Siemens Typ A – Fadenkathode und Röhreneigenschaften

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Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Siemens Typ A – Fadenkathode und Röhreneigenschaften 
04.Jun.22 12:53
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Gerhard Eisenbarth (D)
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Siemens Typ A – Welchen Einfluss hat die Fadenkathode auf die Röhreneigenschaften?

Bei der Durchsicht einer Röhrensammlung konnten drei noch funktionierende Röhren, Siemens Type A, begutachtet, vermessen und bewertet werden. In der folgenden Auswertung sind die drei Röhren mit Nr. 1, Nr. 2 und Nr.3 gekennzeichnet und die angegebenen Infos entsprechend zugeordnet. Da diese Ergebnisse auch für andere Sammlerkollegen interessant sein könnten, werden sie hier veröffentlicht.

                   Nr. 1                                     Nr. 2                                     Nr. 3

Bild 1: Die drei untersuchten Exemplare

 

Bevor man eine historische Röhre wie z.B. die Type „A“ in Betrieb nimmt, sollte man einige Dinge beachten und auch vorher überprüfen.

Zwei mögliche Veränderungen wurden vor Inbetriebnahme bei den drei Exemplaren besonders überprüft:

1) Heizfaden,   2) Vakuum

Zu 1) Heizfaden

Nach längerer Betriebszeit von Wolfram-Heizfäden entstehen Veränderungen in der Kristallstruktur, die zu deutlich sichtbaren Stellen in der Fadenstruktur führen können. Bei derartigen Veränderungen ist die Gefahr von Fadenbruch besonders hoch. Eine optische Inspektion mit einem Mikroskop ergab, dass die Heizfäden intakt sind. Es gab keine Anzeichen von Überlastungen, sichtbar an Rekristallisationserscheinungen an der Fadenkathode, siehe folgendes Bild [1, S297].

 

Bild 2: Sichtbare Rekristallisation

 

Zu2) Vakuum

Durch verschiedene Ereignisse, besonders durch Glasbruch oder undichte Stellen an den Quetschungen der Durchführungen, kann Luft in die Röhre gelangen und dadurch die Röhrenfunktion beeinträchtigen.

Ein wirksamer Test ist das Feststellen der Heizenergie für das Erreichen des Punktes der sogenannten „Ersten Glut“. Dazu steigert man langsam die Heizspannung unter Beobachtung des Heizfadens im abgedunkelten Raum. Sobald man den Punkt der ersten Glut erreicht hat, notiert man Heizstrom und Heizspannung. Die Temperatur der ersten Glut liegt bei ca. 500 Grad Celsius und benötigt eine für die jeweilige Röhre typische elektrische Leistung. Bei der Type „A“ liegt diese Leistung bei ca. 0,1 Watt. Erfordert die Röhre eine deutlich höhere elektrische Leistung für das Erreichen der „Ersten Glut“, besteht der Verdacht auf Vakuumverlust. Die entsteht dadurch, weil im Vakuum die Wärmeableitung deutlich geringer ist als in Luft. Erhöht man weiter die Heizspannung, bei Röhren mit Lufteinschluss, wird der Heizfaden durch den anwesenden Sauerstoff durchbrennen.

Bei Röhren mit intaktem Vakuum wird bei weiterem Steigern der Heizspannung eine weitere, wichtige Röhrenfunktion erreicht, der Punkt der beginnenden Emission. Den erkennt man daran, dass bei einer Anodenspannung von z.B. 100 Volt und einer Gitterspannung von 0 Volt, der Anodenstrom zu fließen beginnt. Bei der Type „A“ liegt dieser Punkt bei einer Fadentemperatur um ca. 1200 Grad Celsius und einer Heizleistung um 0,6 Watt.

Hat eine Röhre Luft gezogen, wird dieser Punkt nicht erreicht.

Hier gibt es allerdings eine Grauzone, die abhängig davon ist, ob eine Röhre vollständig belüftet ist oder ob noch ein Vakuumanteil vorhanden ist. Hier besteht die Gefahr einer Glimmentladung. Deshalb ist es ratsam, für diesen Fall einen Schutzwiderstand in die Anodenleitung einzuschalten.

