Radiobau ZEHETNER - Wien 8 (1938-1986)

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Radiobau ZEHETNER - Wien 8 (1938-1986) 
05.May.03 18:56
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Kurt Zehetner (A)
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Kurt Zehetner

 

Die Geschichte der Wiener Firma "Radiobau ZEHETNER 1938-1986"

 

 

Ing. Franz Zehetner zählte zu den Radiopionieren Österreichs. Er wurde in Wien am 11. April 1907 als Sohn einer Wiener Beamtenfamilie geboren und maturierte 1926 am Wiener TGM in der Fachrichtung Elektronik. Mit guten Verbindungen gelang es ihm, gleich nach der Matura eine Stelle als Hilfsarbeiter bei der damals neuen Firma RADIONE zu bekommen.

 

Dieses erste Engagement sollte den weiteren Lebensweg des 19-jährigen bestimmen.

 

Als Hilfsarbeiter mußte er Kabel schneiden und zurechtbiegen. Es war nicht gerade das, was sich der ambitionierte Techniker von einer beruflichen Karriere erwartet hatte, aber bei der damals unsicheren Arbeitslage bedeutete es doch eine feste Position.

 

Schon bald aber wurde man in der Firma auf den jungen Mitarbeiter aufmerksam und zog ihn auch zu verantwortungsvolleren Arbeiten heran: Er durfte bei der Montage der Geräte löten.

 

Erste Auslandserfahrungen

 

Eines Tages rief ihn sein Chef, Dipl.-Ing. Nikolaus von Eltz, zu sich und fragte, ob er einen Pass hätte. Er hatte keinen, bekam aber zwei Tage frei, um sich das begehrte Dokument zu beschaffen. Er mußte seinen Chef in die Tschechoslowakei begleiten, um dort bei einem Fürsten Liechtenstein ein Radiogerät zu reparieren. Heute kaum vorstellbar, aber so waren damals die Bräuche. Bald darauf durfte er wieder, diesmal mit dem Gesellschafter Herrn Zerdik, mit dem er sich auch anfreundete, zu Kunden nach Polen - ebenfalls zu Reparaturen - fahren. Die guten technischen Kenntnisse und die Einsatzfreude brachten es mit sich, dass Ing. Zehetner bald allein auf Reisen geschickt wurde.

 

Als sich Ing. Zerdik selbständig machte, ging der junge Techniker mit ihm zur neuen Firma. In Spitzenzeiten produzierten sie täglich in zwei Schichten bis zu 150 Radiogeräte - für die damalige Zeit eine Spitzenleistung. Sie erzeugten aber nicht nur Geräte, die unter ihrem Namen verkauft wurden, sondern auch für die Firmen Hornyphon und Philips. Nachdem 1936 Zerdik das Handtuch warf, übernahm Ing. Zehetner dessen Reparaturwerkstätte.

 

Die Gründung der Firma "Radiobau-ZEHETNER"

 

Am 2. August 1938 war es dann soweit: Er übernahm selbst im 8. Bezirk in der Lerchenfelderstraße 18 ein Radiogeschäft, dessen Besitzer verstorben war. Um seinem Geschäft nahe sein zu können, übersiedelte er kurzentschlossen in den ersten Stock des selben Hauses.   

 

War seine Konzession zuerst nur auf die "Erzeugung und Reparatur von Radioapparaten, beschränkt auf den Zusammenbau aus fertig bezogenen Bestandteilen" ausgestellt, so erweiterte er bereits am 2.12.1938 auf den "Handel mit Radioapparaten, Sprechmaschinen und Bestandteilen, Elektromaterialien, Schallplatten, Fahrrädern und Beleuchtungskörpern".

 

Nach dem 2.WK - als es wohl einen enormen Bedarf, aber keine Radiogeräte gab - begann Ing. Zehetner mit der Produktion von Radiobaukästen und fertigmontierten Geräten aus alten Wehrmachtsbestandteilen. Diese Idee war goldrichtig: "Die Geräte wurden uns damals wie die warmen Semmeln aus den Händen gerissen; wir kamen mit der Produktion überhaupt nicht nach" (Originalzitat).

