DSR: Digitales Satelliten Radio

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DSR: Digitales Satelliten Radio 
07.Mar.21 15:50
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

 

Die Ausgangs-Situation

Bis zur Markteinführung der CD war die (technische) Qualität der Wiedergabe von Musik mittels Radio besser als das, was der Privatmann zu Hause realisieren konnte.

  • Zu Zeiten des ausschließlichen AM-Rundfunks gab es mechanische oder elektrisch betriebene Grammophone auf denen Schellack-Platten abgespielt werden konnten. (Spieldauer wenige Minuten pro Seite)
    Die "Nadelgeräusche" beim Abspielen waren normalerweise größer als die Störgeräusche, die beim AM Empfang z.B. des Ortssenders zu hören waren.
  • Zu Zeiten des UKW FM-Rundfunks gab es zwar bessere Plattenspieler, auf denen Vinyl-Platten mit Mikro-Rillen abgespielt werden konnten. (Spieldauer ca. 1/2 Stunde pro Seite)
    Die "Platten-Geräusche" infolge Staub auf der Platte konnten zwar mit Hilfe von "Tricks" (naß-abspielen) minimiert werden. Jedoch war auch hier eine Musik-Darbietung über UKW qualitativ besser, auch in Stereo - und bequemer. (Die Sender verwendeten noch keine "Sound-Prozessoren", wie z.B. "Optimod".)

Daß der Rundfunk eine bessere Audio-Qualität liefern konnte, als es dem Privatmann möglich war, änderte sich "schlagartig", nachdem die CD 1982 auf den Markt kam.

Die mit der CD erreichbaren Qualitätswerte (Dynamik 96 dB, NF Grenzfrequenzen: 5 Hz - 20 kHz, Datenrate 1.411.200 Bit/s) konnte mit den UKW-Sendern und den besten (analogen) High-End UKW Empfängern nicht realisiert werden.

Daher entstand der Wunsch der Rundfunkanstalten nach einem Übertragungsverfahren, das Qualitätswerte wie bei einer CD realisieren konnte.

  • Die Qualitätswerte der CD waren somit der Maßstab für das zu entwickelnde "DSR" Verfahren für den Hör-Rundfunk.

Die System-Vorgaben

Es sollen insgesamt 16 Programme in CD-Qualität (entsprechend zur dort verwendeten Technik) ausgesendet werden. Da terrestrisch keine freien Frequenzen verfügbar sind, wurde dafür Satelliten-Übertragung gewählt.

So schwärmte die Post noch im Juli 1989 vom "Digitalen Hörfunk" in ihrer Broschüre KNr 658 133 021. (links)

Das Bild rechts zeigt die Frequenz-Belegung im BK-Verteil-Netz der DBP. (Elektor 5/92)

 

 

Die mit DSR erreichbare Dynamik von mindestens 54 dB, verglichen mit der bei der CD von ca. 90 dB gegenüber der bei UKW FM erreichbaren Dynamik von 40 dB, war ebenfalls ein wichtiges Argument der DBP bei der Werbung für DSR.

Die Dynamikverhältnisse sind in Bild 12 dargestellt.

 

 

Bild 3 zeigt das Blockschaltbild des DSR Gesamt-Systems, wie es in der Broschüre "Digitaler Hörrundfunk über Rundfunk-Satelliten" des Bundesminiteriums für Forschung und Technologie vorgestellt wurde.

(von der IFA 1987)

 

Die zur Übertragung verwendete digitale Modulation wird mit "4PSK" (Phase Shift Keying mit 4 Phasen-Zuständen) bezeichnet. Übertragungstechnisch handelt es sich jedoch um eine "Quadratur Doppel-Seitenband Amplituden-Modulation mit unterdrücktem HF-Träger" (QDSB-SC). Das Blockschaltbild zur Erzeugung solcher digitaler Moduationen zeigt das nächste Bild.

Solche digitalen Modulatoren bestehen im Prinzip aus einem digitalen Teil (links), Digital-zu-Analog-Wandler DAC (mitte) und einem analogen Teil (rechts), in dem die "Quadratur-Modulation" mit Hilfe eines Sinus-Trägers und eines Cosinus-Trägers erfolgt. Die beiden Zweige, "I" und "Q" , sind nicht identisch mit "links" und "rechts" vom Stereo-Signal. Sie dienen dazu, auf dem Übertragungsweg die erforderliche Bandbreite bei 4PSK zu halbieren.
[Je nach Art der digitalen Signal-Aufbereitung (digital signal processing) können mit dieser Struktur praktisch alle digitalen Modulationen erzeugt werden.]

Das Blockschaltbild eines DSR Empfängers ist in Bild 1. dargestellt.

