siemens: Restaurierung Siemens SH 287 GW „Novalette“

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siemens: Restaurierung Siemens SH 287 GW „Novalette“ 
18.Jan.21 20:47
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Rüdiger Walz (D)
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Rüdiger Walz

Restaurierung Siemens SH 287 GW „Novalette“

Die „DKE-Schaltung“ erfreute sich seit Erscheinen 1938 für Einfachgeräte hoher Beliebtheit. Die einfache Schaltung mit einer Doppelröhre des Typs VCL 11 (UCL 11) oder auch später VEL 11 (UEL 11) war für Kleingeräte auch nach dem Krieg billig zu realisieren. Nach meinem Wissen ist der Grundig „Gloria“ von 1951/52 einer der letzten Einkreiser, die in neuem Gewand aber immer noch mit einer VEL 11 erschien. Zwar gab es den Edly Kleinempfänger von 1953, aber er war offensichtlich nur eine Verarbeitung von Restbeständen. Die Zeit der Einkreiser war aufgrund der Empfangsverhältnisse und auch der Kaufkraft der Kunden 1952 endgültig vorbei.

Die Novalette erscheint im Katalog „Das Rundfunk-Jahr 1948/49“ [1], ist aber eindeutig schon 1948 produziert worden, da die Skala das Datum 8.10.48 trägt. Probleme zur Datierung dieser Geräte siehe auch unter Grundig Heinzelmann 168 GW. Der Katalog wurde erst 1949 gedruckt, da damals die Neuerscheinungen der Geräte nachvollziehbar noch nicht regelmäßig erfolgten.

Die Novalette wurde in Karlsruhe produziert [2] und unterscheidet sich von den anderen Geräten jener Zeit durch ihr auffallendes Design. Der Siemens-Prospekt für die Novalette schreibt vollmundig:

„Neuartige Formen:

In seinem ganzen Aufbau stellt der SIEMENS-2-Röhren-Einkreisempfänger „Novalette“ mehr als nur eine Fortentwicklung der üblichen Einkreis-Empfänger dar: er ist etwas völlig Neuartiges. Die Auswertung der jahrzehntelangen Erfahrungen der Siemens-Ingenieure in der Rundfunktechnik in Verbindung mit den Grundsätzen der neuzeitlichen industriellen Formgebung und den Fertigungsmöglichkeiten der Siemens-Werke hat einen Rundfunkempfänger ergeben, der in seiner Preisklasse allen heute gestellten, hohen Anforderungen gerecht wird.“

Nun ja, es ist, wie eingangs erwähnt, eigentlich eine etwas aufgepeppte DKE-Schaltung…

Das symmetrische Gehäuse in seiner schwarzen Seidenmattlackierung fällt natürlich auf und wie später Empfangsversuche ergaben, hat es durch den großen Lautsprecher eine sehr gute Klangqualität, die besonders bei Verwendung der „GFGF Konzertsenders“ als „Ortssender“ zum Tragen kommt. Das Marketing hat sich auch einen zeitgemäßen Namen ausgedacht „Nova“ von lateinisch „Neu“ und die Nachsilbe „-lette“ für die Bezeichnung eines Kleingerätes wie auch bei anderen Firmen wie Piccolette (Seibt), Pierrette (Seibt), Superrette (Emud) usw. Man braucht hier im RM.org nur auf der Startseite *ette eingeben und erhält eine lange Liste von Geräten dieser Zeit. Diese Wortkomposition war offensichtlich „in“.

Gehäuse

Der Lack des hier vorgestellten Gerätes hatte im Laufe der Jahre Risse bekommen und war an einigen Stellen abgeblättert.

Ich beschloss diese Stellen zu retuschieren und möglichst viel von der Originallackierung zu erhalten. Es zeigte sich der gleiche Effekt wie bei anderen schwarz lackierten Radiogehäusen. Das Schwarz der Novalette ist schwärzer als von modernen Alkydharzlacken. Siehe auch unter Blaupunkt 4W59 . Moderne Lacke erscheinen beim Retuschieren grau.