 

Auf den ersten Nachkriegsmessen waren Zehetner-Geräte beliebte Objekte, die nicht nur Schaulustige anzogen, sondern auch für entsprechende Umsätze sorgten. Neben den Geräten und Bausätzen erzeugte und vertrieb die Firma auch Zubehörteile - vom Skalentrieb bis ZF-Filter -, die es dem Interessierten auch erlaubten, sich die Geräte selbst zu bauen.

 

Nach vier Versionen des "VOLKSSUPERS", der "PHONETTA", dem "Zehetner-Volkssuper" , der "PHONETTA-Super" und der PHONETTA K49 begann man mit der Erzeugung der sogenannten "Edelsteinserie". Es waren dies Standgeräte mit klingenden Namen wie "ONYX", "RUBIN", "SMARAGD", "BRILLANT", "SAPHIR", und "OPAL", wobei die letzten Versionen bereits mit dem "magischen Auge" ausgestattet waren.

 

Der Aufstieg

 

Innovation war ein Thema, das für Ing. Zehetner immer eine besondere Bedeutung hatte. Als der erste Bedarf gedeckt war, beschäftigte sich der in seiner Firma immer als Chefkonstrukteur Tätige mit neuen Gerätetypen. So gab es bald tragbare Batteriegeräte, sogenannte "Kofferempfänger" oder "Portables", die er mit der auch heute noch gültigen Erkenntnis, dass tragbare Geräte mit steigendem Freizeitangebot einen wachsenden Markt vorfinden, herausbrachte. Diese Batteriegeräte waren Anfang der 50-er Jahre der große Verkaufsschlager der Firma. 

 

 

Am 24. März 1953 erweiterte er seine Konzessionen mit dem "Rundfunkmechanikergewerbe". Im selben Jahr baute die Firma auch das erste Kombigerät - einen Portable mit eingebautem Plattenspieler, den modifizierten "FROHSINN Junior", der allerdings nicht in Serie produziert wurde.

 

 

 

Als 1953 der UKW-Rundfunk in Österreich begann, öffnete sich damit auch eine neue Marktlücke, die die Firma sofort füllen konnte: Für alle Geräte, die noch ohne UKW - Empfangsmöglichkeit ausgestattet waren, entwickelte man UKW-Empfangsteile - vom Einbaugerät bis zum Untersatz, der einfach an den Plattenspieleranschluss des Gerätes angeschlossen wurde:

 

Die Firma am Höhepunkt

 

In den besten Jahren der Firma beschäftigte Ing. Zehetner an die dreißig Mitarbeiter, die der Nachfrage kaum Herr werden konnten. Die Geräte waren äußerst beliebt, sogar der bekannte weltreisende Verkehrspionier, Geograf und Journalist Dr. Max Reisch nahm sie auf seinen abenteuerlichen Reisen mit. Da die Räumlichkeiten der Lerchenfelderstraße 18 nicht mehr ausreichten, wurde die Werkstatt vergrößert und das Büro in ein kleines Gassenlokal in der Neudeggergasse 1-3 (eine der angrenzenden Seitengassen) verlegt.

 

Mit der "FROHSINN"-Serie, dem UB60, UB61, UB62, dem "TOURIST" , dem "JUNIOR" und dem "PICCOLO", sowie den nachfolgenden Geräten "ALLROUND", "JUNIOR 56 " und dem "PICCOLO 56 " war die Firma auf dem Höhepunkt. Ing. Zehetner wurde ins Buch "Who is Who in Austria" aufgenommen.

 

 

Der Abstieg

 

Doch gegen Ende der fünfziger Jahre begann sich eine Entwicklung zu zeigen, die für die Firma schließlich das Ende der Produktion von Rundfunkgeräten bedeutete: Die von der Fließbanderzeugung hervorgebrachten neuen Technologien und die beginnende Konkurrenz aus dem Fernen Osten (Japan) ließen die Chancen rapide sinken.

 

Die letzten Highlights waren der wunderschöne "DARLING", der "BRILLANT" und schließlich der "BAMBI", der allerdings wegen der Namensgleichheit mit einer Disney-Figur in "CHERI" umbenannt werden musste. Zu erwähnen wäre noch der erste kombinierte Volltransistor-Super Autoempfänger Österreichs, der "Piccolo-Autosuper", den man sowohl als Batterieempfänger als auch als Autoempfänger für 6 oder 12 Volt verwenden konnte.

