Schäden an Bauteilen aus Zinkspritzguss

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ID: 561918
Schäden an Bauteilen aus Zinkspritzguss 
09.Dec.21 17:49
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Hans-Werner Ellerbrock (D)
Redakteur
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Schäden an Bauteilen aus Zinkspritzguss durch interkristalline Korrosion

1. Erscheinungsformen der Korrosion

Seit den 1930er-Jahren, über 30 Jahre lang, wurden viele Teile von Radio- und Phonogeräten aus Zinkspritzguss hergestellt. Beim Reparieren und Restaurieren von historischen Geräten gibt es aber schon seit langer Zeit Probleme mit zerstörten Metall-Einzelteilen.


Abb.1: Zerstörtes Gehäuse eines PE-Phonomotors von ca. 1940.

 

Beispiele für den Einsatz von Zink in der Rundfunktechnik

Gehäuse von Drehkondensatoren

Gehäuse von Potentiometern

Lager von Getriebe und Drehachsen von Drehko- und Skalenantrieben

Einzelteile von Schalter-Gehäusen

Ringblenden von mag. Augen

Phonomotoren

Tonarme von Plattenspielern

Nach einigen Jahren tritt bei einigen der o.g. Teile eine Zersetzung auf, die sich in Form von gerissenen Oberflächen, abgebrochenen Partien, granulatartigem  Zerfall und Verbiegen/Verformungen darstellt.

Hier einige Beispiele vom Phonochassis eines Braun-Phonosupers aus ca. 1940 und einem späteren Gerät mit Spaltpolmotor und Reibrad-Übertragung.


Abb. 2: Der Fliehkraftregler eines PE-Motors


Abb. 3: Das Gelenk des Tonarmes


Abb. 4: Der Tonkopf


Abb. 5: Ein Reibrad aus dem Beginn der 1950er-Jahre

Die gleichen Probleme haben übrigens auch die Sammler von Modellautos- und Eisenbahnen. Alte und wertvolle Fahrzeuge werden in Foren immer wieder als unwiederbringlich beschädigt beschrieben.(1)

 

2. Spritzguss - Das Herstellungsverfahren

Das flüssige Metall wird auf eine Temperatur von ca. 430oC erwärmt. (2) Diese Schmelze wird unter hohem Druck, und damit auch mit hoher Fliessgeschwindigkeit , in eine Stahlform gepresst. Der Vorgang dauert lediglich 10 – 20 ms.  Dadurch ist es möglich, z.B. 1000 Kleinteile/h oder 100 Großteile/h zu erzeugen. Die Formen können für einige 100.000 bis mehrere Mio. Teile verwendet werden.

Das war ab ca. 1935 auch der Grund für den Einsatz dieser Technik in der Radio-Industrie. So konnten große Serien zu niedrigsten Gestehungskosten realisiert werden. Ebenso ermöglichte die Spielzeugbranche mit Hilfe dieses Verfahrens, preiswerte Auto und Modelleisenbahnen in großer Stückzahl auf den Markt zu bringen.

3. Die Zusammensetzung der Zinklegierungen

Es wurde in keiner Epoche dieser Technologie Reinzink verwendet. Vielmehr wurden bis zum heutigen Zeitpunkt Legierungszusätze beim Herstellen der Schmelze verwendet, um die Eigenschaften des Materials zu verbessern.


Abb. 6: Zinkkristallite, die beim Abkühlen der Schmelze an den Korngrenzen entstehen

So verhindert der Zusatz von Aluminium die Lösungsbeeinflussung durch die Stahlform. Kupfer soll die Härte und die Festigkeit erhöhen und Magnesium soll die Korrosion durch den Restgehalt von Blei, Eisen, Zinn oder Cadmium verringern. (3) In der Zeit von ca. 1936 bis in die ersten Jahre der 1950er-Jahre hinein wurde aber verunreinigtes Zink als Ausgangsstoff verwendet. Das lag daran, dass ab 1936 im Deutschen Reich die Rüstungsproduktion im Vordergrund stand, die Metallressourcen kontingentiert wurden und das Reichsministerium für Rüstung und Munition unter Albert Speer für die Zivilproduktion nur das minderwertige, verunreinigte Zink freigab.

