Superregenerative- (Pendel-) Empfänger

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Superregenerative- (Pendel-) Empfänger  
13.Aug.09 14:37
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

 

E.H. Armstrong (USA) hat sich den Superregenerative Receiver 1922 patentieren [1] lassen. Im deutschen Sprachraum „Pendelempfänger“ genannt.
 
Die Empfangsempfindlichkeit dieser Anordnung war für die damalige Zeit außerordentlich hoch, was er auch demonstrieren konnte. Danach wurde eine Vielzahl an Varianten publiziert. Mich sprach dieses Bild besonders an:
 
 
Eine ähnliche Abbildung ist als Titelbild des Radioamateur-Magazins QST von August 1922 zu sehen.
Dort findet man Armstrongs Schaltung mit Beschreibung der einzelnen Komponenten. Mit diesen Vorgaben war es möglich, eine Brettaufbau zu erstellen mit dem Ziel, selber Untersuchungen nach der genauen Funktion machen zu können.
 
 
Einziges Problem dabei sind die damals verwendeten Röhren (Hellglüher). Diese habe ich nicht. Als Ersatz wurden andere Trioden (mit Oxidfaden) eingesetzt. Das machte eine abweichende Arbeitspunkteinstellung erforderlich. Mit dieser kleinen Anpassung funktionierte der Nachbau auf Anhieb.
 
Mit Hilfe von modernen Messgeräten kann man nun Schritt für Schritt die verschiedenen Signale sichtbar machen und auf diese Art und Weise die Funktionen erklären. Dieses Vorgehen hat meinen persönlichen Vorzug, macht es mich im gewissen Sinn unabhängig von den theoretischen Ausführungen von Barkhausen, Pitsch oder Mr. Insam. Ich kann (leider) deren Auseinandersetzungen nur teilweise verstehen. Der Grund, mir fehlt ganz einfach die nötige Vorbildung....
Mein Trost: ich stehe da nicht alleine!
 
Und nicht zu vergessen, da sind auch noch die ausführlichen Erklärungen (7 Seiten, dichtbedruckt) vom Erfinder selbst. Ist über Internet abrufbar. Nach meinem „Lehrgang“ Superregen. konnte ich erleichtert sagen: „Ach, soo simpel ist das alles. Ich hatte schon Angst, dass es kompliziert werden könnte!“
 
 
Funktionsbeschreibung
Hier die originale Schaltung aus der QST

 
Das ist meine Version
 
 
Ganz links sehen wir Röhre R als Oszillator nach Meißner zur Erzeugung von HF-Schwingungen auf der Empfangsfrequenz. Diese liegt für meine Experimente bei 1100 kHz (Mitte MW-Bereich).
 
Die darauffolgende Röhre O hat drei Funktionen:
 
1. Als NF-Oszillator zur Erzeugung der Pendelfrequenz (10 ... 12 kHz)
Dieser Oszillator arbeitet nicht nach Meißner, sondern war ebenfalls eine Erfindung [2] von Armstrong aus 1914. Die beiden großen Spulen L3 und L4 sind nicht magnetisch gekoppelt! Die Rückkopplung geschieht durch Kondensator C4. Mehr dazu hier.
Armstrong hat C4 variabel gemacht, um die Amplitude der Pendelschwingungen regeln zu können. Allerdings wird auch deren Frequenz damit verändert. Die HF-Drossel L5 verringert den Einfluss der Kapazitätsvariation von C4 auf den Eingangskreis L1 – C1.
Parallel zu C3 habe ich noch einen Drehko (ca. 2x 500 pF) geschaltet. Damit lässt sich die Pendelfrequenz geringfügig ändern, so dass deren Oberwellen nicht mit der Empfangsfrequenz interferieren.
 
2. Als getaktete Belastung des Eingangskreises über den Link.   
 
3. Als Detektor für die HF-Schwingungen, welche über den Link vom Eingangskreis (via L3 - C3) dem Gitter von Röhre O zugeführt werden.
 
Dieser Link ist eigentlich das Elementäre in der gesamten Schaltung!

Die Rückkopplung von Röhre R wird so eingeregelt, dass auch ohne Antennensignal der Eingangskreis zu schwachen Schwingungen angeregt wird. Röhre O ist über besagtem Link dem Eingangskreis parallelgeschaltet, wirkt also bedämpfend. Diese Dämpfung ist nicht konstant, sondern ändert sich im Rhythmus der Pendelfrequenz! Somit werden im 10 ... 12 kHz Takt die HF-Schwingungen ausgelöscht, besser gesagt, abgewürgt (Engl. „quench“). Übrig bleiben Schwingungsblöcke, die ich „Bursts“ nenne.
 
