dient der Motor- oder elektrolytische Unterbrecher.
Beim Motorunterbrecher taucht ein Exzenter einen Metallstift mit Platinspitze in rascher Folge in ein Gefäss mit Quecksilber. Beim elektrolytischen Unterbrecher fliesst der Primärstrom unter Benutzung einer kurzen Platinspitze als Anode und einer Bleiplatte als Kathode durch verdünnte Schwefelsäure. Der Draht mit der Platinspitze ist isoliert und lediglich die Spitze entblösst, um einen ganz kleinen Querschnitt für den Strom zu erreichen. Der Elektrolyt erhitzt sich dort so stark, dass an der Spitze eine kleine Gaswolke entsteht. Das Gas unterbricht den Strom, worauf der Elektrolyt wieder in flüssigen Zustand übergeht. Die Folge beginnt von neuem - bis zu 2000 mal pro Sekunde. Der primäre Kondensator wird dadurch entbehrlich.
Das erste europäische dauerhafte Unterwasserkabel entsteht. Mit Genehmigung durch Louis Napoleon kommt die „Gesellschaft für unterseeische Telegraphie“ zustande, die das Kabel erstellt. Es verbindet England und Frankreich und führt von Dover nach Calais. Die am 13.11.1851 eröffnete Verbindung leistet ihre Dienste 24 Jahre lang, wohingegen ein im Jahr zuvor durch den Engländer Jakob Brett verlegtes, nicht armiertes Kabel nur kurzen Erfolg brachte: Nach einigen Monaten zog ein Fischer das Kabel herauf und zerschnitt es, weil er es für eine Schlange hielt! 1857 legt die britische Firma „Newall & Co.“ dank der Mithilfe von Werner von Siemens das erste Tiefseekabel von der Stadt Bona in Algerien nach Sardinien. 1853
Sir William Thomson, ab 1866 Lord Kelvin, (Belfast, Nordirland 1824-1907 Ayrshire) weist theoretisch die Notwendigkeit des Auftretens elektromagnetischer Schwingungen nach (siehe Henry und Feddersen) und leitet daraus die mathematische Formel ab. Für die Fähigkeit des Kondensators, elektrische Ladung aufzunehmen, führt er zudem den Begriff Kapazität ein. Wegen seiner weiteren grossen Verdienste - z.B. hat er 1848 den absoluten Nullpunkt festgelegt - erhält Thomson den Titel Sir und wird 1866 Lord Kelvin of Largs. Nach ihm benennen wir heute das Mass der Temperatur ab absolutem Nullpunkt mit Grad Kelvin. 1855 elektrische Bildübermittlung Giovanni Caselli (1815-1891), italienischer Physiker, entwickelt einen Apparat zur Übermittlung von ganzen Bildern auf telegrafischem Weg. Der "Pantelegraph" besteht aus synchron arbeitenden Gebern und Empfängern, die einen Stift (Pendel) hin- und herbewegen. Der Geber lässt eine Bildvorlage langsam vorrücken, während der Empfänger präpariertes Papier bewegt. Das Pendel beschreibt auf beiden Stationen enge Linien. Die Bildvorlage zeichnet man vor der Übertragung mit einer nichtleitenden Tinte auf eine leitende Metallplatte. Beim Empfänger ist das Papier mit einem Gemisch von Jodkalium und Stärkekleister getränkt. Das Jodkalium zersetzt sich durch Einwirkung eines Gleichstromes und verbindet sich zu blauer Jodstärke. Nach mehrjährigen Versuchen, die 1861 zwischen Paris und Amiens Erfolg zeigen, kommt das System auf mehreren französischen, später auch russischen Telegrafenlinien zum Einsatz. Wegen unrentablen Betriebs erfolgt die Abschaffung bereits ab 1868. Mehr über die Übertragung von stehenden Bildern: Siehe 1878. Berend Wilhelm Feddersen (Schleswig 1832-1918 Leipzig), Physiker, weist die von Henry postulierten Entladungsschwingungen bei Kondensatoren mit Hilfe eines rotierenden Hohlspiegels nach. 1862 kann er den Vorgang fotografisch dokumentieren. 1859 Blei-Akkumulator Gastón Planté entwickelt den Blei-Akkumulator. Es handelt sich um ein sogenanntes Sekundärelement, das nicht mit dem 1799 Volta zugeschriebenen Primärelement, der "Batterie", zu verwechseln ist. Den Blei-Akkumulator verbessern 1880 Faure, 1882 Faure, Sellon und Volckmar und 1889 Tommasi wesentlich.
