Berlin Müggelturm Fernsehturm und Richtfunk

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ID: 551764
Berlin Müggelturm Fernsehturm und Richtfunk 
01.Mar.21 16:57
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Im Südosten Berlins gibt es ein markantes und attraktives Ausflugsziel, den Müggelturm. Dieser steht samt Gaststättenkomplex auf dem  88,3 m hohen "Kleinen Müggelberg".

Dieser Müggelturmstandort erlebte in seiner Geschichte gute und schlechte Zeiten.

Der Müggelturm in seiner jetzigen Form, Gesamthöhe knapp 30 m, wurde von einem Studentenkollektiv der Kunsthochschule Weißensee in Stahlbeton-Skelettbauweise geplant und am 31.12.61 eröffnet. Er steht unter Denkmalschutz. Nach einigen vergeblichen "Bemühungen" in den 90iger und Anfangs der 2000er Jahre, verfiel der Restaurantskomplex immer mehr.

Doch der Gesamtkomplex wurde gerettet. Der Investor Matthias Große wurde im Mai 2014 Eigentümer und kurz danach begann die umfangreiche Sanierung.  Jährlich besuchen nun wieder etwa 240000 Besucher auch den Gaststättenkomplex und genießen die herrliche Aussicht.

Der Müggelturm hat eine lange Geschichte. Carl Spindler ließ etwa 1880 einen etwa 10 m hohen Aussichtsturm auf dem kleinen Müggelberg bauen. Aber die Fernsicht war bescheiden, der Turm einfach zu klein. Im Jahre 1889 wurde der Turm vom Architekten Max Jacob im chinesischen Pagodenstil erweitert  und hatte nun eine stattliche Höhe von 27 m. 

In der Gaststätte ist dazu dieses Wandgemälde zu bewundern.  Foto: Markus Koschny -vielen Dank-

Dieser Turm wurde Anfang 1945 zum militärischen Objekt erklärt. Die Wehrmacht nutzte diesen zur Luftbeobachtung und für die Artillerie als Leitstand .Es wurde eine Funkanlage installiert.

Geplant war, beim Anrücken der Sowjetarmee, diesen Turm zu sprengen. Der damalige Gastwirt Walter Wichelhaus schnitt jedoch die zu den Sprengladungen führenden Drähte durch und verhinderte so die geplante Zerstörung.

Im Jahre 1949 erhielt der Turm eine neue Nutzung. Vier Jahre nach Ende des 2.Weltkrieges wurde eine Richtfunkstrecke von SMA Dresden-Hellerau nach SMAD Berlin Lichtenberg aufgebaut.

oben/unten zwei schwarz- weiß Fotos: Sachsenwerk Radeberg, Arbeitsguppe Fesararob.

Die Dezimeter-Versuchsstrecke war ca 275 Km lang und bestand aus 6 Teilstrecken. Der Auftrag wurde am 30.09.1949 an den SAG Betrieb "Kabel" in Radeberg erteilt ( später wieder das Sachsenwerk ). Auf einer Plattform ( siehe Foto oben links) wurde eine sogenannte "Linsenantenne" , bestehend aus einem Hornstrahler mit vorgesetzter "Linse" aus speziell geformtem parallelen Blechen montiert. 

 Die Richtfunkstrecke Berlin-Dresden war eine Versuchsstrecke zum Nachweis der Streckeneigenschaften der Radeberger Richtfunkgeräte RVG 902. Sie wurde im Oktober 1949 aufgebaut und war nur kurze Zeit in Betrieb. Übertragen wurden acht Ferngespräche. Endstellen in Dresden- Hellerau und Berlin-Lichtenberg waren mit 2 Trägerfrequenzgeräten ME8 , dem Frequenztelegrafiegerät FT3 und zwei Geräten RVG 902A ausgestattet.

In diesem platzmäßig sehr beschränktem Raum mußte immer ein Kollege  die Anlagentechnik betreuen. Die Strecke war nur kurzzeitig in Betrieb. Die Deutsche Post selbst begann mit dem Aufbau von Richtfunkstrecken erst 1952/53.. 

Auf jeden Fall hat 1953 die HO  Gaststätte wieder eröffnet und ich kann mir vorstellen, daß dann auch der Müggelturm selbst wieder besteigbar war. Im Januar 1957 wurde der Turm wegen Baufälligkeit gesperrt und am 19.Mai 1958 nachmittags brannte der Turm durch ein Feuer, was vermutlich bei Schweißarbeiten entstanden war, vollständig ab. 

