Cockaday-Tuner mit Kosmos RADIO-TECHNIK

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Cockaday-Tuner mit Kosmos RADIO-TECHNIK 
31.Dec.16 12:50
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Wolfgang Holtmann (NL)
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Wolfgang Holtmann

                                        E i n e   W e i h n a c h t s b a s t e l e i

Gut aufgehoben liegen sie im Schrank, der RADIOMANN und der große Bruder RADIO-TECHNIK von Kosmos, Stuttgart. Eigentlich schade, dass da nichts mehr mit gemacht wird...

Da kam bei mir der Gedanke auf, so eine ausgefallene Empfangsschaltung, wie der
Four-Circuit Tuner von L.M. Cockaday (USA) von 1923, müsste sich damit konstruieren lassen, auch wenn das Herzstück, die speziale Spulenanordnung (Cockaday-Coil) mit den vorhandenen Flachspulen zu realisieren ist.

Hier ein deutliches Bild wie das früher gebaut wurde:


Meine Schaltung zum Experiment:

           A   1 Wdg. 0,5mm isol.                      C1   5600 pF
           B   Flachspule 60 Wdg.                     C2   2500 pF
           C   Flachspule 40 Wdg.                     R1   470 Ohm
           D   Flachspule 30 + 30 Wdg.             R2   470 Ohm
           E   Drehko 500 pF                             R3     1 MOhm
           F    Drehko 200 pF                            L        45 Ohm
           G   300 pF                                         J        45 Ohm
           H   150 pF                                          I      2,2 MOhm

Jeder, der zum ersten Mal die Schaltung sieht, fragt sich: Diese Spulenanordnung muss außergewöhnlich gute Empfangsergebnisse liefern, sonst würde man solch einen Aufwand doch nicht treiben, oder?

Nun habe ich das Glück als ehemaliges Mitglied des Cockaday-Teams vor drei Jahren die Eigenheiten genauer kennen zu lernen. Kurzgefasst ist die Funktion wie folgt:

 - Kreis B und F bilden ein Ultra-Audion (Ultraudion nach de Forest)
 - Die Antennenenergie wird lose über D eingekoppelt.
 - Eng an B sehen wir einen Absorbtionskreis C und F, Stabilizer genannt. Der Abstimmbereich liegt   oberhalb des Empfangsbereiches durch die geringere Windungszahl von C gegenüber B.
 - Eine einzelne Kompensationswindung A liegt dicht über der Stabilizerspule.
 - Erklärung dazu: Das Antennensignal koppelt induktiv auch auf den Stabilizer, was eine 2. Resonanzstelle ergibt! Der Antennenstrom in Gegenphase (!) über Windung A kompensiert diesen ungewünschten Nebeneffekt des Stabilizers.

Wozu überhaupt ein Stabilizer?
In der ursprünglichen Version des Four-Circuit Tuners, vorgestellt in der Zeitschrift Popular Radio im Mai 1923, wird er als zusätzlicher Kreis zur Dämpfung des Hauptkreises B &F benutzt. Nähert man die Resonanzfrequenz des Stabilizers der Empfangsfrequenz, wird dem Hauptkreis mehr oder weniger Energie entzogen. Damit hat man eine gewisse Kontrolle über die Dämpfung und stellt somit eine Feinregulierung der Rückkopplung dar. Allerdings hat diese Lösung einen unschönen Nebeneffekt: Gleichzeitig ändert sich auch die Empfangsresonanz! Wir kennen das von überkritisch gekoppelten Bandfiltern her. In der Praxis bedeutet das, man muss diese Abhängigkeit stets mit zwei Händen korrigieren, um den Sender nicht zu verlieren! Cockaday schreibt: „You will soon get the knack“.

Wichtig ist auch die exakte Lage der Antennenspule in Bezug auf die beiden anderen Spulen. Nur so ist eine Kompensation der 2. Resonanzstelle zu erreichen! Das ist mit Hilfe eines modulierten Prüfsenders und etwas Probieren machbar. Diese typischen Eigenheiten habe ich vor drei Jahren in einem Video (jetzt auf YouTube) festgelegt.

Diesen Nachteil hat der Erfinder auch erkannt und kam im Januar 1924 mit einer verbesserten Art der Rückkopplungsregelung: „The Improved Four-Circuit Tuner“
Nun wird die Feinregulierung mit Hilfe einer -in gewissen Grenzen- veränderbaren Anodenspannung vollzogen. Um zu verhindern dass die Stabilizerresonanz zu nahe an die Hauptresonanz gerät (= besagte Frequenzverwerfung), wird jetzt die Einstellung beider (!) Drehkos für die gewünschte Wellenlänge mit einer „Tuning Chart“ vorgeschrieben. Man nannte das Verfahren „Automatic Tuning“.