Johann Philipp Reis, Lehrer, (Gelnhausen 1834-1874 Friedrichsdorf, Taunus) verbessert das „Telephon" von Page (1837 in Salem, Mass.) und des Franzosen Bourseul (1854). Seine Versuchsanordnung besteht aus einem Holzwürfel mit konischer Bohrung als Geber, einer Geige mit Stricknadel als Empfänger (andere Quellen nennen ein tierisches Trommelfell als Membrane) und einem Bunsenelement als Stromquelle. Jedenfalls lässt er durch Vibration eine Stromleitung unterbrechen und schliessen. Die Übertragung von gesprochenen Worten gelingt nicht, dagegen gelangen musikalische Töne einigermassen gut zur Wiedergabe. Reis verwendet das Wort "telephonieren" 1863 ausgerechnet in der "Gartenlaube" unter dem Titel "Der Musiktelegraph". 1670 erfindet S. Morland das "Sprachrohr". Der Begriff "Telephon“ für die "Sprachröhre" erscheint 1802 in Chladnis "Akustik". 1821 konstruiert Wheatstone ein mechanisch-musikalisches Instrument, das er "Telephon" nennt. 1837 bemerkt C.G. Page aus Baltimore, dass Elektromagneten unter Umständen tönen können und nennt den Effekt "galvanische Musik". 1852 veröffentlicht H.W. Dove eine Methode, gespannte Seiten durch Elektromagnete in tönende Schwingungen zu versetzen. 1854 beschreibt Ch. Bourseul das Prinzip einer elektromagnetischen Tonübertragung und unternimmt entsprechende Versuche, die Reis aufgreift. Auch der Arzt Theodor Clemens (Frankfurt 1824- ?) unternimmt vor 1861 Versuche zur elektrischen Schallübertragung. Er schreit Spulen an, die diese Frequenzen über Leitungen auf andere Spulen übertragen; dort sind sie als "Äolsharfentöne" deutlich hörbar. Clemens gibt diese Versuchsergebnisse 1863 in einem allgemein gehaltenen Bericht in der Zeitschrift „Deutsche Klinik“ bekannt. Erst Graham Bell, USA, und Gray melden 1876 Patente an, Verfahren die das Telefon in die Praxis einführen können.
1865 Elektromagnetische Wellen
Maxwell schliesst sein Werk ab, in dem er u.a. die Existenz von elektromagnetischen Wellen begründet.
