stassfurt: 5 (5W); Imperial; Midget 5WL

8
ID: 359205
stassfurt: 5 (5W); Imperial; Midget 5WL 
06.Oct.14 11:30
2272
8

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 6
Dietmar Rudolph † 6.1.22

"He Du, ich habe da was ersteigert. Für Dich. Du bist doch auf Staßfurt Imperial 5W spezialisiert?! Den bekommst Du bestimmt wieder hin!"  Und so kommt man zum dritten Gerät dieses Typs, weil es ein Sammlerfreund gut mit mir meinte.
Klar, das ist der "Dritte im Bunde" (mit Nr. 24640), ein Imperial 5WL, der bereits beim Vergleich der Chassis der anderen Imperial 5W einbezogen war.

Nun war also die Reihe am 5WL mit der Restauration. (Sicher, unter Restauration versteht fast jeder etwas anderes. Für mich ist ein Radio ein Gerät, das Rundfunk-Sender empfängt und deren Programme gemäß dem technischen Stand seines Baujahres wiedergeben kann. Die Schaltung für die Lautsprecher-Röhre wurde daher auch auf die RENS1374d umgebaut - in Ermanglung einer funktionsfähigen RES374.)
Bei diesem Gerät waren folglich (leider) alle Kondensatoren zu ersetzen. Drei Widerstände konnten belassen werden, weil sie ihren Wert nur um weniger als 10% vergrößert hatten. Details dazu weiter unten.

Fehler im Schaltbild

Bei dieser Gelegenheit wurde auch das bisherige ("korrigierte" !) Schaltbild überprüft. Und siehe da, man entdeckt neue Fehler, die sich in allen bekannten Schaltbildsammlungen befinden. (Die haben ja doch alle von einander abgeschrieben, also Plagiate!) 

Den Anstoß gab der rückwärtige Schalter für die "Klangfarbe" beim Gerät Nr. 24640.

Im Schaltbild ist dieser Schalter beim Demodulator (Audion) RENS1204 zu finden. Er ist in diesem Schaltbildausschnitt mit "Klang" bezeichnet. Wird der Schalter geschlossen, so verringert sich die Grenzfrequenz des NF-seiteigen Tiefpasses und der Klang wird dunkler, oder "voller", wie man das früher empfand. 

Dieser Schaltkontakt wurde bei den bisherigen Schaltbildern fälschlicherweise dem Kontakt Nr. 10 des Wellenschalters zugeordnet. Eine Inspektion dieses Kontaktes und der zugehörigen Leitungsführung zeigt, daß dies ein Kontakt ist, der in sämtlichen bisherigen Schaltbildern fehlt! Im folgenden Schaltbildausschnitt ist er nun aber eingezeichnet.

Dieser Kontakt Nr. 10 unterbricht bei "Tonabnehmer-Betrieb" die Anodenspannung der Mischröhre RENS1204. Auf diese Weise wird verhindert, daß bei Schallplattenwiedergabe ein Sender "durchschlägt", also zu hören ist. In den '30er Jahren ist das eine gängige Technik, insbesondere wenn, wie beim Imperial 5W/5WL, das Audion in der ZF auch als NF-Vorverstärker bei Plattenspieler-Betrieb verwendet wird.

Da alle bekannten Imperial 5W "Truhen" an ihrer Rückseite keinen Klangschalter haben, gibt es bei diesen auch keine "Klangblende" wie beim Imperial 5WL mit der Nr. 24640. Der in den bekannten Schaltplänen eingezeichnete Schalter für den "Klang" existiert also bei den bekannten Truhen nicht. Ebenfalls fehlt der zugehörige 500pF Kondensator im Schirmbecher hinter dem Audion mit der RENS1204. (Also auch das ein Fehler in den bekannten Schaltplänen.)
Aber auch nicht alle Imperial 5WL haben diesen Klangschalter, wie das Beispiel bei den Modellen zeigt.

