Vox-Haus-Sender Berlin: Der erste Berliner Rundfunk-Sender

ID: 24786
Vox-Haus-Sender Berlin: Der erste Berliner Rundfunk-Sender 
02.May.04 13:11
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Innerhalb 14 Tagen baute der Postdirektor Friedrich Weichart im Jahre 1923 den ersten deutschen Rundfunk-Sender in Berlin. Dieser wurde in Berlin im damaligen Vox-Haus in einer Dachkammer installiert. Die Antenne befand sich auf dem Dach dieses Hauses.

Es war eine Zeit großer Inflation
Obwohl man Milliarden oder gar Billionen als Geldscheine bekam, hatte man trotzdem praktisch kein Geld, weil man für die bunten Papierchen nicht viel kaufen konnte. Unter solchen Randbedingungen einen neuen Dienst, den Unterhaltungs-Rundfunk, einzurichten war schon mutig von der Reichspost.

Kein Wunder, daß von Dr. Bredow, dem damaligen Vorgesetzten von Friedrich Weichart, zur Bedingung gemacht wurde, daß der Sender nichts kosten dürfe. Daher mußte auf vorhandene Mittel im Labor des damaligen Funk-Betriebsamtes zurückgegriffen werden.

Technisch handelt es sich um einen selbsterregten einstufigen Sender (eigentlich einen Oszillator S in Meißner'scher Rückkopplungs-Schaltung), der mittels einer zweiten Röhre M (in der sog. Heising-Schaltung) moduliert wurde.

Stromversorgung und Probleme damit
Die Stromversorgung bezog dieser Sender aus einem Gleichstrom-Generator für die Heizung und von einem 1KHz Wechselstom-Generator für die Hochspannung. Nach der Gleichrichtung mittels eines Gas gefüllten Gleichrichters (nach heutiger Lesart wären im Schaltbild Halbleiter-Dioden dargestellt, die es zur damaligen Zeit nicht gab) und der nur unvollständigen Glättung mittels eines einzigen Kondensators, blieb eine Restwelligkeit mit der Grundfrequenz 2 KHz. Da das Ohr gerade auf dieser Frequenz besonders empfindlich ist, war der Pfeifton gut hörbar. Trotzdem war die Sensation perfekt. Allerdings konnte die erreichbare technische Qualität auf Dauer nicht überzeugen, zumal die Kommutier- und Kratzgeräusche des Gleichstromgenerators noch hinzu kamen.

Der Post eigene VoxHaus Sender (Sender 1) wurde schon zu Weihnachten 1923 außer Betrieb genommen und durch einen Sender von Telefunken (Sender 2) ersetzt. Der Post-Sender blieb als Reserve-Sender vorläufig bestehen.

Der Post-Sender war auf 4 senkrechte hölzerne Tafeln (Gestelle) montiert. Im Unterschied dazu war der Telefunken-Sender auf einem Tisch montiert. Von dem Telefunken-Sender existiert ein Photo, während von dem Post-Sender "nur" eine Abbildung existiert.

Der Text des Beitrages wurde dem Rundfunk Jahrbuch 1930 entnommen und für www.radiomuseum.com neu kompiliert, damit das File kleiner wird als es bei einem Scan geworden wäre.

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28.May.06 11:23

Eduard Weinhandl (A)
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Hallo Hr.Rudolph,

Zuerich hatte ich; glaube seit 1924 einen Sender,der mit 500 Watt sendete.Die Welle von
515m kommt der Berliner und der Wiener Welle sehr nahe,sodass Zuerich lauter zu hoeren
war als Wien.Es gab ja keinen grossen Spielraum und die meisten Hochfrequenzschaltungen
hatten Drosseln statt Wabenspulen zur Abstimmung.Die Berliner sowie die Wiener Sendervertreter haben auf Zuerich eingewirkt,es wieder auf seine alte Sendefrequenz  von
650m zu bringen.Man konnte des Abends in England auf 65m ( Oberwelle )machmal den
Sender Zuerich lauter als auf der normalen Welle hoeren.

Mfg.Ed.Weinhandl

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Modell des ersten Voxhaus Senders 
12.Feb.07 11:48

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Herr Scheida hat mir dankenswerterweise den Scan eines Artikels aus der Funkschau geschickt, in dem über ein Modell des ersten Senders im Voxhaus berichtet wird. Dieses Modell wurde 1966 von Dr.-Ing. habil. Heinrich Brunswig (*17.12.1907; +17.11.2002), Institut für Hochfrequenztechnik an der Technischen Hochschule in Darmstadt (ab 1967 dort wissenschaftlicher Rat und Professor), in Zusammenarbeit mit der Oberpostdirektion Frankfurt angefertigt.