Das ist der Grund dafür, dass in erster Linie Gegenstände aus der o.g. Zeit von den bereits beschriebenen Schäden betroffen sind.

Ab der Mitte der 1950er-Jahre wurde dann nur noch besser raffiniertes Rohmaterial verwendet und die Auswirkungen der interkristallinen Korrosion gingen erheblich zurück.


Abb. 7: Zinkpulver mit einem Reinheitsgrad von 99,8%

Die heute genutzten Zink-Legierungen werden auch kurz Zamak-Legierungen genannt. Das ist die Abkürzung für Zink, Aluminium, Magnesium und Kupfer. Die am häufigsten verwendete Zusammensetzung ist ZnAl 4, Zink mit 4% Al, um die 2% Cu- und 0,035 bis 0,06% Magnesiumanteil.

Einen Rückschlag gab es dann aber wieder zum Ende des 20. Jhdts. durch die Verlagerung vieler Werksproduktionen nach China. Die dortigen Betriebe machten anscheinend den gleichen Fehler, der früher schon in Deutschland zu Schäden führte.

Mittlerweile hat z.B. der Modellbahn-Hersteller Märklin dementsprechende Produktfehler eingeräumt. (4)

 

4. Die Korrosionsvorgänge in den Spitzguss-Produkten

Es handelt sich bei den Vorgängen im Bauteil, also nach dem Druck-Spritz-Vorgang mit verunreinigtem Zink, um eine Korngrenzenkorrosion im Kristallgefüge. D.h. zwischen den einzelnen Kristallen findet eine Zersetzung statt, bei der eine Trennung der Metalle, die in der elektrochemischen Spannungsreihe rel. weit auseinander liegen, stattfindet. Es geht demnach kein Material verloren, lediglich der Zusammenhalt im Gefüge.

Ebenso kann es an der Bauteil-Oberfläche zu einer Reaktion mit Luft bzw. Luftfeuchtigkeit kommen. Dadurch entstehen die eingangs erwähnten Risse in der Oberfläche.

Ein Gefügeproblem ist aber bis heute noch nicht endgültig gelöst. Da es bei der Herstellung massive Stahl-Gussformen verwendet werden, kommt es an der Werkstück-Oberfläche zu einer schnelleren Abkühlung als im speichernden Inneren. Die dadurch verursachten Gefügedifferenzen mindern u.U. die Stabilität des Materials.

 

5. Schutzmaßnahmen gegen die Materialzerstörung

Der Radio- und Phonosammler hat lediglich die Möglichkeit noch gut erhaltene Einzelstücke, wie z.B. Tonköpfe aus Zinkguss, als Anschauungsstück zu erhalten. So empfehlen z.B. Modellfahrzeugsammler das Einschweissen in Folien unter Vakuumbedingungen. Damit will man das Eindringen von Sauerstoff verhindern. (5)

Als weitere Schutzmaßnahmen empfehlen einige Modellsammler

  • Lagerung der Objekte nicht unter 15oC,
  • Konstante Lagertemperaturen,
  • Verhindern von Sonnenbestrahlung und hoher Umgebungsfeuchtigkeit.

Das nützt dem Radiosammler leider überhaupt nichts, weil er meist seine Geräte im restaurierten Zustand betreiben will.
Er kann lediglich durch einen transparenten Farbauftrag die Berührung mit Sauerstoff vermeiden, dass ein noch intaktes Teil von aussen angegriffen wird.
Ebenso können genügend hohe Lagertemperaturen und niedrige Raumluft-Feuchtigkeit die beschriebenen Vorgänge verlangsamen.

Ist ein Radioteil aber erstmal von der Zinkpest befallen, dann hilft nur noch der Austausch gegen ein anderes Teil aus Stahl oder Aluminium. Die Neuanfertigung von Zinkdruckgussteilen lohnt sich nur bei einem Auftrag in hoher Stückzahl, u.a. weil vorweg Giessformen hergestellt müssen.

 

6. Zinkpest – Zinkfraß – wohlmöglich sogar der Zinnschrei?

In den Ingenieurswissenschaften sind die Begriffe Zinkpest und Zinkfraß seit dem Beginn der 1950er-Jahre ein stehender Begriff, ebenso wie der Zinnschrei.
Die komplette Fachliteratur der Werkstoffkunde und des Maschinenbaus verwendet die Begriffe, auch wenn sie, wissenschaftlich gesehen, nicht zutreffen.