Die Amplitude dieser Bursts ist abhängig von der Antennenspannung und –nach Intergration an C5- folgen die Anodenstromschwankungen in Röhre O der Modulation. Diese werden an den NF-Trafo weitergegeben und in Röhre A verstärkt.

Es leuchtet ein, dass an der Anode ebenfalls die Pendelfrequenz sehr dominant vorhanden ist. Armstrong hat zur Reduzierung derselben einen Saugkreis (L6 - C6) eingefügt und soll eine Übersteuerung der Endröhre A verhindern.
 
 
Room for Improvement
Bei meinen Untersuchungen am Superregen. Empfänger fiel mir auf, dass die Empfangsschwelle –wie erwartet- deutlich niedriger als bei einem herkömmlichen Audion mit Rückkopplung ist, aber die Lautstärke eines mit 60% modulierten Testsignales doch ziemlich leise aus dem Lautsprecher (im originalen Schaltbild ist ein Kopfhörer vorgesehen) kam. Dagegen waren die Reste der Pendelschwingungen an der Anode von Röhre A noch verhältnismäßig hoch auf dem Scope zu erkennen. Etwas Abhilfe brachte der Kondensator parallel zur Sekundärwicklung des NF-Trafos, wodurch Frequenzen über 5 kHz abgeschwächt werden.
 
Aha-Effekt
Ein bei X in den Anodenstromkreis von Röhre R eingefügtes Amperemeter zeigte eine starke Variation sobald ich die Antennenspannung änderte.
Das brachte mich auf die Idee, warum koppelt man nicht die NF –wie üblich- an der Anode aus? Diese Idee ist übrigens nicht neu, wurde schon in der ursprünglichen Patentschrift [1] z.B. unter Fig.6 oder 12 vorgeschlagen.
 
 
Hier die angepasste Schaltung:
 
 
Was wurde geändert?
Um Röhre R erkennt man sofort eine normale Audion-Schaltung, mit Gitterkombination und induktiver Rückkopplung. Die Anodenstromschwankungen werden nun direkt dem NF-Trafo zugeleitet! Mit R1 optimiere ich den Arbeitspunkt des Audions.
Röhre O dient jetzt nur noch zur Erzeugung der Pendelschwingungen mit der schon beschriebenen rhythmischen Belastung des Eingangskreises über den Link.
Die Einstellung der Pendelschwingungsamplitude mache ich mit R2, bei nur geringer Frequenzverwerfung.
 
Die Ohren fielen mir vom Kopf,
solch eine Verbesserung habe ich nicht erwartet.
Ein Lautstärkepoti R3 war dringend erforderlich! Und, die vormaligen Pendelfrequenzanteile sind kaum noch vorhanden. Der Saugkreis kann entfallen!
 
 
Die Abläufe genauer betrachtet
Dazu koppele ich an MpA die von Röhre R generierten HF-Schwingungen (= Bursts) aus und gebe diese auf den oberen Kanal meines Oszillografen.
Wichtig ist der zeitliche Zusammenhang mit den sinusförmigen Pendelschwingungen, welche ich am am Gitter von Röhre O abnehme. Diese stehen über einen Tiefpass (4,7 mH und 300 pF, in der Schaltung weggelassen) an MpB zur Verfügung. Damit unterdrücke ich die dort ebenfalls vorhandenen HF-Schwingungen, was die Präsentation nur übersichtlicher macht.
 
 
 
Der obere Kanal zeigt bei einem schwachen Antennensignal (unmoduliert) Bursts mit nur geringer Amplitude. Die darunter abgebildete Sinusschwingung an MpB kann man als Dämpfungskurve interpretieren. Sobald die Gitterspannung der Röhre O negativer wird, nimmt die Impedanz zu, d.h. die Belastung des Eingangskreises L1 – C1 (über den Link) nimmt ab.
Kurz vor dem Minimum werden HF-Schwingungen angefacht (Aufschaukelung), dann aber durch die kontinuierliche Änderung der Gitterspannung in positiver Richtung (= zunehmende Belastung) wieder abgebaut, um dann bei der niedrigsten –Ug zu verlöschen. Das wiederholt sich fortlaufend.
 