Etwa 800 m entfernt auf dem höchsten Gipfel der Müggelberge stand die sogenannte Bismarkwarte. Dieses im Jahr 1904 eröffnete Bauwerk war 40 m hoch und hatte in 28 m Höhe eine Aussichtsplattform.              

                       

Foto: unbekannt

Der Turm wurde Mitte April 1945 auf Befehl von Volkssturmleuten gesprengt, wie auch andere Türme und Kirchtürme, um der vorrückenden Roten Armee keine Beobachtungspunkte auf das Stadtgebiet von Berlin zu überlassen.

Auf diesem Standort wurde 1953 ein Fernsehsender aufgebaut, welcher das damals noch Versuchsprogramm des Deutschen Fernsehfunkes abstrahlte. Das musste auch passieren, weil der vorhandene bereits 1952 installierte Sender im Alten Stadthaus nur 800 Watt Leistung hatte und damit nur einen sehr begrenzten Bereich versorgen konnte.

Hier die Originalzeichnung von der Turmkonstruktion:Er begann am 15. Januar 1954 seine Versuchssendungen im Band I OIRT Kanal 1, auf der Frequenz 41,75 MHz ( Bild ) und 48,25 MHz (Ton), Leistung 3 kW. offiziell ging der Sender in Dauerbetrieb am 15.März 1954. Am gleichen Tage wurde übrigens der damals einzigste Ostberliner UKW- Sender mit 1 KW Leistung dort in Betrieb genommen: Berlin 1 ( wohl der spätere Deutschlandsender) auf 94,5 MHz.

Damals gab es noch Programmbezeichnungen; dieser  Sender meldete sich mit Fernsehsender Berlin- Grünau.

Heute erinnert das Technikgebäude noch an diese Zeit. Einen Sender im Automatiklauf arbeiten zu lassen, war damals undenkbar.

Solche Schriftstücke und Dokumente, die möglicherweise sogar für die Instandhaltung wichtig sein könnten, waren Anfang der 90iger Jahre leider häufig in die Container gewandert. Die Zeichnung gewährt doch einen interessanten Einblick in die Arbeitswelt der Kollegen. Am 24.02.2021 habe ich dieses Objekt fotografiert:

Am Grundriss selbst hat sich nichts verändert. 

Seit Weihnachten 1956 arbeitete jedoch ein auf einen MW- Mast installlerter Fernsehsender auf Kanal 5 in Berlin Grünau und schon in CCIR- Norm. 

Aber wir müssen die Geschichte dieses Standortes ergänzen;

So sieht der Turm heute aus, Richtfunk, Funkdienste, private, sollen jetzt dort installiert sein. Leider konnte ich  über den jetzigen Betreiber noch nichts erfahren. Der Mast soll nach Beendigung seiner Fernsehdienste im IV.1956, was mit dem Ende der Umstellaktion von der OIRT- Norm zur CCIR- Norm zu tun hatte, für den Richtfunk in Richtung Frankfurt/Oder eingebunden worden sein und auch für die Intervisionsübertragungen von und nach Polen.

Seit 1952 planten Kollegen der Deutschen Post einen 130 m hohen Fernsehturm keine 100 m von diesem  Standort. Ende 1954 wurde mit dem Bau des "Berliner Fernsehturmes" begonnen. Dem voraus ging ein Beschluß vom 29.Mai 1954 des Ministeriums des Innern der DDR. 

Der Fernsehturm wurde unter dem Decknamen "F4", als 'streng geheim' eingestuft, geführt. Nachdem von dem 4-eckigen Turm bereits 31 m in die Höhe gebaut war, kam es zu einem Baustopp. Man hatte bei der Planung die Einflugschneise des Flughafens Berlin-Schönefeld nicht beachtet. Dieser befindet sich etwa 8 Km Luftlinie von dem TV-Standort ! Die Deutsche Post bemühte sich dann noch um Kompromißlösungen, der TV-Turm sollte dann noch 90 m und in einer weiteren Vorschlagsrunde gar nur noch 68m hoch werden.  Aber all das wurde verworfen und man begann einen neuen TV-Sender-Standort zu suchen . 

