Richtfunk und Sendestelle Torfhaus

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Richtfunk und Sendestelle Torfhaus 
18.Feb.23 15:00
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Mich erreichte ein toller Brief von Herrn Dirk Weddemar aus Torfhaus.

Der Standort befindet sich etwa 6 km vom Brockengipfel entfernt.

Es gibt dort die Funksendestelle  für Verbindungen mit West Berlin und einen interessanten Fernsehsender sowie regionale UKW- Sender. Aber schön der Reihe nach. 

In Berlin Schöneberg gibt es an der Winterfeldtstraße das Fernmeldeamt ( ehem. Fernamt ) Berlin. Es wurde von sowjetischen Truppen am 28.April 1945 besetzt und war relativ unzerstört. Das Fernmeldeamt war bis dato das Zentrum des Fernmeldeverkehrs der deutschen Reichshauptstadt.

Sofort begannen sowjetische Spezialisten mit der Sichtung der vorhandenen Technik und veranlassten, daß in etwa 6 Wochen ca 70% der technischen Einrichtungen abgebaut wurden. Diese gingen als Reparationsgut in die UdSSR. Nach Aufteilung der Reichshauptstadt in vier Sektoren übernahmen die US- Amerikaner am 07.Juli 1945 das im amerikanischen Sektor gelegene Fernamt.

Foto ca 1960, am Gebäude hat sich wegen des Denkmalschutzes optisch nichts verändert. Foto: Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Der Neuaufbau begann sehr langsam. Zunächst wurde der Fernverkehr der Alliierten mit den westlichen Besatzungszonen per Fernkabel hergestellt. Dem Fernamt standen 1946 nur 39 Fernkabelleitungen zur Verfügung. Überwiegend lagen diese Ämter in der sowjetischen Besatzungszone.

1948 war eine weitere Leitung dazugekommen . So langsam konnte es nicht weitergehen ! Auch das Abhören aller Gespräche war möglich. Es fehlten  Leitungen , welche für Tonübertragungen und Fernsehen genutzt hätten werden können.  Die durch das Gebiet der sowjetischen Besatzungszone in den 30iger Jahren verlegten Fernkabel waren wieder ausgegraben und als Reparationsgut in die Sowjetunion geschafft worden.

Also blieb nur die Variante Richtfunk. Ab 1948 wurden erste Richtfunkstrecken zwischen Westberlin und dem Bundesgebiet aufgebaut und getestet. Die günstigste Entfernung zwischen Berlin und dem Bundesgebiet war die nach Gartow, etwa 130 km.

Nachteil ist das Streckenprofil, die Erdüberhöhung beträgt hier etwa 350 m 

Besser schien die Verbindung in den Westharz . Der Brocken wäre natürlich ideal gewesen, aber der Gipfel war sowjetische Besatzungszone und kam deshalb nicht infrage. Hier beträgt die Entfernung etwa 195 km 

Bevor ich zu den einzelnen Übertragungsstationen komme schauen wir nochmal zur Winterfeldtstraße in Berlin Schöneberg, 

Foto; Museumsstiftung Post und Telekommunikation  Mitarbeiter der Deutschen Bundespost  bei der Arbeit am Trägerfrequenzgerät MG15 im Funkamt Berlin für den Betrieb der ÜSW- Richtfunkstrecke Berlin - Torfhaus.

ÜSW  = Übersichtweiten 

 Foto; Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Im Stadtbild zeugt bis heute der 1952 erbaute, 113 Meter hoch aufragende Antennenträger über dem Lichthof des Kreuzbaues Mitte vom Funkamt im Fernamt. Mit seinem Einzug in das Fernamt hatte es 1950 die Aufgaben des Richtfunk- Funkmessdienstes sowie der Rundfunk- und Fernsehübertragungen übernommen.

Standort Torfhaus 1948 / 1949  2 Fotos aus der Sammlung von Dirk Weddemar. 

Der Aufbau der FSSt  und FESt erfolgte im 2. Halbjahr 1948. Am 24.6.48 begann die Berlinblockade und damit wurden die Fernmeldeverbindungen noch wesentlich dringender.

