siera: S106U (S 106 U); Restaurationsbericht

ID: 62093
Dieser Artikel betrifft das Modell: S106U 1941 (Siera; Belgien)

siera: S106U (S 106 U); Restaurationsbericht 
21.Aug.05 18:21
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Hans-Dieter Haase † 5.2.18 (D)
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Hans-Dieter Haase † 5.2.18

Befund:
Das Gerät befand sich in einem schlechten und umgebauten Zustand. Die Entscheidung für den Erwerb war die Tatsache, dass es sich um die KW-Version des Kommissbrotes handelte.

Die linke Gehäuseseite war auf der gesamten Breite gerissen, die Lautsprecherbespannung war zerschlissen, die Endstufe war auf UL84 (einschl. Fassung) umgebaut worden, ein zusätzliches Wärmeleitblech war eingebaut, zusätzliche Lüftungslöcher waren in die Gehäuseunterseite gebohrt, Gummipuffer waren unter das Gehäuse geschraubt, die Gummiisolation der Verdrahtungsdrähte war verhärtet und zerbröselte bei der geringsten Berührung, der 55 Ohm-Teil des Vorwiderstands im Heizkreis war entfernt worden und durch einen separaten Drahtwiderstand ersetzt, der Drehko hatte einen nicht zu beseitigenden Plattenschluss durch ausgeschlagene Rotorlagerung, die Glimmlampe zur Betriebsanzeige war durch eine 220V-Type ersetzt (mit der entsprechenden Schaltungsänderung), das Lautstärke-Poti war durch Reparaturversuche stark beschädigt, die Netzzuleitung war eine moderne PVC-Leitung mit Schukostecker, Rückwand verrostet, Antennenbuchse ausgebrochen.
Das Gerät spielte sehr leise mit häufigen Aussetzern beim Abstimmen, starke Krachgeräusche beim Betätigen des Lautstärke-Potis, ca. 265 mA Stromaufnahme und Gerüche von verbranntem Staub.
Soweit die Bestandsaufnahme, ich habe hoffentlich nichts vergessen.

Ausgeführte Arbeiten:
Alle og. Mängel wurden behoben.
Die Schaltung wurde wieder auf UBL21 zurückgebaut und alle nicht zur Originalschaltung gehörenden Komponenten entfernt.
Am schwierigsten war die Reparatur des Drehkos. Hier musste eine mit Schraube und Kontermutter justierbare rückseitige Rotorlagerung eingebaut werden. Anders ließ sich der Plattenschluss nicht beseitigen.
Ebenfalls musste das Lautstärke-Poti ausgewechselt werden, da es nicht mehr zu reparieren war. Da die üblichen Potis im Gegensatz zum Original Zentralbefestigung besitzen, musste hier ein Befestigungsblech mit 10mm-Bohrung eingelötet werden.
Da bei den meisten Verdrahtungsleitungen die Isolation zerbröselte, wurden diese aus Betriebssicherheitsgründen ebenfalls ausgewechselt.
Der 55 Ohm-Widerstand im Heizkreis wurde durch eine kleinere Bauform ersetzt und der besseren Optik wegen unter das Chassis verlegt.( Ein Original des gesamten Widerstandes mit Abgriffen war leider nicht zu beschaffen).
Der zerschlissene Lautsprecherstoff wurde mit beigefarbenem Sprühlack (Rostschutzfarbe, matt) stabilisiert. Das Abschirmblech war nicht sauber zu bekommen. Es wurde deshalb mit Stahlwolle abgeschliffen und mit Zinkspray gespritzt.
Bei der Netzzuleitung wurde der Schnürsenkeltrick angewendet, da gerade keine passende textilumsponnene Leitung vorhanden war.
Der Doppel-Elko im Netzteil war früher schon einmal ausgewechselt worden und konnte beibehalten werden.
Erstaunlicherweise waren die schwarzen Blockkondensatoren vom Isolationswiderstand her ok und konnten belassen werden.
Abgleichversuche wurden nicht vorgenommen, da Skaleneichung und Empfangsleistung in Ordnung waren. Lediglich der nichtoriginale Keramiktrimmer im MW-Vorkreis wurde gegen einen bei diesen Geräten üblichen Drahttrimmer ausgetauscht.
Das Gehäuse wurde einer Radikalkur im Geschirrspüler unterzogen. Der Riss wurde mit Sekundenkleber geklebt und die Löcher auf der Unterseite mit eingefärbtem Kunstharzspachtel verschlossen. Zum Schluss wurde das ganze mit Autopolitur poliert.
Die Rückwand wurde entrostet, neu gespritzt und eine neue Antennenbuchse eingesetzt