Im Gespräch war dann ein Standort im Park Friedrichshain, der jedoch schon in der Planungsphase wieder verworfen wurde. Letztendlich kam die Entscheidung; wir bauen am Alexanderplatz, also im Zentrum... dazu später.

Hier ein Foto, was ich am 24.02.2021 gemacht habe. Dieser Stummel wurde fertig gebaut, eine Blechhaube drauf gesetzt und zunächst wurde eine Wetterwarte auf diesem Standort geplant, dann ein Observatorium... observiert wurde tatsächlich. Bis zu 63 Mitarbeiter der Staatssicherheit HA IV betrieben von diesem Standort Funkaufklärung im VHF- und UHF Bereich . Überwacht wurde vornehmlich West-Berlin.

Nun gibt es zu der Radarkuppel allerdings häufig Veröffentlichungen mit Aussagen, daß darunter für Beobachtungsaufgaben der Stasi Technik aufgebaut war. Kurz vor der Übernahme durch das MFS im Jahre  1980 entstanden einige Fotos; der Fotograf ist leider nicht bekannt.

Man sieht jedoch hier, daß bei Stahlplattenkonstruktion eine Nutzung für Radartechnik nicht möglich ist.  Die zur Aufklärung notwendigen Antennen waren am Mauerwerk außerhalb der Kuppel angebracht.

Heute nutzt die Deutsche Telekom diesen Turm als Richtfunkknotenpunkt und für den Mobilfunk. 

Wie sah er nun aus, der Fernsehturm auf dem Höhen Müggelberg ? 114,7 m NN

danke, Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"

Seitenflügel 

und so wurde er gebaut, Foto ca 1980 , Fotograf unbekannt.

und so sieht der Seitenflügel am 24.02.2021 wieder aus ( schön renoviert und gepflegt)

danke, Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"

Der geplante Fernsehturm auf dem Großen Müggelberg in Berlin im Modell:

Interessant die Schmetterlingsantennen. Sicher war auch erst mal die Ausstrahlung im Band 1 OIRT  geplant. In 70 m Höhe war die Aussichtsplattform vorgesehen .

danke, Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"

Die Turmhöhe ist mit 130 m angegeben.

danke, Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"                                      Ich finde auf jeden Fall ein zeitgemäßer aber auch gelungener Entwurf.

danke, Foto bereitgestellt  von der "Museumsstiftung Post und Telekommunikation"                                 Hier nochmal die Gesamtansicht, und jetzt das, was davon übrig blieb.

alle Fotos ohne Nachweis sind von Wolfgang Lill 

Er wurde letztendlich gebaut, der Fernsehturm "Am Alex" , hier können sie dazu etwas lesen......

 

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Berlin Müggelturm Fernsehen auf Kanal1 OIRT 
31.Jul.21 12:01
740 from 3481

Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Ich wurden von einigen Freunden gefragt, ob der Sender vom Müggelturm tatsächlich im Band I OIRT Kanal 1 gesendet hat. Hier kann ich folgenden Beweis dazu anfügen:

                        

Zur Kuppel des abgebrochenen Baues vom Fernsehturm hat mir ein Funkspezialist folgendes geschrieben:

"Es mag richtig sein, dass zum Zeitpunkt der Übernahme durch das MfS und darüber hinaus
die vorhandene Observationskuppel für die Antennenmontage darunter - mangels HF-Durchlässigkeit - nicht geeignet war.

In allen bekannten Bildern seit der Wendezeit, sind aber recht sicher verwitterte, faserverstärkte Kunstoffelemente zu erkennen.
Solche Radome wurden nach meiner Kenntniss durch den DEFA-Kulissenbau in Potsdam-Babelsberg im Auftrag des MfS hergestellt.
Ein ähnliches Stück, wenn auch mit größerem Durchmesser, wurde auf dem MfS-Aufklärungspunkt "URIAN" auf dem Brocken eingesetzt.​ 

Unabhängig davon wurden natürlich auch außerhalb der Radome vom MfS Antennen angebracht.
Die in der Wendezeit entstandenen Bilder z.B. vom Auersberg-Turm
zeigen das Nebeneinander von Radom und extern montierten Antennen ​"

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Berlin Müggelturm Berliner Rundfunk 2. Programm 
12.Mar.22 13:33
1266 from 3481

Wolfgang Lill (D)
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Von den Müggelbergen ; Standort des TV- Senders auf Kanal 1 , wird ab 02. Februar 1958 das                2. Programm des Berliner Rundfunks gesendet.

