wandel-gol: Storascope Blauschreiber Arbeitsweise

ID: 301202
wandel-gol: Storascope Blauschreiber Arbeitsweise 
24.Oct.12 12:38
1518

Pius Steiner (CH)
Redakteur
Beiträge: 384
Anzahl Danke: 7


Auszug aus dem Handbuch
"Blauschreiber Storascope BLS-218"
Wandel u. Goltermann, Reutlingen

 

Aufbau und Arbeitsweise

Der Blauschreiber BLS-218 oder Storascope (Bauart Standard Elektrik A.-G.) ist ein Oszillograph mit einer Blauschrift-Bildspeicherröhre, die die Aufzeichnung einmaliger und nichtperiodischer Vorgänge sowie von Ausschnitten aus periodischen Vorgängen ermöglicht.

Der Rechteckschirm der Oszillographenröhre mit einer nutzbaren Fläche von
8 cm x 12 cm besteht aus einer Glimmerplatte, die auf der Innenseite eine Kaliumchloridschicht trägt. Diejenigen Stellen der Platte, die vom Elektronenstrahl getroffen werden, zeigen bei auffallendem Licht (Tageslicht oder Kunstlicht) eine blauviolette Färbung, die auf einer Absorption des auffallenden Lichtes bei einer Wellenlänge von etwa 560 mµ beruht. Diese blauviolette Elektronenstrahlspur hält sich im Gegensatz zu den nur kurze Zeit schwach nachleuchtenden Phosphoreszenzspuren üblicher Oszillographenschirme mehrere Tage mit gut sichtbarem Kontrast, falls sie nicht durch Erwärmung oder starke Beleuchtung wieder gelöscht wird.
Der Kontrast der Spur hängt von der Elektronenstrahlintensität ab. Die Blauspurladungsdichte darf nicht zu groß werden, da sonst der Schirm zerstört wird. Man darf daher keinesfalls den Strahl auf einem Fleck einbrennen lassen. Eine Kontraststeuerung, die die Strahlintensität der Schreibgeschwindigkeit grob anpaßt so- wie eine Relaisschaltung, die den Wehneltzylinder bei nicht ausgelöstem Gerät an Sperrspannung legt, sind deshalb im Blauschreiber als Sicherung vorgesehen.
Bei ungünstigen Lichtverhältnissen kann der Schirm künstlich mittels einer eingebauten, abschaltbaren Kleinstleuchtstoffröhre beleuchtet werden

Die Blauspur kann durch Erwärmung der Schicht gelöscht werden, was durch elektrische Heizung der Schirmplatte geschieht. Bei einer Löschleistung von 50 W ("Löschen: einmalig") verschwindet das Bild nach etwa 20 s. Um die Bildröhre zu schonen und eine unnötige Aufheizung der Glimmerplatte zu vermeiden, wird der Heizstrom nach 20 s selbsttätig abgeschaltet und ein sofortiges Wiedereinschalten durch ein Thermorelais verhindert. Bei einer Löschleistung von 15 W ("Löschen: dauernd") verschwindet das Bild nach ca. 2 Min. Diese Löschart wird eingestellt bei Dauerbetrieb, wenn die erste geschriebene Zeile nach Beendigung des Aufschriebes der letzten Zeile bereits wieder gelöscht sein soll. Wird der Strahl während des Löschens ausgelöst, wird für die Dauer der Ablenkung der Löschvorgang automatisch unterbrochen.

Der Spezialbildschirm unterliegt einer normalen Abnützung durch den Schreib-und Löschvorgang. Für "abwechselndes Schreiben und Löschen" kann jedoch mit mehr als 20000 Löschungen gerechnet werden, ohne daß merkliche Fehlerstellen auf dem Schirm erkennbar werden. Bei intermittierendem Schreibbetrieb mit Dauerlöschung kann mit einer Betriebsdauer von ca.800 Stunden gerechnet werden.1

Der Elektronenstrahl wird elektromagnetisch senkrecht und waagerecht ausgelenkt. Als Vertikalverstärker und Horizontalverstärker dienen jeweils symmetrische Differenzverstärker. Jeder Differenzverstärker enthält zwei Röhren oder Röhrenpaare, deren durch die beiden Ablenkspulenhälften fließende Anodenströme entgegengesetztes Verhalten zeigen und gerade dann gleich sind, wenn die veränderliche Gitterspannung der einen Röhre gleich der einstellbaren Gitterspannung der anderen Röhre ist. In diesem Fall bleibt der Elektronenstrahl wegen der entgegengesetzten Polung der Spulenhälften unabgelenkt.

An die Gitter des Röhrenpaares 1, 2 des Vertikalverstärkers wird bei ausgelöstem Gerät die zu untersuchende Spannung über einen Teiler gelegt, mit dem der Ablenkfaktor zwischen 3 V/cm und 100 V/cm in 4 Stellungen gewählt werden kann.
Eine Potentiometerschaltung liefert für die Zeilen-Weiterschaltung das entsprechend der Zeilenlage benötigte Potential für das Verstärkerröhrenpaar 3, 4. Mit einem Stufenschalter können wahlweise 10 Zeilen eingestellt werden.
Es ist aber auch möglich, durch eine Zeilenautomatik mittels Zählmagnet Z nach jeder geschriebenen Zeile eine selbsttätige Zeilenweiterschaltung zu erhalten. Bei einem erneuten Auslösen wird also die nächstfolgende Zeile geschrieben. Nach Beendigung der 10. Zeile folgt die erste Zeile. Nach einem Abschalten des Gerätes und nachfolgendem zeitlich beliebigen Wiedereinschalten wird auf Grund der Remanenz des Zählmagneten so weitergeschrieben, als ob nicht abgeschaltet worden wäre. Jedoch beginnt bei jedem einmaligen Löschen bzw. bei Umschaltung von Hand auf automatischen Betrieb das Gerät anschließend wieder mit der ersten Zeile.