Das zweite Bild zeigt die Verhältnisse bei einem starken Antennensignal.
Hierdurch wird der Eingangskreis viel stärker zu Schwingungen angeregt. Schon bei moderater Belastung beginnt die Aufschaukelung. Die resultierenden Bursts sind daher breiter und höher auf dem Bildschirm sichtbar! Der mittlere Anodenstrom von Röhre R geht zurück.
 
Bei einem in der Amplitude modulierten Antennensignal haben wir es mit oben erklärten Änderungen zu tun. Man kann auch sagen: Die Audionschaltung (Röhre R) detektiert ihre selbst erzeugten Schwingungen, deren Amplitude proportional der Antennenspannung folgt.  
 
 
 
Dass bei minimaler Belastung (höchste –Ug) nicht die volle Amplitude an MpA erscheint, hängt mit dem Einschwingverhalten von L1 – C1 zusammen. Die Pendelschwingung verhindert ein weiteres Ansteigen! Es muss nämlich sichergestellt sein, dass die HF-Bursts jedesmal total verlöschen!
  
Abhilfe bringt nur eine Dehnung des Zeitraumes, was einer Erniedrigung der Pendelfrequenz entspricht. Ich habe das mal probehalber durchgeführt und –in der Tat- die Lautstärke nimmt zu! Allerdings kommen wir dann in den Bereich (ca. 7 kHz), welcher zu dicht am nutzbaren NF-Spektrum liegt.
 
Der Vollständigkeit halber sollte man noch erwähnen, anstatt im Rhythmus der Pendelfrequenz die Dämpfung des Eingangskreises zu beeinflussen, kann man auch die Anodenspannung von Röhre R mit der Pendelschwingung „modulieren“. Sinkt diese unter einem bestimmten Wert, reißen ebenso die in dieser Röhre erzeugten Bursts ab. Armstrong hat hierzu in seiner Patentschrift [1] Schaltungsbeispiele angeführt. Auch eine Kombination beider Verfahren ist machbar.
 
 
Welche Vor- und Nachteile bringt dieser MW-Superregenerativ-Empfänger?
 
Als größten Vorteil nenne ich die mehr als zehnfach erhöhte Empfindlichkeit, die sich eigentlich nur für Telegrafieempfang ausnutzen lässt. Vom Signal / Rauschverhältnis mal ganz zu schweigen! Jedoch, ein geübter Marconist ist in der Lage, schwache Morsezeichen aus dem Störnebel zu entziffern.
Mit anderen Worten, ein genussreicher Rundfunk-Fernempfang ist auf Grund der lästigen Interferenzen und anderen Störtönen nicht möglich.
 
Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang an früher gemachte Funkverbindungen –ebenfalls in Telegrafie- die über den Umweg des sehr inhomogenen Polarlichtes (Aurora) von den Niederlanden nach Schweden, Finnland und Russland liefen. Und zwar auf 144 MHz!! Das menschliche Ohr ist in der Lage, im Rausch- und Störnebel ein anders gefärbtes Rauschen (= Nutzsignal) herauszufiltern.
 
Ein weiterer Nachteil ist der prinzipielle Rücklauf der Empfindlichkeit mit zunehmender Wellenlänge (bei gleichbleibender Pendelfrequenz), was in dem schon angeführten Einschwingverhalten des HF-Kreises begründet ist.
Vorteilhaft ist, dass die hohe Empfindlichkeit nicht mit einer Beschneidung des NF-Bereiches -wegen zu kleiner Bandbreite- erkauft wird. Andererseits geht dadurch auch die Selektivität verloren. Das ist aber bei der heutigen Senderdichte unabdingbar.
 
 
Nicht zuletzt sollte man die Störstrahlungen der einfachen Superregen. Empfänger erwähnen. Denn, auch eine Rahmenantenne sendet aus ....
 
 
Fortsetzung folgt
Natürlich werde ich noch weitere Experimente mit den sehr interessanten Pendelempfängern machen. Geplant sind auch vergleichende Messungen im Freifeld mit der Rahmenantenne.
Ebenso Beachtung schenke ich den vorgeschlagenen Verbesserungen vom Erfinder selbst....
 
 
 
Quellenverzeichnis
[1]  US Pat. 1 424 065 „Signaling System“
[2]  US Pat. 1 113 149
 

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