Im Sommer führt der Zahnarzt Mahlon Loomis mit seinen Mitarbeitern auf zwei Bergen in West Virginia, 18 Meilen voneinander entfernt, einen Versuch der drahtlosen Kommunikation durch: An beiden Orten lässt er Drachen aufsteigen. Diese enthalten ein grosses, feines Kupfergewebe, das durch dünne Kupferlitze mit einem Galvanometer verbunden ist. Einen Pol des Galvanometers verbindet er mit einer im Boden vergrabenen Drahtspule. Dr. Loomis öffnet und schliesst die Verbindung zum Galvanometer und das andere, ca. 29 km entfernte, schlägt entsprechend aus. Diese und weitere Versuche finden nahezu keine Anerkennung. Siehe auch unter 1872. Eine permanente Telegrafenverbindung zwischen Amerika und Europa kommt ab Kelvin in England via Neufundland mittels Unterwasserkabel zustande. Der Ingenieur William Thomson leitet die Aktion auf dem Schiff und erhält im gleichen Jahr (wegen seinen anderen Verdiensten) den Titel Lord Kelvin. 1857 schlug ein Versuch vollkommen fehl und 1858 funktionierte das Kabel nur vier Wochen. Ebenso hat sich Cyrus Field 1865 mit der „Great Eastern“, dem damals weltgrössten Schiff von 211 m Länge, geschlagen gegeben. Erst eine neue Gesellschaft kann mit dem gleichen Schiff ein dauerhaftes Kabel legen und übergibt es am 4.8.66 dem Verkehr. Darauf findet man das Kabel vom Vorjahr wieder und kann es ebenfalls in Betrieb nehmen. Das Beispiel wirkt, und bald werden überall Telegramme "gekabelt". Um das Jahr 1900 existieren 318 Unterwasserkabel mit einer Gesamtlänge von 335'000 Kilometern. Davon betreibt die grösste Gesellschaft, die „Eastern Telegraph Company“ 48'000 km, gefolgt von der „Anglo-American Telegraph Company“ und der "Eastern Extension Australia and China Telegraph Company“. Kurz vor dem Ersten Weltkrieg stellt sich die Verteilung der Unterwasserkabel - gemessen an ihrer Länge in Kilometern - unter den in dieser Beziehung führenden Ländern wie folgt dar: Grossbritannien 277'051, USA 97'803, Frankreich 50'446, Deutschland 43'523, Dänemark 18'161 etc. Wegen der Radioverbindungen verliert etwa ab diesem Zeitpunkt das Kabel seine Monopolstellung, behält allerdings auch im Zeitalter der Satelliten mit der optischen Technik eine dominante Stellung. Für weitere Informationen über Unterwasserkabel siehe die Jahre 1845 und 1851. Leclanché gelingt es, ein brauchbares Trockenelement (Trockenzelle, Batterie) zu entwickeln, das sich zum Teil noch heute in dieser Form im Verkauf befindet. Die "Batterie" von Leclanché heisst Braunstein-Element oder Kohle-Zink-Zelle. Zwischen der Kohle (Leitfolie oder Kohlestift), umgeben von einem Braunstein-Russ-Gemisch als Depolarisator - zusammen die Anode bildend - und Zink als Kathode befindet sich ein Elektrolyt aus Salmiak und Zinkchlorid. Dieser ist mit einer Paste aus Mehl (Stärke und Salzen) eingedickt. Später entwickelt man daraus das nicht auslaufende Element mit einem Elektrolyten aus reinem Zinkchlorid.
Erst Ende 1950 lassen sich diese Elemente mit der Alkalizelle (Alkali-Mangan-Zink) wesentlich verbessern. Danach entstehen Zellen (meist Knopfzellen) mit Quecksilberoxyd als Kathodenmaterial. Diese geben 1,35 V Spannung ab - wegen des Quecksilbergehalts sind sie nach Gebrauch zwecks "Recycling" zurückzugeben. Zellen aus Silberoxyd schaden weniger - produzieren jedoch 1,5 V. Statt Zink kommt auch Lithium als Anode zum Einsatz. Dieses Element weist eine Lebensdauer von 5 – mehr als 10 Jahre auf. Der Begriff Batterie bezeichnet eigentlich mehrere zusammengeschaltete Zellen.
1868
Gomzée verwendet Induktionsströme als Träger von Telegrafiezeichen. Er realisiert somit drahtlose Telegrafie. Mit dieser Methode lassen sich nur kurze Distanzen überbrücken. Dennoch gibt es später immer wieder Versuche von drahtloser Telegrafie mittels Induktionsströmen; lange, parallel gelegte Kabel kommen zum Einsatz, wie dies Wilkins 1849 vorgeschlagen hat.
1869
Johann Wilhelm Hittorf beschreibt die Ablenkung von Elektronen durch Magnete beim Durchgang durch Gase. Andere Quellen berichten fälschlicherweise von Kathodenstrahlen.