Das Modell mit der Nummer 24640 scheint daher ein spätes Modell zu sein.
(Beim Nachfolge-Modell vom Imperial 5W/WL, dem Imperial 5aW/aWL, gab es als Verbesserung einen Drehkondensator - statt eines geschalteten Kondesators - wodurch sich der Klang kontinuierlich "dunkler" hat stellen lassen. Der 5aW/aWL hat deshalb auch rechts einen "Doppel-Knopf". Auf diesem Bild beim Modell ist das deutlich erkennbar.  Die anderen dort gezeigten Bilder sind m.E. falsch und zeigen das Modell Imperial 5W.)

Für ein spätes Modell bei der Nr. 24640 spricht auch der Text der Rede, die Herr Schulte von der Staßfurter Rundfunkgesellschaft am 15. bzw. 16. August 1932 vor der Händlerschaft bzw. der Presse anläßlich der Vorstellung des Imperial 5 gehalten hat. Aus der GFGF Schriftenreihe zur Funkgeschichte Band 2 von Conrad v. Sengbusch liest man zum Thema "Tonblende":
"Es ist vielfach die Ansicht verbreitet, daß erst die Tonblende eine gute Wiedergabe bringt. Wir haben von diesem Anwendungsmittel niemals Gebrauch gemacht, sondern die Frequenzlage des Lautsprechers veränderlich gestaltet."

Die bisher bekannten Schaltbilder geben also (abgesehen von deren Fehlern) einen späteren Stand wieder, als auch Staßfurt offensichtlich nicht mehr um die "Mode" einer Tonblende herum kam.

Ersetzen sämtlicher Kondensatoren

Auch bei diesem Gerät waren alle Kondensatoren zu ersetzen. Die Elkos waren zwar bereits nicht mehr original, ließen sich jedoch nicht mehr formieren. Die Wickel in den Bechern waren alle aufgequollen. Eine Messung z.B. des 4µF Blocks ergab ca. 50 mA Leckstrom bei 250V! Ähnlich schlimm sah es bei allen Kondensatoren in den Bechern aus. Die beiden 0,1µF Wickel der Kondensatoren bei der Gleichrichterröhre RGN1064 wurden durch 10nF/2000V Kondensatoren ersetzt. Der Glättungs-Elko wurde durch einen Doppelelko mit 50 + 100µF ersetzt und dazwischen ein 12kΩ Siebwiederstand für die Empfangsschaltung geschaltet, womit der "Netzton" (Netzbrummen) besser reduziert werden kann. (Das Gerät soll ja wieder benutzt werden.)

Die Rollkondensatoren waren alle gequollen, was sich so äußerte, daß die Verschlußmasse zu beiden Seiten über das Röhrchen hinausragte. Sie wurden durch "neuere" Kondensatoren ersetzt, die alle (gemessene) Verlustwiderstände größer als 1GΩ haben.

Beim Funktionstest zeigte sich dann, daß auch der Padding-Kondensator für Mittelwelle defekt war. Er hatte Kurzschluß. Obwohl der Becher für die Oszillatorspule bei diesem Gerät etwas höher ist als bei den anderen Geräten, war die Oszillatorspule doch identisch mit der vom Gerät Nr. 02804. Siehe hierzu den Bericht zur "Kondensator-Kur" beim Imperial 5W.

Der MW-Padding-Kondensator ist links zu sehen und besteht aus einem Messingröhrchen, auf das (isolieret) eine Drahtwicklung als Gegenelektrode aufgebracht ist. Als Ersatz wurden Styroflex-Kondensatoren eingebaut.

HF und ZF Filter

Das eingangsseitige Bandfilter und der Einzelkreis hinter der HF-Stufe mit der RENS1264 ließen sich mit Hilfe der Trimmer auf dem 4-fach Drehko gut abgleichen, so daß sich im gesamten MW Bereich eine Durchlaßkurve ohne Welligkeit ergab, die (aus physikalischen Gründen) bei 500kHz eine geringere Bandbreite hat als bei 1400kHz.