Die DSR Empfänger konnten also wahlweise am BK oder an der Satelliten-Antenne betrieben werden.

DSR Codierung

Eigentlich sollte das DSR Format mit dem CD Format übereinstimmen. Aber das CD Format hat mit 1,411 MB/s eine recht hohe Datenrate. Bei 16 parallelen digitalen Kanälen für DSR kommt da ordentlich etwas zusammen an Datenrate. Kann man da nicht eventuell etwas "sparen"?

Ja, man kann "sparen", wenn man die Eigenschaften des Ohres (Gehörs) berücksichtigt.

  • Bei leisen Audio-Passagen hat man kleine Amplituden-Werte. Man hat da einfach die höchstwertige beiden Bits eingespart und weggelassen. (Braucht man da ja nicht.)
  • Bei lauten Audio-Passagen kann man grober quantisieren, weil das (erhöhte) Quantisierungs-Geräusch dann in der "Musik untergeht" und nicht wahrgenommen wird.

So war es möglich, nur 14 Bit anstatt 16 Bit zu übertragen, ohne daß das wahrnehmbare Geräusch sich vergrößert hat.


An der UNI Stuttgart gab es im Fachbereich Nachrichtentechnik in den '60er Jahren ein Wahlfach mit dem Titel "Das Ohr als Nachrichten-Empfänger". (Gibt es auch als Buch unter diesem Titel; 1.A. 1956; 2.A. 1967.) Die Vorlesung hielt ein apl. Prof. Zwicker. War eine interssante Vorlesung, aber damals eher ein "Exoten-Fach". Und noch ohne direkten Bezug zur Übertragungs-Technik. Heute beruhen jedoch sämtliche Verfahren zur Audio-Quell-Codierung im Prinzip auf den Forschungen von Prof. Zwicker.


Erster DSR Empfänger

Auf der Internationalen Funk-Ausstellung 1983 (IFA) wurde erstmalig ein von Telefunken im Rahmen eines vom BMFT (Bundesministerium für Forschung und Technologie) geförderten Forschungsprogrammes entwickelter Satelliten-Rundfunk-Empfänger vorgestellt. Die Übertragung zur IFA '83 erfolgte über den Satelliten "OTS".

Der allererste Proto-Typ des DSR Empfängers 1983 hatte noch ein Design entsprechend zu den TFK Radios und Hi-Com Cassetten-Geräten. Er hieß (auch) ST900-Sat. Das Display zeigte nur die Nummer des Programms.

1985 gab es dann schon ein "neueres" Design.

Über den Satelliten wurden 16 verschiedene Radio-Programme abgestrahlt. (Obere Tasten-Reihe 1 ... 16)
Man konnte aber auch nach (aktuellem) Programm-Angebot unter 15 Sparten auswählen. (Untere Tasten-Reihe)

Das war nun das spätere Design dieses DSR-Tuners, der nun auch seine Typen-Bezeichnung "ST 900" an der Front hat.

Links: die Daten des Prototyps aus der Presse-Mitteilung;             Rechts: die Daten zum ST 900

 

Telefunken hat weitere DSR Tuner herausgebracht, wie z.B. den DT 1000 DSR.

 

Bei dieser Vielzahl von DSR Tunern kann nur noch Grundig mithalten.

 

DSR Empfänger Vielfalt

Im Mai 1992 gab es in der Funkschau eine Übersicht über die damals aktuell angebotenen DSR Tuner. (Der Artikel liegt mir leider nur als vergilbte S/W Kopie vor, sorry.)

Wie man aus dieser Übersicht erkennt, hatten pratisch alle damals nahmhaften Firmen DSR Empfänger in ihren Angebot.

Das DSR Programm-Angebot

DSR Empfänger waren verhältnismäßi teuer, wie der Übersicht entnommen werden kann.

Im Grunde war DSR wegen der dabei erreichten Übertragungs-Qualität eher ein Angebot für Musikliebhaber.

Von diesen konnte erwartet werden, daß sie dieses Angebot nutzen würden - und sich einen teueren DSR-Tuner, ggf. mit Sat-Antenne zulegen.

DSR Radio-Hörer waren im Grunde eine qualitäts-bewußte Minderheit.

Mit Bayern 4, SWF 2 / SDR 2, Bremen 2, HR 2, NDR 3, WDR 3, SR 1, aber auch DLF und RIAS waren alle (westdeutschen) Sender mit ihren Kultur- bzw. Klassik-Programmen vertreten.