Modell des ersten deutschen Rundfunksenders
In einem Gebäude am Fuß des Funkturms in Berlin-Witzleben entsteht unter der Leitung von Dr. Herbert Antoine das Deutsche Rundfunkmuseum. Es liegt nahe, dort auch eine Nachbildung des ersten deutschen Rundfunksenders aufzustellen, über dessen Mikrofon am 29. Oktober 1923 die historisch gewordene Ansage "Achtung, Achtung, hier ist Berlin auf Welle 400 Meter" gegeben wurde  womit der deutsche Rundfunk offiziell eröffnet war.
1963, als dieser unser Rundfunk sein vierzigjähriges Jubiläum begehen konnte, veröffentlichte die FUNKSCHAU in Heft 17 die Geschichte der Entstehung das ersten Rundfunksenders, dargestellt nach Berichten des in Hannover im Ruhestand lebenden Oberpostrates F. Weichart: Er hatte in seiner Eigenschaft als Leiter des Referats J (Senderentwicklung) im Telegraphentechnischen Reichsamt am 19. September 1923 den Auftrag bekommen, aus Laboratoriumsmitteln   ohne zusätzliche Materialkosten  einen Rundfunksender zu bauen. Er nahm dazu Teile von alten U-Boot-Sendern und lieh sich von der Industrie einen Gleichstrom Umformer 220 V/36 V für die Heizung der Senderöhre RS 15 und der Modulationsröhre vom gleichen Typ sowie einen Anodenspannungs-Gleichstrom/Wechselstrom-Umformer 1000 Perioden.
Der auf senkrecht stehenden Holz- und Marmorschalttafeln montierte Sender arbeitete nur zwei Monate; er wurde am 28. Dezember 1923 durch eine Telefunken-Anlage in Tischform ersetzt. Dieser zweite Sender wurde dann in der Folgezeit viel veröffentlicht und zumeist als "der erste deutsche Rundfunksender" im Voxhaus bezeichnet. Diese Verwechslung ist verständlich, wenn man weiß daß es vom ersten Sender nur eine etwa 8 cm große Abbildung aus der Zeitschrift "Der Deutsche Rundfunk" vom November 1923 (Bild 1) sowie eine undeutliche Schmalfilmaufnahme gibt.
Nach dem einzigen Foto ist dann später auch eine Skizze angefertigt worden (vgl. FUNKSCHAU 1963, Heft 17, Seite 464, Bild 3). Für den Bau eines Modells gab es also nur höchst ungenügende Vorlagen. Immerhin machte sich Dr.-Ing. habil. Heinrich Brunswig vom Institut für Hochfrequenztechnik an der Technischen Hochschule in Darmstadt die Mühe und fertigte in fünfzigstündiger Arbeit mit Lupe und Millimeter-Maßstab 33 Detailzeichnungen und vier Zusammenstellungen für die Modellbauer.
Offenbar gilt auch 1966 noch der Grundsatz von Bredow aus dem Jahr 1923: Kosten dürfen nicht entstehen. Also beauftragte die Oberpostdirektion Frankfurt/Main eine Lehrlingswerkstatt mit der Anfertigung des Modells im Verkleinerungsmaßstab 1: 5.
Bild 2 zeigt das von den Fernmeldelehrlingen Siegfried Stypa, Robert Stork, Georg Klement und Wilfried Speyer im Fernmeldeamt Darmstadt gebaute Modell. Es ist 120 cm lang und 40 cm hoch; ein Ehrenplatz im Deutschen Rundfunkmuseum ist ihm sicher.   (Tetzner)


  Bild 1. Reproduktion des einzigen erhaltenen Bildes vom ersten deutschen Rundfunksender, veröffentlicht in der Zeitschrift Der Deutsche Rundfunk, November 1923

  Bild 2. Das in der Lehrlingswerkstatt des Fernmeldeamtes Darmstadt gebaute Modell dieses ersten Rundfunk Senders aus dem  Voxhaus
  (Fotos: G. Goebel)


OCR angefertigt für RMorg

mfG DR

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Bild des ersten Senders im Vox-Haus 
25.Aug.11 13:45
6847 from 18793

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Häufig findet man nur das Bild in Form eines Medallions vom ersten Sender im Vox-Haus (Post 3). Nun fand sich eine Fotographie dieses Senders in  "Nothdurft, O.: Illustrierte Taschenbücher für die Jugend: Rundfunk fürs Haus,  Union Deutsche Verlagsanstalt, o.J." (vermutlich 1924/25; es wird auf die Herabsetzung der Rundfunk-Gebühren auf Mk. 2,00 pro Monat verwiesen.)

Dieses Bild findet man selten in der Literatur.

Ein weiteres Bild, das im Text von Post 1 gezeigt wird, ist eine künstlerische Grafik.

In Ermangelung ausreichenden Bildmaterials wird in einigen Veröffentlichungen zum Sender im Voxhaus fälschlicherweise der 2. Sender gezeigt.

MfG DR

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Vox-Haus Erweiterungsbau 1924 
16.Oct.20 16:36
15514 from 18793

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In "Funk 1924" wird auf S. 375 & 376 der Erweiterungsbau des Vox-Hauses beschrieben. Die zunächst genutzten Räume waren zu klein geworden. Man hat die Räume der "Funk-Stunde" dadurch erweitert, daß dem Vox-Haus ein zusätzliches Stockwerk oben aufgesetzt wurde. Die Pläne dazu stammten von Georg Knöpfke.

 

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