1872
Gemäss verschiedenen Quellen erhält der amerikanische Zahnarzt Mahlon Loomis am 30.7.1872 ein US-Patent auf sein bereits 1866 praktiziertes Verfahren drahtloser Telegrafie. Er soll 1868 vor einer grösseren Zahl von Wissenschaftlern in Virginia eine drahtlose Nachrichtenverbindung über 18 Meilen demonstriert haben. Siehe unter 1865. Zusatz: Das US-Patent von Loomis vom 30.7.1872 trägt die Patentnummer 129971.
1873
1874
Jean Maurice Emile Baudot (Magneaux 1845-1903 Sceaux bei Paris) entwickelt ein Telegrafensystem mit fünfstelligem Binärcode, das sich international durchsetzt (später Telex). 1875 wird das System in Frankreich eingeführt (Paris-Bordeaux), 1877 sehr günstig beurteilt und 1878 auf der Weltausstellung präsentiert. Die Einheit "1 Baud" bedeutet in der Fernschreibtechnik die Anzahl der Zeichenschritte pro Sekunde. Hittorf sagt die Glühemission voraus.
1875
Werner von Siemens baut die Selenzelle, indem er zwei parallel gewundene Platindrähte auf Isoliergrund zu einer flachen Spirale formt. Den Raum zwischen den Drähten füllt er mit Selen aus. Die Abdeckung besteht aus Glimmer. In einem Paraffinbad von 210 Grad C lässt er die Selenzelle drei Stunden lang sensibilisieren und bringt sie langsam wieder auf Zimmertemperatur. Bei starker Belichtung vermindern die Zellen ihren Widerstand auf 1/10 ihres Dunkelwiderstandes. Ernst Ruhmer (Berlin 1878-1913 Berlin) verbessert später die Selenzelle.
Elihu Thomson erzeugt in Philadelphia elektromagnetische Wellen und gründet 1882 die Thomson Houston Electric Co. Später wird diese durch Fusion mit Edisons Firma zu GE. Ab 1892 existiert übrigens die französische Thomson Houston.
1876 Brauchbares Telefon
Schon lange besteht der Wunsch, die menschliche Stimme über Distanz zu übertragen. Eine Zusammenfassung der bekanntesten erfolglosen Versuche findet sich im Text über das Jahr 1861.
Alexander Graham Bell (Edinburgh 1847-1922 bei Baddeck, Neuschottland, Kanada), Zahnarzt und Taubstummenlehrer, baut ein praktisch verwendbares Telefon. Die Patentanmeldung erfolgt am 14.2. in Boston, zwei Stunden bevor Elisha Gray (ca. 1835-1901 Newtonville, Mass.) in Chicago ein ähnliches Patent anmeldet und damit zu spät kommt! Immerhin überbrückt Gray mit seinem Apparat am 27.2.1877 eine Distanz von 140 km und Bell am 12.2.1877 erst 30 km. Um das Telefon entspannen sich Patentstreite, da auch nach Bell einige Erfindungen in dieser Sache zur Anmeldung kommen. Am 10.4.1876 lässt sich McDonough eine Einrichtung schützen, im Oktober folgt ein Gesuch von Dolbear und im Dezember von Edison. Edison reicht zum Thema Telefon insgesamt mehr als 30 Patente ein und leistet besonders mit seinem Kohle-Mikrofon einen wichtigen Beitrag an die Telefontechnik. In Boston kommt am 4.4.1877 die erste permanente Telefonlinie (nach System Bell) in Betrieb.