Eine weitere Grauzone besteht im nicht bekannten Anteil von Thorium im jeweils verwendeten Wolframfaden. Dem Wolfram werden Thorium-Anteile zugemischt, die für eine Verbesserung der Verformbarkeit beim Herstellen der dünnen Fäden verwendet werden. Die Grauzone in der Emission besteht darin, dass eine geringfügige Mitwirkung des Thoriums an der Emission nicht ausgeschlossen werden kann. Dadurch bedingt kann die Emissionstemperatur etwas geringer sein als bei reinen Wolframfäden.

Betriebsdaten der Heizer bei 0,52 A

Nr. Heizspannung    Leistung  
1 2,60V 1,352W
2 2,80V 1,456W
3 2,79V 1,451W

Es wurden jeweils der Punkt der ersten Glut und der Punkt des ersten Anstiegs des Anodenstroms bei Anodenspannung 100V und Gitterspannung von 0 Volt ermittelt.

Nr.    erste Glut     Beginn Anodenstrom
1 0,43V / 0,23A 1,34V / 0,37A
2 0,38V / 0,22A 1,50V / 0,38A
3 0,41V / 0,23A 1,72V / 0,41A

 

Fotos von den Systemen im Bereich des Heizers

Bild 3: Röhre Nr. 1, Abstand 0,6mm

Bild 4: Röhre Nr. 2, Abstand 0,8mm

Bild 5: Röhre Nr. 3, Abstand 1,2mm

Bei der Lage der Kathode zum Gitter sind bei den drei Exemplaren deutliche Unterschiede vorhanden. Die daran anschließende Ermittlung der Kennlinien zeigen dann auch deutliche Unterschiede in ihren Verläufen.

Die Abstandsangabe von Kathode zum Gitter ist an der Position gemessen, die jeweils den geringsten Abstand zueinander haben. Von allen drei Exemplaren wurden Kennlinien aufgenommen.

In der nachfolgenden Kennliniendarstellung ist aus der Kennlinienschar jeder Röhre jeweils nur die Kennlinie für 120 Volt Anodenspannung gegenübergestellt. Auf Grundlage dieser Kennlinienwerte wurden dann die jeweiligen Röhren-Kennwerte ermittelt, die in der folgenden Aufstellung dargestellt sind:

Nr: Steilheit [mA/V] Durchgriff D Innenwiderstand [kOhm] Konstante K
1 0,11 0,09 105 0,000024512
2 0,12 0,08 107 0,000023123
3 0,09 0,08 140 0,000018134

 

Bild 6: gemessene Kennlinien der drei untersuchten Siemens „A“ Exemplare

 

Der Einfluss der gesamten Länge des Heizfadens zum Gitter und damit auf die wichtigen elektrischen Eigenschaften wie Verstärkung und Steilheit ist so eminent, dass die präzise genaue Konstruktion des Stanzgitters und die hohe Präzision bei der Montage von Anode und Gitter vollständig von der unsicheren Lage der Fadenkathode zunichte gemacht wird.

Eine folgerichtige Entwicklung wird von Siemens eingeleitet, die zur Type Mc führte. Mit der Type Mc hat Siemens einen Schritt in die Richtung vollzogen, um mit einer verbesserten Systemanordnung den negativen Einfluss eines durchhängenden Fadens als Kathode weiter zu reduzieren. In einem späteren Untersuchungsergebnis zur Type Mc werden dann dort weitere Einzelheiten aufgezeigt.

Bei der Vermessung der Kennlinien kann man dann noch einen Vakuumfaktor nach Barkhausen ermitteln. Betriebswerte:

Ua = 100V,  Ug1 = -2V,  Heizstrom = 0,52A.

Damit hat man einen Hinweis darauf, ob die jeweilige Röhre noch ein ausreichendes Vakuum besitzt. Die Messungen haben ergeben, dass nach Barkhausen die Werte für Röhre 1 und 3 grenzwertig sind und für Röhre 2 als „nicht gut“ bezeichnet werden kann.