Die ZF-Filter zeigten die bei den anderen Geräten gemessene Form, sind also in Ordnung. Die Mittenfrequenz liegt aber nicht bei 124 kHz wie im Schaltbild angegeben, sondern bei 122 kHz. Typische gemessene ZF-Durchlaßkurven finden sich hier.

Probleme mit dem Mischer

Der Mischer mit der RENS1204 ist ein selbstschwingender Katoden-Mischer (mit den bei Pitsch geschilderten Problemen). Mit der vorhandenen (nicht mehr ganz taufrischen) RENS1204 setzte die Schwingung unterhalb von ca. 1MHz aus. Darüber schwang sie ausreichend gut.

Im ersten Versuch wurde die RENS1204 (Tetrode) durch eine RENS1264 (Pentode) ersetzt. Die schwang dann zwar, zeigte sich aber "völlig unbeeindruckt" von der Stellung des Drehkondensators. (Pitsch: Störwellen-Erregung)

Ein weiterer Versuch war, vom Steuergitter ca. 60pF direkt nach Masse zu schalten (parallel zum 100kΩ Widerstand, siehe den 2. Schaltbildausschnitt). Damit konnte auch bis 520 kHz herunter die Oszillatorschwingung sicher gestellt werden.
Das war aber keine brauchbare Lösung, weil nun die Serienschaltung von den 100pF (am Steuerguitter der RENS1204) und des 60pF gegen Masse den 3. Schwingkreis "belasteten", so daß der Abgleich für das eingangsseitige HF-Bandfilter darunter litt und die gesamte Durchlaßkurve dieses Filters unbrauchbar wurde.

Da die RENS1264 (die eine höhere Stelheit hat als die RENS1204) beim 1. Versuch geschwungen hat, wurde nun im 3. Versuch die RENS1204 mit höherer Steilheit betrieben. Da deren Steiheit vom Arbeitspunkt abhängt, mußte folglich der Schirmgitter-Vorwiderstand entsprechend verkleinert werden. 

Dieses Problem war augenscheinlich (im Laufe der Zeit) auch bei Staßfurt aufgefallen. Im obigen 2. Schaltplanausschnitt ist dieser Widerstand nämlich mit "1 MΩ (0,4 MΩ)" angegeben. 400kΩ brachten aber noch keine Lösung. Vielmehr mußte der Widerstand schließlich auf 200kΩ verkleinert werden, damit auch mit einer 80jährigen RENS1204 die Schwingung nicht mehr aussetzte.

Widerstände fast alle viel zu groß

Fast alle Widerstände hatten mittlerweile sehr viel größere Werte als ihrem aufgedruckten Wert entsprach. Sie mußten deshalb durch passende Widerstände (älteren Typs mit aufgedrucktem Wert, keine Farbringe) ersetzt werden. Widerstände, die unterhalb der 10% Grenze bleiben, wurden belassen. Eine "löbliche Ausnahme" bildete der 500Ω Widerstand am Fußpunkt des Eingansbandfilters (In allen Schaltbildern ist hier fälschlich 0,5 MΩ angegeben).  Er hat tatsächlich noch 500Ω.

500kΩ wären an dieser Stelle deshalb nicht geeignet, weil dann bei Anschluß der Antenne an Buchse 2 ein Netzbrummen "eingefangen" würde, das zu Brumm-Modulation führen würde.
(In diesem Bild sieht man auch, wie der 40nF Kondensator (am Fußpunkt des Eingangsbandfilters) seine Dichtungsmasse "herausschiebt", weshalb er ersetzt werden mußte.)

Das Potentiometer für die (HF mäßge) Einstellung der Lautstärke war ebenfalls defekt, konnte aber repariert werden.

Änderung bei der Ankopplung des KW-Vorsatzes

Während die Schaltungsanalyse bei den Truhen ergab, daß der Ausgang des KW-Umsetzers direkt mit dem Steuer-Gitter der HF-Vorstufe (RENS1264) verbunden ist (2. Drehko-Paket), zeigt die Analyse beim Gerät 24640, daß hier eine Verbindung zum ersten Drehko-Paket besteht.
 

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.