Am 24.12.1948 konnten die ersten acht FE-Kanäle über die "Funkbrücke" nach Torfhaus zur Verfügung gestellt werden.   Die FM-Funkgeräte der Fa. G.Lorenz arbeiteten im 37 MHz- Bereich . die Teile waren größtenteils aus der Zeit von vor 1945. Das TF-Gerät war eine MEK8. Acht Fernsprechsignale wurden nun gemeinsam übertragen. Im Jahre 1949 wurden Sender mit Nennleistungen zwischen 1 und 1,5kW in Betrieb genommen. über Frequenzen 41...68 MHz ( UKW-Band ). Nun waren 45 Fernsprechkanäle verfügbar. 

Für die Richtstrahlung wurden sogenannte Tannenbaumantennen mit 16 Halbwellenstrahlen zwischen den Antennentürmen aufgehängt- Das waren aus Drähten und Stäben gefertigte ebene Dipolfelder mit ebensolchen Reflektorwänden. 

Die Sende- und Empfangsstelle in Torfhaus war etwa 600 m voneinander entfernt, beide Anlagen standen auf der Kuppe der Lerchenköpfe. 

FOTO VON DEN SENDEANTENNEN IN TORFHAUS ca. 1949 Foto Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Besucher gab es reichlich, besonders an schönen Wintertagen folgende Fotos aus der Sammlung von Dirk Weddemar

1959 wurde der erste 45 m hohe Gittermast auf der Nordkuppe der Lerchenköpfe mit übereinander angeordneten 10 m Durchmesser Parabolsegmentantennen. Diese arbeiteten im 2,2 GHz-Bereich und es konnten schon 360 Fernsprechkanäle übertragen werden. 

Der zweite Stahlfachwerkturm wurde dann 1965 aufgebaut und 1966 wurden zwei Parabolsegmentantennen mit 18 m Durchmesser montiert. Diese hatten einen Antennengewinn von 48 dB.  

Von 1948 bis 1973 wurden nur im UKW- Bereich arbeitende RiFu- Anlagen in den Westberliner Funkstellen Wannsee und Grunewald ( Standorte aus dem 3.Reich   ) später von der FSt Nikolasee unter Ausnutzung der mehrfachen Beugung betrieben. 

Wieder ein Sprung nach Berlin,

Nikolasee im Bau 1951  Am Boden werden die Antennen vormontiert. Foto Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Ein Datum möchte ich hier noch ansprechen.

Am 25.Dezember 1952 fand die erste Fernsehübertragung aus Berlin nach dem Bundesgebiet statt. Aber dazu ein gesonderter Beitrag (später)

Im Jahre 1956 gab die                         Bundespost anlässlich der          industrieausstellung sogar diese Briefmarke heraus.

Die funktechnisches Einrichtungen des Turms ermöglichten den Austausch von Ferngesprächen, Telegrammen, Bildtelegrammen, Fernschreibnachrichten sowie Fernseh- und Tonrundfunkprogrammen mit der ganzen Welt (so damals die Infos der deutschen Bundespost !).

und noch einige technische Daten:

Bauzeit: 1961 - 1964
Inbetriebnahme: 01.04.1964
Gesamthöhe über Erdboden: 212m
Gesamthöhe über NN: 315m
Gesamtgewicht: 13000t (12000t Beton, 1000t Stahl)
Fundament: Tiefe 11,25m, Durchmesser 37m
Größte Wanddicke: 0,75m
Schaftdurchmesser: unten 12m, oben 3,25m
mögliche Schwankung der Turmspitze: 1,45m

Blick vom Wannsse (Heckeshorn) auf die Sendefunkstelle Wannsee und die Türme auf dem Schäferberg in Berlin/West ca 1965  Foto; Museumsstiftung Post und Telekommunikation

Interessant ist auch, daß die DDR -Staatssicherheit diese wichtigen  Informationsquellen nutzte. Kurz vor dem Grenzübergang Brocken befand sich die Abhörstation "Urian" ( Tarnname ) und die "Quelle 4" ( ebenfalls Tarnname ) bei Dretzen.

Hier im Bild die Überreste der Abhörstationsbaracke im Wald bei Dretzen und dahinter der Holzmast.

Foto : P.Rentsch vielen Dank

 

Brockengipfel 1991 mit der sowjetischen (links)  und der Stasi-Abhörstation 

Foto mit freundlicher Genehmigung von Herrn Klocke - vielen Dank - 

Der grüne Mast MFS (HVA)  in der Mitte die drei weißen Kuppen und ganz rechts die Kuppe MfS HA III Das Gebäude rechts hieß damals auch STASIMoschee und ist heute das Museum auf dem Brocken. 

Im Teil 2 geht es weiter mit Torfhaus

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