Nach Barkhausen [2, S.19 - 22]:

„einen Vakuumfaktor V = 5 • 10-5 d.h. ein Vakuum von etwa 10-8 Atmosphären ab als gut bezeichnen."

Vakuumfaktor V der Röhren:

Nr. 1 0,00027
Nr. 2 0,00134
Nr. 3 0,00038
gut 0,00005 nach Barkhausen

 

Die Röhre 2 wurde weiter dahingehend untersucht, ob der schlechtere Vakuumwert schon zu nachweisbaren Nachteilen in den Röhrenfunktionen führt. Zunächst wurde die Möglichkeit von Gasentladungsvorgängen durch schlechtes Vakuum überprüft. Dazu wurde ein Schutzwiderstand in die Anodenleitung geschaltet und die Röhre durch eine negative Spannung am Gitter gesperrt. Die Anodenspannung wurde in Stufen bis auf 300 Volt eingestellt und eine mögliche Auswirkung beobachtet. Es waren keine Entladungsvorgänge oder blaues Leuchten feststellbar. Auch eine Beschaltung als Verstärkerstufe ergab keine negativen Ergebnisse wie erhöhtes Rauschen oder eine Rückkopplungsneigung, wie das bei Röhren mit geringer Gasfüllung beschrieben wird.

Meine Beurteilung: Die Röhre Nr. 2 ist trotz ihres schlechteren Vakuumfaktors voll verwendbar.

Der Eisenwasserstoff-Widerstand

Zu jeder Röhre wurde damals ein auf das Exemplar im Stromwert abgestimmter Eisenwasserstoff-Widerstand mitgeliefert. Für die Gewährleistung im Garantiefall war der Betrieb der Röhre mit diesem Vorschaltwiderstand innerhalb eines Betriebsspannungsbereichs vorgeschrieben. Eine Begründung dafür ist der Betrieb der Heizungen dieser Röhren, der mit Akkumulatoren vorgenommen wurde. Zwischen Lade-Endspannung und entladenem Akku ist der Spannungabfall zu hoch, um einen Röhrenheizer direkt zu betreiben. Für einen Betrieb von bestimmten Lampen, die ähnliche Einsatzprobleme haben, waren schon die Eisenwasserstoff-Widerstände erfolgreich im Einsatz und man hatte mit dieser Betriebsart für Fäden (Lampen oder Röhren) gute Erfahrungen.

Die Funktionsweise ist in Osram-Unterlagen gut beschrieben [3].

Bild 7: Betriebs- und Garantiehinweise

Bild 8: Eisenwasserstoff-Widerstand für den Betrieb einer Siemens Röhre Typ „A“

 

Bei den heutigen Möglichkeiten zur Spannungsversorgung sind diese Eisenwasserstoff-Widerstände nicht erforderlich. Es wird auch kaum noch derartige Widerstände geben, die auf eine Röhre abgestimmt sind, wenn der auf die Röhre abgestimmter Widerstand nicht mehr zur Röhre zugehörig vorhanden ist. Es gibt noch einen Grund, warum man diese Widerstände nicht verwenden sollte, wenn man die Röhre nicht mit einem Akkumulator betreibt. Bei relativ schnellen Spannungsänderungen reagiert der Widerstand zu träge, weil seine Regeleigenschaften von der Temperatur des Eisenwasserstoff-Widerstands abhängig ist. Bei einer langsam sich ändernden Spannung eines Akkumulators während des Betriebs, gleicht sich der Heizstrom ohne Probleme an. Bei Netzbetrieb würden sich schnelle Spannungsänderungen direkt im Heizkreis auswirken, weil sie nicht schnell genug vom Eisenwasserstoff-Widerstand ausgeregelt werden. Wie sich das auf den Heizer auswirkt, ist nicht vorhersehbar.

Literaturhinweise:

[1] Physik der Glühelektroden, Prof. Dr. W. Schottky, Dr. H. Rothe, 1928, Akadem. Verlags-GmbH, Leipzig

[2] Lehrbuch der Elektronenröhren, H. Barkhausen, Band 1, 1965, Hirzel Verlag, Leipzig

[3] Osram Liste 16, Eisen- und Konstantan-Widerstände, März 1938, Osram GmbH

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