Am 15.1.1877 meldet Bell ein Telefon mit Metall-Membrane zum Patent an. Am 2.4.1877 überträgt man ein in Philadelphia veranstaltetes Konzert per Telefon und Telegrafenleitung nach New York. Doch erst nach der Verwendung der Mikrofone von Hughes und nachfolgenden Erfindern kann das Telefon seinen Siegeszug antreten. Ab 1879 errichtet man in Europa Telefonzentralen nach dem System Bell (London: Coleman Street 36, Leadenhall Street, Palace Chambers sowie Lombard Street und Queen Victoria Street durch die konkurrierende „Edison Telephone Company of London“. 1881 erfolgt in Mülhausen (Elsass) der Bau der ersten deutschen Zentrale. Am 1.12.1881 beginnt in Österreich der Betrieb einer Telefonzentrale in Wien mit einer Kapazität von 500 Anschlüssen und 154 Teilnehmern. Im gleichen Jahr gibt es Zentralen in Bern und Basel.
1882 eröffnet Strowger (USA) mit der Erfindung des Drehwählers für Telefonzentralen die Selbstanschlusstechnik. 1892 führt er den Heb-Drehwähler für Selbstanschluss-Ämter ein. 1908 kommt in Hildesheim das erste deutsche Telefon-Selbstanschlussamt in Betrieb.
1877
Edison reicht am 22.4.1877 das Patent für ein Kohlekontakt-Mikrofon ein. Eine praktisch verwendbare Anordnung meldet D.E. Hughes im folgenden Jahr zum Patent an. Siehe auch 1849 Wilkins. Edison erfährt, dass Emile Berliner zwei Wochen vorher ein "Caveat" eingereicht, und darum die Priorität (für einen Metallkontakt) erhalten hat. Es beginnt ein 14jähriger Patentstreit mit der Bell-Gesellschaft, an die Berliner seine Rechte verkauft hat. Einige Bücher schreiben die Erfindung des Mikrofons nur Edison und andere, z.B. Brockhaus, nur Hughes zu. In der Folge entwickelt man Dutzende verschiedener Mikrofone. Die ersten Mikrophone basieren auf Kohlekontakten in Form von Kohlestäbchen oder -körnern. Hughes verbessert das Mikrofon soweit, dass es in den Telefonsystemen zu verwenden ist und führt durch das Einschalten einer galvanischen Batterie Energie von aussen zu. Jetzt kann das Telefon seinen Aufschwung nehmen.
Das erste Mikrofon von Hughes besteht in seiner ursprünglichen Form aus zwei Kohleklötzen und einem Kohlestab. Durch diese fliesst der Strom aus den beiden Elementen. Befestigt sind die Kohleteile an einer Resonanzwand. Erreichen Schallwellen die Resonanzwand, wird das Kohlestäbchen im Takt gepresst, wobei sich der Widerstand stetig ändert. Diese Schwingungen kommen zur Wiedergabe.
Das Kohlekörner-Mikrofon ersetzt bald das Kohlestäbchen-Mikrofon. Die Langzeitlösung (bis heute in allen Telefonen verwendet, ausser in den nun aufgekommen "elektronischen" Systemen) bringt das Kohlestaub-Mikrofon von Hennings und Edison.
Sprachaufzeichnung
Thomas Alva Edison, (Milan, Ohio 1847-1931 West Orange NJ) gelingt es am 6.12.1877 mit rein mechanischen Mitteln, gesprochene Worte auf einer Wachswalze aufzuzeichnen und wiederzugeben. Dabei zeichnet ein mit einer Membrane verbundener Stichel in sogenannter "Tiefenschrift" spiralig die Sprachschwingungen auf der wachsbeschichteten, sich drehenden Walze auf. Edison meldet am 24.12.1877 die erste brauchbare "Sprechmaschine" mit einer die Walze umgebenden Stanniolfolie zum Patent an und erhält am 19.2.1878 das US-Patent 200521.
