Die Glimmröhre als Oszilloskop

ID: 179391
Die Glimmröhre als Oszilloskop 
15.Dec.08 22:37
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Noch heute ist die Glimmlampe ein oft gebrauchtes Instrument, wenn Spannungen geprüft werden sollen.

Viel wichtiger noch war sie ganz zu Beginn der Funktechnik, als die Sender noch richtig "funkten" und dabei Knallgeräusche erzeugten. Zwar war die Braunsche Röhre auch schon erfunden, doch kamen trotzdem häufig Glimmlampen zum Einsatz.

Schauen wir zunächst die Bilderserie an, die eine Entladung durch eine Röhre zeigt, bei der, startend vom Athmosphärendruck, der Gasdruck immer weiter verringert wird. (gezeichnete Bilder: Beck, W.: Die Elektrizität und ihre Technik, 8. Aufl. 1924, bearbeitet von W. Lehmann, H. Killinger, Nordhausen)

Etwa im Fall d) ist der Gasdruck nur wenige Torr, wie es auch bei Glimmlampen üblich ist. Da hier die beiden Elektroden sehr weit auseinander stehen, ergibt sich eine geschichtete Entladung. Die Elektronen müssen immer eine gewisse Strecke durchlaufen, bis sie wieder so viel Bewegungs-Energie haben, daß sie das Gas ionisieren können. In technischen Glimmlampen sind die Elektroden dichter beisammen, so daß nur noch das negative Glimmlicht übrig bleibt.

Die Katode überzieht sich dann mit einer Glimmhaut, während die Anode dunkel bleibt.

In dieser Schaltung ist bereits gezeigt, daß man zusätzlich eine Gleichspannung anlegen muß, um eine (kleinere) Wechselspannung (halbwegs richtig) zu oszillographieren. Die Gleichspannung ist deshalb notwendig, weil die Glimmröhre eine Mindestspannung (ca. 100V) benötigt, bevor die Glimmentladung einsetzt.

Obwohl die Glimmentladung träge ist und (in ihrer Amplitude) kaum höheren Frequenzen folgen kann, wurde sie in den 10er und 20er Jahren des letzten Jahrhunderts auch zum Nachweis von höherfrequenten Schwingungen (meist aber unterhalb ca. 300 KHz) benutzt. Sie hatte damals die folgende Form.

Die Prinzipschaltung für einen Glimmlichtoszillographen zum Nachweis (keine Messung im heutigen Sinn!) von Hochfrequenzschwingungen zeigt das nächste Bild.

L & C sind die Bestandteile des Sender-Schwingkreises. Dieser wird angestoßen durch eine Funkenentladung, die an der Funkenstrecke (oberhalb von C) stattfindet und durch einen Funkeninduktor gespeist wird, von dem nur der Hochspannungstransformator gezeichnet ist. Da an der Funkenstrecke größenordnungsmäßig 30 - 60 KV (!) anliegen ehe sie durchbricht, benötigt die Glimmröhre einen sehr hohen Vorwiderstand, der auch noch belastbar sein muß. Da hat man sich mit einem "Wasserwiderstand" beholfen.

Damit die HF Schwingung dargestellt werden kann, projiziert man die Glimmentladung über einen rotierenden Spiegel auf eine Fotoplatte. Die Drehzahl muß geeignet eingestellt und konstant gehalten werden, damit das Bild mit der Funkenentladung synchronisiert wird.Beispiele von "Meßergebnissen" sind rechts neben der Photoplatte und im folgenden Beispiel dargestellt.

Man brauchte etwas Phantasie um aus solchen Ergebnissen die richtigen Schlüsse zu ziehen. Aber die Altvorderen waren schon ganz gut.

Die "Maschine" die zu dem Prinzipschaltbild gehört, ist im nächsten Bild dargestellt.

Die Glimmröhre befindet sich in dem geöffneten Kästchen rechts oben. Der Aufbau muß recht gut ausgewuchtet sein, damit er niemand um die Ohren fliegt.

Zu dieser Anordnung gab es von anderen Herstellern entsprechende Geräte, die aber mit umlaufender Glimmlampe arbeiteten.

Da Glimmlampen wenig Leistung benötigen und deshalb nur sehr kleine Ströme fließen, kann man die HF kapazitiv einkoppeln und spart sich störanfällige Schleifringe.

Die HF selbst kann man nicht auflösen, sondern nur die Anzahl der sekundlichen Entladungen. Die damit gegebenen Morsezeichen hatten offenbar eine Tonhöhe von 5,575 KHz. Lorenz hatte einen "Vielton-Sender" entwickelt, wodurch mit unterschiedlicher Tonhöhe telegraphiert werden konnte. So ließ sich das Wellenchaos trotz mangelnder Selektion der damaligen Detektor-Empfänger beherrschen, weil der Telegraphist nur auf "seine" Tonhöhe zu hören brauchte. (War sicher nur für Leute mit guten Nerven geeignet.)

Pressler (bekannt als Hersteller von Glimmlampen) hat ebenfalls ein entsprechendes Gerät angeboten.

Bei diesem Gerät läuft nur eine Glimmlampe um.

Selbst in den 50er Jahren wurde von Filbig noch eine verbesserte Schaltung des Gehrkeschen Oszillographen mit einer Amplitudenröhre (RR145)  vorgeschlagen, wie sie anno 1936 vor der Erfindung des magischen Auges in manchen Radios verwendet wurde.

Durch die Hilfsanode wird eine schwache Glimmentladung aufrecht erhalten, so daß sich die zu messende Spannung sofort auf die Länge der Glimmschicht auswirken kann (und nicht erst ab der Zündspannung der Röhre).

Literatur

Thirring, H.; Fuchs, O.P.: Photowiderstände, Barth, 1939

Hund, A.: Hochfrequenzmeßtechnik, 2.A. Springer, 1928

Rein, H.; Wirts, K.: Radiotelegraphisches Praktikum, 3.A., Springer, 1922

Zenneck, J.; Rukop, H.: Drahtlose Telegraphie, 5. A., Enke, 1925

Engel, A.; Steenbeck, M.: Elektrische Gasentladungen, ihre Physik und Technik, Bd.2, Springer, 1934

Vilbig, F.: Hochfrequenzmeßtechnik, Hanser, 1953

MfG DR

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Weiterer Beitrag zu dem Thema 
15.Dec.08 23:28

Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Hallo Herr Rudolph,

hier  ist ein Thread zu finden, in dem das Thema "Glimmröhre und Osilloskop" ebenfalls behandelt wird.

Mit besten Grüßen

Wolfgang Eckardt

 

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