Die folgenden Fotos zeigen den Zustand links vor und rechts nach der Restaurierung/Reparatur:

 

  






































































Ein so restauriertes Gerät befindet sich natürlich nicht mehr im Originalzustand, aber das war es vorher erst recht nicht. Andere Restauratoren mögen zu anderen Ergebnissen kommen. Meine Bemühungen zielen im Allgemeinen darauf ab, ein betriebsfähiges und betriebssicheres Gerät zu erhalten, welches optisch weitestgehend dem Original entspricht. Dabei zu berücksichtigen ist, dass die erforderlichen Materialien auch in einer endlichen Zeit zu beschaffen sind. Kompromisse müssen also immer gemacht werden.

Hans-Dieter Haase

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Nachtrag 
28.Aug.05 12:49

Hans-Dieter Haase † 5.2.18 (D)
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Hans-Dieter Haase † 5.2.18

Nach dem Prinzip der größten Gemeinheit kommt es ja meistens noch schlimmer.
Nach dem Einbau in das Gehäuse und anschließender Funktionsprüfung zeigte sich auf Mittelwelle nur leiser und verzerrter Empfang, der dann ganz aussetzte. Kurzwelle war nicht betroffen aber hier ergab sich beim Abstimmen auf einen Sender ein Heulton (akustische Rückopplung auf den Drehko).
Also das Ganze wieder ausbauen und nun doch richtig in die Schwingkreise einsteigen. Die im RM bei der Philips 204U hinterlegten Pläne waren bei der Identifizierung der Spulenanschlüsse eine große Hilfe.
Der Drehko wurde nochmals ausgebaut. Es zeigte sich, dass das Rotorpaket immer noch etwas verzogen war und außerdem nicht genau mittig justiert war. Hierdurch ergeben sich erhebliche Kapazitätsverwerfungen. Außerdem stimmte die Kapazität des Padding-C's nicht. Hier war statt 400pF ein 250pF-Kondensator  eingebaut.
Die Korrektur dieser Fehler und ein Abgleich brachte auf Mittelwelle aber immer noch keine Abhilfe. Es blieb leiser verzerrter Empfang.
Es wurden alle Bauteile in der Mischstufe und im Oszillator überprüft und alle Spannungen und der Gitterstrom des Oszillators gemessen. Auch hier ergaben sich keine Auffälligkeiten. Erst durch Zufall, beim Messen der Anodenspannung des Oszillators und gleichzeitiger Betätigung der Abstimmung, stellte sich lautstarker Empfang auf Mittelwelle ein.
Eine Verstimmung des Oszillators, die auch auftrat, hätte ich erwartet aber keine gravierende Verbesserung des Empfangs. Der versuchsweise Einbau eines Dämpfungswiderstandes brachte keine Änderung, aber der Einbau eines Kondensators von der Anode des Oszillators nach Masse brachte den Erfolg. Die optimale Größe dieses Kondensators betrug 16 pF.
Das Ganze ist natürlich unbefriedigend, aber wurde erst einmal so belassen. Möglicherweise ist ja die MW-Oszillatorspule nicht in Ordnung, aber diese auszubauen und den Becher zu öffnen habe ich nicht gewagt. Hier kann man nur etwas verschlimmbessern. Vielleicht kann mir ja jemand noch einen Tipp geben.

Hans-Dieter Haase

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26.Feb.18 15:04
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Ernst Erb (CH)
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Ernst Erb

Da wir zu jener Zeit die Beitragsaufrufe noch nicht zählten, interessiert es mich anlässlich des Nachrufs für OM Hans-Dieter Haase, wie das bei seinem Beitrag von 2005 gelaufen ist. Die Zählung lief erst einige Jahre danach, also sind die Zahlen (unten rechts) auch nur entsprechend der "späteren Zeit".

OM Haase ist viel zu früh von uns gegangen. Hier kann man aber sehen: Unsere Werke bleiben - und das einzige was uns "danach" ausmacht, sind unsere Taten in Erinnerung anderer Menschen und unsere Werke, die andere sehen, hören oder erfahren können.

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