Aufbaubeschreibung

Ziel war es, möglichst nur die im Kasten vorhandenen Teile zu verwenden, was -bis auf kleine Ausnahmen- verwirklicht werden konnte. Als Audionröhre wird eine RE084 benutzt. In 1923 wurde die UV201 (Hard Vacuum) von Radiotron empfohlen. Selber habe ich auch eine UV201-A (ebenfalls Hard Vacuum) zur Verfügung, welche jedoch, außer in der Empfindlichkeit schlechterem Ergebnis, keine grundsätzlichen Änderungen in der Funktion ergaben. Die genaue Festlegung des Arbeitspunktes geschieht über den zusätzlichen Spannungsteiler R1-R2. Damit können Verzerrungen klein gehalten werden.

Die nachfolgende NF-Verstärkung wird mit der Schirmgitterröhre DM300(N) gemacht. Weiterhin hat sich gezeigt, dass der Kosmos NF-Trafo eine zu geringe Primärinduktivität aufweist, was eine unausgewogene Audioqualität ergibt. Abhilfe: Die Sekundärwicklung hat eine viel höhere Windungszahl und wurde als NF-Drossel umfunktioniert.

Problematisch ist die richtige Anordnung der drei Flachspulen. Es müssen ja die schon weiter oben beschriebenen Bedingungen erfüllt werden, damit die Eigenheiten der Cockaday-Schaltung simuliert werden können! Spule B hat 60 Windungen und der Kosmos Drehko nur einen Bereich von 10 bis 200 pF. Damit ist nur der untere Teil des MW-Bandes abgedeckt. Spule C hat 40 Windungen und bildet mit Drehko E (= 10 bis 500 pF, ausgeliehen vom HF-Zusatz) den Stabilizer.

Weitere Untersuchungen haben gezeigt, dass die erwähnte Frequenzverwerfung gemildert werden kann, indem die Güte der Stabilizerspule C reduziert wird. Diese Erkenntnis kann ich mit meinem experimentellen Nachbau unterstreichen.
Wegen Kostenersparnis hatte man die Flachspulen mit dünnem Draht von nur 0,3mm ausgeführt und auf einen Pappkarton gewickelt! Daher treten die negativen Einflüsse des Stabilizers weniger krass als mit dem besseren, originalen Spulensatz in Erscheinung.

Lerneffekt
Bei dieser Weihnachtsbastelei kommt noch ein gewisser Lerneffekt dazu: Beim Experimentieren mit den Spulen macht man früh oder später die Entdeckung, dass der Stabilizer eigentlich nur ein marketing gimmick des Erfinders war. Es sollte etwas noch nie dagewesenes sein und wurde mit Texten wie „A new and unusual development in vacuum tube control circuits that is exceedingly selective, simple to operate and highly sensitive...“ hochgelobt. Eine technisch fundierte Erklärung, warum das besser sein soll, wird nicht gegeben.

Wer will, kann eine beachtliche Empfangsverbesserung bei gleichzeitiger Bedienungserleichterung erreichen, indem man einfach den (De-)Stabilizer samt Kompensationswindung weglässt!

Das Antennensignal wird der Antennenspule zugeführt und koppelt -am besten schwenkbar- auf die Hauptspule B. Damit sind wir von den lästigen Zieherscheinungen und ungewolltem Nebenempfang erlöst....
Für die nötige Feinregulierung der Rückkopplung schaltet man den frei gewordenen Drehko E (500 pF) parallel zum Kondensator H. Bekanntlich bestimmt beim Ultra-Audion das Verhältnis Cak zu Cgk die Stärke der Rückkopplung. Allerdings, mit Cockaday hat das nun nichts mehr zu tun....

Sicherlich
werden viele Leser die vorgenommenen Änderungen (etwa 12 Löcher dazu gebohrt) am wertvollen Kosmos Baukasten mit Erschütterung zur Kenntnis nehmen. Man kann aber auch ein Holzbrettchen mit den Maßen 24 x 16 cm, 12 mm dick nehmen und die erforderlichen Löcher bohren. Für weitere Fragen stehe ich gerne zur Verfügung, eventuell via e-mail.

MfG

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.