 

 

Ing. Zehetner, der immer auf intelligente Produkte gesetzt hatte, entwickelte bereits 1949 für den Servicebereich eine spezielle Prüfklemme, die "Zehetner-Klemme", die sich auch gut verkaufte. Die Nachfrage war so groß, dass man oft mit der Produktion nicht mehr nachkam. Er machte aber den gravierenden Fehler, dieses Produkt, von dessen Chancen er noch keine Ahnung hatte, nicht zum Patent anzumelden. Die Prüfklemmen wurden in Deutschland kopiert (Fa. Hirschmann) und im Preis unterboten. Geliefert wurde die Klemme u.a. in die Schweiz, nach Frankreich und in die USA.

 

Ein kleiner Trost mag sein, dass heute noch Klemmen dieser Art, egal von welchem Hersteller, in Technikerkreisen automatisch als "Zehetner-Klemmen" bezeichnet werden.

 

Die 60-er Jahre

 

In den sechziger Jahren nach dem Auslaufen der Radiogeräteproduktion wurden noch Musikschränke gefertigt, die die Firma nach Kundenwünschen herstellte. Damit war es aber dann gegen Anfang der siebziger Jahre aus, als es in Mode kam, einfach einzelne HiFi-Komponenten übereinander zu stellen. Was blieb, war die Produktion der Prüfklemme, die es in drei Ausführungen und verschiedenen Farben gab. Auch der Verkauf ins Ausland war gut, die Prospekte der Klemme waren auch in Englisch und Französisch gehalten. In zwei verbesserten Versionen wurde sie 1968 auch zum Patent angemeldet. Neben der Prüfklemme gab es noch den Servicebetrieb und den Radiohandel.

 

Aber auch das Service für Rundfunk und Fernsehgeräte wurde zum Problem. Die Kunden waren meist ältere Leute mit Geräten, die schon lange in Betrieb waren. Die Reparatur sollte möglichst kaum etwas kosten und auch Serviceleistungen, wie etwa das Abholen der Geräte, sollte kostenlos sein. Für einen Neukauf ließen sich die Kunden zwar beraten, kauften aber dann beim Diskonter oder über einen Graukanal.

 

Das Ende

 

Im 68. Lebensjahr wandelte Ing. Zehetner am 30. Juni 1975 seinen Betrieb in eine GmbH um und gab ihn an seine beiden ältesten Mitarbeiter, Herrn Ing. Walter JAUERNIK (der bereits als Lehrling in der Firma begonnen hatte und die "Seele" der Firma war) und Frau Paula SCHARL (†), als Geschäftsführende mehrheitlich weiter. Er selbst behielt nur einen 3% Anteil und stellte die Konzession zur Verfügung. Gewinn gab es aber dann für den junggebliebenen Pensionisten keinen mehr. Im Gegenteil: Mit seinem Privatvermögen hielt er seine geliebte Firma am Leben. Der Betrieb, der einst in einem Wort mit den großen Firmen der Branche genannt wurde, stand vor dem Ende. Neben der nicht genutzten Chance der Prüfklemme rächte es sich, am kleinen Mischbetrieb - Handel, Produktion und Reparatur - festgehalten zu haben. Im verschärften Wettbewerb hatte er keine Chance. Es wäre wahrscheinlich besser gewesen, sich ganz auf den Handel zu konzentrieren.

 

Vom 30.4.1970 bis zum 28.5.1985 war Ing. Zehetner Ausschussmitglied im "Landesgremium Wien für den Kleinhandel mit Radio- und Elektrogeräten". 1986 konnte er seine ehemalige Firma schuldenfrei auflösen und am 24. November 1986 erlag er einem Herzinfarkt. Im Dezember 1986 wurde das Geschäft endgültig geschlossen.

 

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Diese Geschichte mit viel mehr Bildern und allen Detailinformationen zu allen Radios und Zusatzgeräten finden Sie auf meiner umfassenden Webseite www.radio-zehetner.at .

Ich würde mich über Ihren Besuch freuen!

 

Mag. Kurt Zehetner

(Sohn des Firmengründers Ing. Franz Zehetner)

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