Den Phonograph betrachten anfänglich viele Personen als Wunder. Er ist in Europa bis in die 30er Jahre in Anwaltspraxen und anderen Büros im Einsatz. Der Antrieb der Walze erfolgt dann durch einen Elektromotor. „Am 30. April demonstriert der Franzose Charles Cros (1842-1888) der „Pariser Akademie“ ein ähnliches System unter dem Namen Paleophone“ – heisst es in diversen Büchern. Richtig ist, dass er am 30.4.1877 seine Vorschläge in einem versiegelten Umschlag bei der „Pariser Akademie“ deponiert. Am 3.12., also drei Tage vor der Demonstration des ersten funktionstüchtigen Apparates durch Edison, öffnet man den Umschlag und präsentiert den anwesenden Mitgliedern seine Vorschläge. Dies ist ein Beispiel des Unterschiedes zwischen einem (realisierbaren oder nichtrealisierbaren) Vorschlag und der sich im Markt durchsetzenden Realisation einer Erfindung.
Lediglich aufgezeichnet haben Töne 1830 Weber (berusste Glastafel), ca. 1840 Duhamel (Zylinder), 1855 Scott in Paris (Patent 1857 für Phon-Autograph) sowie weitere Experimentatoren vor und nach diesen. D.E. Hughes führt das von ihm erfundene Kontaktmikrofon der „Royal Society“ vor. "Hughes erfindet 1878 oder 1989 den Kohärer" – heisst es in gewissen Büchern. Wahrscheinlich ist damit sein Kohle-Stahl-Detektor gemeint, den er 1879 vorführt.
1879 Glühlampe ist Realität
Obwohl Kohlefaden-Lampen 1845 durch King patentiert und Metallfaden-Lampen (Platin mit Schmelzpunkt von 1800 Grad) 1801 durch Thenard bekannt sind, kommen letztere erst nach 1900 zum Einsatz.
Luminiszenzlampen haben ihren Ursprung 1882 bei Kennedy. Cooper-Hewitt und Moore verbessern sie entscheidend, wobei erst die Verwendung von Neongas komplizierte Regulatoren beseitigt.
Elektromagnetische Wellen empfangen!
Für das Jahr 1878 liest man in einem Zeitungsartikel: "David Edward Hughes (London 1831-1900 London), Musikprofessor, der sehr an Experimenten mit dem Telegrafen interessiert ist und u.a. 1855 den ersten Klarschrift-Telegrafen erfunden hat, realisiert eine drahtlose Sprachübertragung über ca. 300 m, ohne den Vorgang richtig zu deuten".
Es handelt sich nicht um eine Sprachübertragung; das Mikrofon - in einer Ecke seines Labors aufgestellt - reagiert lediglich mit Tönen auf Versuche mit einer fehlerhaften Induktionsbrücke. Um der Sache nachzugehen, konstruiert er einen einfachen Funkensender. Den Batteriestrom lässt er durch einen Mechanismus mit Federuhraufzug in rascher Folge unterbrechen. Der Empfangsteil besteht aus einer Mikrofon-Detektor-Anordnung und einer Batterie, das Mikrofon im wesentlichen aus einer Stahlnadel, die ein Koks-Stück leicht berührt.
Mit diesem Empfangsteil begibt sich Hughes auf die Strasse (Great Portland Street), wo er noch in 66 m Entfernung (60 Yards) guten Empfang hat. Der Empfang verschlechtert sich ab dieser Distanz stetig. Er endet bei etwa 550 m Entfernung. 1879 demonstriert Hughes seine Sende- und Empfangsanlage der Royal Society of London über 400 m Distanz. Die Anlage besteht aus Induktionsspule mit Funkenstrecke und seinem Detektor. Hughes arbeitet, bedingt durch die Abmessungen der symmetrischen Antennenstäbe, mit UKW-Wellen (Band II). Er verwendet in der Empfangsanordnung parallel zu einem Kopfhörer ein Kohlestück mit aufgesetztem Stahlstift, was dem späteren Hör-Telegrafieempfang entspricht.
Kollegen aus der Wissenschaft tun diesen Versuch mit der seit 1831 durch Faraday bekannten elektromagnetischen Induktion ab. Hughes ist daraufhin so enttäuscht, dass er seine Versuche viele Jahre nicht veröffentlicht.
This article was edited 18.Feb.08 16:49 by Ernst Erb . |