 

Das Chassis ist relativ klein und kann von untern durch Abschrauben der Bodenplatte gut erreicht werden. Da aber das Gehäuse bearbeitet werden musste, habe ich die Seitenteile entfernt. Sie sind mit zwei Gewindeschrauben von unten durch die Gehäusefüße und zwei Holzschrauben links und rechts an der Seitenwand befestigt. Die Querleisten, die auch die Skala tragen sind mit Holzschrauben an dem inneren Gehäuse befestigt.

Auf den Bildern sieht man auch die Schäden sehr gut. Nach Entfernen der Seitenschalen kann man die Querleisten abschrauben. Vorsicht, sie tragen die Skala mit dem Aufdruck 4.10.48. Die Produktion begann also direkt nach der Währungsreform 1948. Beim Zusammenbau darauf achten, dass der Zeigerträger frei läuft. Die Leisten dienen auch als Widerlager für den großen Zeigerträger, der auch den Umschalter von MW1 zu MW2 betätigt. 

Glücklicherweise hatte ich noch Restbestände eines schwarzen Nitrocelluloselackes, der die gleiche Schwärze wie die Novalette hat. Die Schadstellen wurden mit 320er Schleifpapier nass geschliffen und die Schadstellen lackiert. Um einen sauberen Übergang zu erzielen wurde das Gehäuse anschließend mit Schellack mit ein paar Tropfen Hartöl poliert. Die Stellen wurden nicht ganz unsichtbar, aber der restliche Lack hat auch noch leichte Risse. Es ist schließlich ein 70 Jahre altes Gerät und soll nicht fabrikneu aussehen.Siehe Bild am Ende.

 

Chassis

Das Chassis war vollständig erhalten. Nachdem die schwarzen Seitenschalen abmontiert erscheint ein Innengehäuse aus Sperrholz und man kann gut am Chassis arbeiten. Die Schaltung ist recht einfach und wird nur durch die verwendete Induktive Abstimmung und den dadurch notwendigen Umschalter komplizierter. Der Ferritkern fährt durch die Spule und in der Mitte wird ein Kondensator zu bzw. abgeschaltet, damit beim Herausfahren des Kernes der restliche MW-Bereich abgedeckt wird.

Es waren nur der Entstörkondensator und der Gitterkondensator der Endpentode ersetzt worden. Der Gitterkondensator war nur einseitig abgelötet worden, der Entstörkondensator leider nicht mehr vorhanden. Er wurde durch ein baugleiches Modell von Siemens ersetzt. Beide wurden innen mit einem neuen Kondensator versehen und wieder vergossen.

Für einen Schnelltest der Netzteilelkos und des Chassis wurden mit einem externen Netzteil 250 V an den ersten Elko gelegt. Da nur rund 10 mA flossen, waren keine größeren Schäden zu erwarten. Mit Röhren und Netzspannung spielte das Gerät auf Anhieb. Der Wellenumschalter musste noch gereinigt werden. Er ist eine simple Konstruktion aus Federbronze. Siehe auch Siemens Serviceanweisungen.

Wie schon oben erwähnt, ist der Klang erstaunlich gut. Mit 159,- DM war das Gerät damals allerdings kein Schnäppchen und hat mit seinem Design sicher manche unerfüllten Wunschträume verursacht. Das Wirtschaftswunder hatte noch nicht gestartet und im Juni 1948 hatte jeder gerade mal seine „Kopfprämie“ von 40,- DM erhalten und 159,- DM war durchaus das Monatsgehalt eines Angestellten und erforderte für die Anschaffung eisernes Sparen. Mehr als eine verbesserte DKE Schaltung war da zusätzlich zu dem gestylten Gehäuse aufgrund der Kaufkraft der Kunden nicht drin.

Die Novalette ist heute unter Sammlern nicht sehr häufig und aufgrund ihres Designs sicher sammelnswert.

 

Literatur

[1] Das Rundfunk-Jahr 1948/49, Ein Handbuch des Rundfunkhandels, Technisch-Literarisches Institut, Radevormwald, Permit 7.49

[2] Jürgen Hormuth, Liste der Siemens Nachkriegsgeräte und Fertigungsort, Funkgeschichte Nr. 88, (1993) S. 10

 

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