Beim Horizontalverstärker wird die Röhre Rö 11 des Differenzverstärkers von einer Sägezahnstufe zeitlinear ausgesteuert. In dieser Stufe wird mit dem Auslösen des Gerätes ein Kondensator von einer Ausgangsspannung über einen Widerstand auf eine höhere Spannung aufgeladen.

Zur Linearisierung nach dem Prinzip der mitlaufenden Ladespannung wird das gesteuerte Ende des Ladekondensators an das Gitter eines Katodenverstärkers (Rö 7) gelegt, dessen Katodenpotential dem Gitterpotential folgt und das potentialmäßig durch den Stabilisator Rö 8 verschoben am Ende des Lastwiderstandes liegt. Durch den Ladewiderstand fließt deshalb unabhängig von der am Ladekondensator stehenden Spannung ein konstanter Ladestrom, da die Spannung über dem Widerstand konstant erzwungen wird. Die Ablenkzeit ist in 6 Stufen einstellbar.
Dieselbe Sägezahnspannung steuert auch die Schlußstufe, mit der das Gerät in den Ruhezustand versetzt wird, wenn der Elektronenstrahl den rechten Bildrand erreicht hat. Hierzu dient ein Relais J, das über eine vom Sägezahn gesteuerte Röhre Rö 7 bei Überschreiten eines bestimmten Ansprechpotentials zum Anzug kommt.
Statt den Horizontalverstärker mit der Sägezahnspannung auszusteuern, können auch zur Steuerung des Strahles in der Horizontalen Spannungen von außen angelegt werden. Da dann der Strahl nicht mehr zwangsläufig mit der Auslösung bewegt wird, wird über den S 6/11 Kontakt die Lampe SL 1 als Warnung zum Aufleuchten gebracht, um eine Beschädigung des Schirmes zu vermeiden. Die Röhre Rö 10 des Horizontalverstärkers liegt bei ausgelöstem Gerät an einem Festpotential, das die Schirmmitte definiert.

Die Strahlablenkung kann mit außerhalb ablaufenden Vorgängen synchronisiert werden und zwar durch eine Fremdauslösung oder eine Kontaktsteuerung. Die Fremdauslösung erfolgt durch einen äußeren niederohmigen Kurzschluß (< 50 Ω) an Bu 2, der die Funktion der Auslösetaste S 10 übernimmt. Bei der Kontaktsteuerung wird das S-Relais zu einem beliebig einstellbaren Zeitpunkt während des Strahlablaufes zum Anzug gebracht, womit entweder der an Bu 3, Bu 4 angeschlossene Stromkreis geschlossen oder der an Bu 5, Bu 6 angeschlossene Stromkreis geöffnet wird. Die S-Kontaktsteuerung besitzt einen symmetrischen Differenzverstärker (Rö 9), dessen eines Gitterpotential bei ausgelöstem Gerät mit der Sägezahnfunktion steigt, während das andere Gitter auf den gewünschten Schaltpunkt eingestellt werden kann. Je nach der Einstellung nimmt der Strom durch Rö 9 und damit durch das S-Relais früher oder später während des Strahlablaufes kräftig zu und bringt dieses zum Ansprechen.
Mit Hilfe der Zeitmarkenstufe können durch Dunkelsteuerung Zeitmarken im Takt einer äußerlich zugeführten Frequenz oder der Netzfrequenz in die Blauspur eingeblendet werden. Hierzu wird die als Audion geschaltete Triode Rö 5 mit einer entsprechenden Frequenz beaufschlagt, die impulsförmige Spannung am Anodenwiderstand mit einem RC-Glied differenziert und nach Gleichrichtung der Katode der Bildröhre zugeführt. Das Potential der Katode wird damit impulsförmig gehoben und die Strahlintensität verringert.
Die für die Bildröhre notwendige Hochspannung von 10 kV wird aus einem Oszillator über einen Fernsehzeilenablenktransformator gewonnen, wobei die stark verformte Anodenspannungsspitze hochtransformiert und gleichgerichtet wird und ein Ausgleich der Belastung durch eine nachgeschaltete Stabilisierungsstrecke mit der Triode Rö 13 erzielt wird.
Die Stromversorgung des Oszillographenteils mit der Blauschriftröhre erfolgt über ein vieladriges Verbindungskabel aus dem gesonderten Netzgerät. Im Netzgerät wird neben den urstabilisierten Gleichspannungen, den Heizversorgungen und dem Vorschaltgerät für die Bildröhrenbeleuchtung eine stabilisierte Spannung von 350 V erzeugt. Hierzu werden zwei in Reihe geschaltete Gleichspannungsquelleinach dem Steinleinprinzip stabilisiert, wobei aus Leistungsgründen die Längsröhre aus 4 parallelgeschalteten Röhren besteht.


1Hierzu siehe nähere Einzelheiten: Garantiekarte für die Röhre AS 17-21 der Standard Elektrik Lorenz A.-G.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.