Zinkpest suggeriert, dass die Vorgänge ansteckend sind. Das stimmt schon mal nicht. Ein benachbartes Teil kann u.U. noch viele Jahre intakt bleiben. Zinkfraß hört sich wie der Titel eines Grimm´schen Märchens an. Hier frisst keiner einen anderen auf, aber…. man will damit drastisch die schädlichen Vorgänge benennen.

Verwendete Fachliteratur

  1. Bargel, Hans-J. (Hg): Werkstoffkunde. Berlin 2005, S. 304ff.
  2. Bergmann, Wolfgang: Werkstoffkunde 1. München 2008, 6. Aufl., 221f.
  3. Bergmann, Wolfgang: Werkstofftechnik 2. München 2009, 78ff, 84ff, 176ff, 277ff.
  4. Ilschner, Berhard u.a. :Werkstoffkunde und Fertigungstechnik. Berlin 2002, 3.Aufl, 287ff, .
  5. Loska, Reinhold: Werkstoffkunde für Ingenieure. Braunschweig 1992, S. 197f.
  6. Ondraschek, Gerhard: Werkstoffkunde. Renningen 1994, 4. Aufl., S. 198ff.
  7. Weißbach, Wolfgang: Werkstoffkunde. Wiesbaden 2010, 17. Aufl., S. 223, 258, 264.
  8. Europa Fachkunde Metall (6)

(1) experto...de/praxistipps/zinkpest-erkennen. Auch abgedruckt in schucomania-forum.de. Beide aufgerufen am 05.12.2021

 (2) Der Schmelzpunkt von reinem  Zink liegt bei ca. 390oC

(3) Mit der sog. fraktionierten Destillation lassen sich bis auf Cadmium und Zink die weiteren Begleitstoffe durch anschliessende Kondensation abtrennen. Da Cadmium leichter flüchtig ist, sammelt es sich an anderer Stelle als das mit 99,99% gereinigte feinpulvrige Feinzink, auch Zinkstaub genannt.

(4) experto.de, a.a.O.

(5) ebd.

(6) Dieses Lehrbuch ist schon seit ca. 70 Jahren auf dem Markt. Der Autor hat
es in der Mitte der 1960er-Jahre erstmals für den betrieblichen Unterricht während der Lehrzeit benutzt. Man könnte es als Grundlagen-Bibel der Metall-Fachleute bezeichnen.

Bildnachweis

Abb. 6: Scheidewasser in Mineralienatlas / Lexikon. Verwendung in diesem Aufsatz genehmigt am
           09.12.2021

Übrige Fotos: Rechte beim Autor HWE

 

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Zinkpest, Zinkfrass etc. 
09.Dec.21 20:45
74 from 1342

Ernst Erb (CH)
Ratsmitglied
Beiträge: 5742
Ernst Erb

Danke für den interessanten Beitrag. Wenn man im SEARCH den Ausdruck Zinkpest eingibt, erhält man momentan 51 Resultate. Darunter z.B. auch diesen informativen Beitrag von Dietmar Rudolph.

Es wäre schön, wenn sie die informativsten Beiträge in einem weiteren Post mit Links dazu zusammenfassen, damit ein Leser einen Überblick bekommt. Das gilt ganz allgemein für einen informativen Beitrag im Radiomuseum. Es tut auch Ihrem Beitrag nur gut, wenn andere dann den so quasi als Gesamtreferenz sehen - weil mehr zielführende Begriffe darin vorkommen und der Beitrag weiter führt, also noch informativer ist.

Danke. 

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Zinkpest, Zinkfrass etc. 
09.Dec.21 22:45
124 from 1342

Hans-Werner Ellerbrock (D)
Redakteur
Beiträge: 649

Interessierte Forumnutzer sollten sich, wie von Herrn Erb vorgeschlagen, die Beiträge unter Search --> Zinkpest ansehen.

Hierbei dreht es sich jeweils um gerätebezogene Einzeldarstellungen, also eine gute Ergänzung zu dem obenstehenden Beitrag.

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