Dies beginnt Sonntags um 18,00 Uhr und an den anderen Tagen um 19,50 Uhr und endet 24,00 Uhr 

Frequenz ; UKW 93,8 MHz .

Ab 22.November 1959 startet auf dieser Frequenz die Berliner Welle. Zielstellung; ein Programm für ganz Berlin.

Produziert wird in der Nalepastraße.

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Berlin Müggelberge der Band I Fernsehsender 
19.Apr.22 16:07
1551 from 3481

Wolfgang Lill (D)
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Ja, sie ist immer noch da, die alte Baracke. Dazu gibt es eine interessante Ausarbeitung vom 09.03.1985 von einem ehemaligen Kollegen des DFF.

Der Senderstandort ist Berlin Grünau , auf den Müggelbergen auf 105m NN. Warum , das wird auch begündet.

Die Sendeleistung im "Alten Stadthaus " war nicht ausreichend für das Versorgungsgebiet Berlin. Der dort installierte Fernsehsender arbeitete zudem noch im Band II (UKW- Rundfunkband). Der Blldsender arbeitete auf 99,9 MHz mit 1,5 KW. Die störende Nähe des Bildträgers zur Frequenz 99,75 MHz des AFN- UKW- Senders in Westberlin stellte einen Dauerkonflikt zwischen den Amerikanern und dem zuständigen Ostberliner Funkamt dar. 

Es mußte ein neuer, möglichst hochgelegener, Senderstandort gefunden werden. Eine vorgesehene Ausweichmöglichkeit war der Turm des "Roten Rathauses", welcher jedoch aus statischen Gründen ausschied. 

Es kamen die Müggelberge ins Gespräch, die höchste Berliner Erhebung. Auf dem 105 m hohem Plateau wurde Anfang 1953 die kombinierte Betriebs- und Unterkunftsbaracke aufgebaut sowie der 36 m hohe Stahlgitterturm errichtet.

Der für den Standorte Müggelberge vorgesehene Band-I-Fernsehsender wurde im 2. Halbjahr 1953 im großen Betriebsraum an der nordwestlichen Ecke der Baracke, nahe dem Antennenträger, mit der Vorderfront zu dem gegenüber befindlichen , teilweise verglastem Kontrollraum aufgestellt.

Damals genaue Bezeichnung; FUNKAMT KÖPENICK (Betriebstelle Müggelberge) BETRIEBSGEBÄUDE

Der Sender vom Typ 873/74 A+B (in meinem Beitrag zum Fernsehsender Leipzig habe ich eine Beschreibung dieses Sendertypes) stammte aus dem VEB Sachsenwerk Radeberg, wo man sich, wie im Berliner WF, ebenfalls erfolgreich mit der Entwicklung eines Fernsehsenders befasst hatte. 

Die Anlage hatte eine projektierte Ausgangsleistung des Bildsenders von 3 kW. Der gesamte Sender bestand aus vier Doppelschränken und einem Zentralnetzgerät für die Leistungsstufe.

Nach erfolgreichem Versuchsbetrieb und Herstellung der Richtfunkverbindung von Adlershof konnte dieser neue Fernsehsender für Berlin am 15.01.1954, zum Zeitpunkt der Berliner Außenministerkonferenz, den Probebetrieb im OIRT- Kanal I  (Kanal Eins) 41,75/48,25 MHz aufnehmen.

Seine offizielle Inbetriebnahme unter voller Ausschöpfung der Bildleistung erfolgte am 05.03.1954. Gesendet wurde über zwei Ebenen einer Band-I-Schmetterlingsantenne. Bei einem Versorgungsradius von etwa 60...70Km konnte der Fernsehsender weite Teile der Hauptstadt und darüber hinaus das Flachland der Berliner Umgebung erreichen.

Sein Empfang war jedoch, zumindestens in der Anfangszeit, durch einen gleichen Kanal rechtswidrig zwischen der BRD und Westberlin arbeitende sogenannte "Funkbrücke" wesentlich gestört.

Der Fernsehsender auf den Müggelbergen ist unter der offiziellen Progrmmbezeichnung "Fernsehsender Berlin-Grünau" bekannt geworden.

Er stellte nach knapp vier Jahren, am 18.11.1957, seinen Programmbetrieb ein. Der Sender wurde abgebaut und zum neuen Standort, Calau, umgesetzt. 

 

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