Daß auch einige Sender mit "Werbefunk rund um die Uhr" in dem Angebot vertreten waren, lag wohl daran, daß damals einige Programm-Plätze sonst leer geblieben wären. (Der 16. Platz war ursprünglich an "Radio Xanadu" vergeben, aber 1991 bereits wieder leer.)

Später wurde der Kanal 11 von RPR2, K. 13 von RTL, K. 15 von MDR Sputnik und K. 16 von Radio Energy belegt.

 

Außer der Wahl der Sender gemäß ihrer Nummer gab es (die viel wichtigere) Möglichkeit, die Programm-Beiträge (unabhängig von den Sendern) direkt auszuwählen. Daher auch die vielen Tasten der DSR Empfänger.

Wer sich also speziell für eine Programm-Art interessierte, konnte diese damit (abhängig vom aktuellen Angebot) einfach finden und auswählen.

Es fällt auf, daß eine Sparte wie "Werbefunk" hierbei nicht vertreten ist.

 

Die Satelliten mit DSR

Die Ausstrahlung des DSR fiel in die "Wende-Zeit". Auf den folgenden Karten von TechniSat ist bereits das wiedervereinigte Deutschland eingetragen.

DSR wurde zunächst über zwei Satelliten ausgestrahlt, TV-Sat und DFS-Kopernikus. Der TV-Sat war zum Empfang von DSR die attraktivere Alternative. Denn hierfür bot TechniSat eine relativ kleine aktive Flächen-Antenne an. Man benötigte also keine "Schüssel", wie es für das Satelliten-Fernsehen erforderlich war.

An der Außenwand am Haus ist diese Antenne kaum aufgefallen.

Und manch ein Camper hat sie auch an seinem Wohnwagen angebracht.

Die Satenne war speziell für den TV-Sat entwickelt worden. Anders als bei einem Parabol-Spiegel mit LNB konnte nur der TV-Sat empfangen werden.

Aber für DSR hat das völlig genügt.

Für DFS-Kopernikus wird dagegen eine "Schüssel" benötigt.

 

TV-Sat abgeschaltet

Der TV-Satellit wird zum 31. Dezember 1994 für DSR abgeschaltet. Der Satellit wird auf eine neue Orbitposition verschoben und neu vermietet. In einer Presse-Notiz vom 14.11.1994 von "Kabel & Satellit" liest man dazu:

Die Generaldirektion der Deutschen Telekom hatte sich nach schriftlichem Protest "ausnahmsweise" zu einer geringen Kompensatios-Zahlung für die Anschaffung einer Antenne für den Eutelsat bereitgefunden, verbunden mit der ausdrücklichen Versicherung, daß keine Absicht bestehe, das Übertragungsangebot von DSR Programmen aufzugeben.

Die Zeitschrift "HiFi-Vision" berichtet in ihrer Ausgabe vom Oktober 1994 folgendes.

In der "HiFi Vision" wurde auch eine Übersicht der damals über DSR ausgestrahlten Programme veröffentlicht. (links)

War der (ursprüngliche) Ausgangspunkt für DSR, gemäß der Codierung der CD, das Audio-Signal keiner Quell-Codierung und keiner Audio-Kompression zu unterziehen, so kann man nur erstaunt zu Kenntnis nehmen, daß zwischenzeitlich einige Programmanbieter den "Optimod" Audio-Prozessor verwenden.

Bei Privat-Funkern mit "Werbefunk rund um die Uhr" mag das noch verständlich sein, weil jeder davon der Lauteste sein möchte. Aber daß ein Kulturprogramm wie NDR 3 auch von Optimod Gebrauch macht, ist schon reichlich seltsam.

Allerdings wurde ab dieser Zeit das NDR 3 Programm deutlich "flacher". Auch hat sich ab da auch der UKW Fernempfang für NDR 3 nicht mehr gelohnt, leider.

Wie aus der Programm-Übersicht ebenfalls zu entnehmen ist, gab es 1994 für einige Programme bereits die Alternative über den Satelliten-Empfang von Astra Digital Radio (ADR).

Die "Verarbeitung" des NF Signals durch Optimod zeigen Figuren 1-1 und 1-2.

Die Dynamik des NF-Signals wird auf ca. 6 dB reduziert. Dadurch wirkt das NF Signal viel lauter.

Bei einer DSR Übertragung macht das eigentlich keinen Sinn, genau so wenig, wie wenn man eine CD "veroptimodeln" würde.

Aber Optimod war damals "der letzte Schrei" und für Sender mit Werbefunk anscheinend auch bei DSR ein "Muß". Mit dieser Dynamik-Kompression wurde der ursprüngliche Ansatz des DSR pervertiert.

 

DSR über Eutelsat eingestellt

Zum Jahresende 1999 wurde die Übertragung des DSR über Eutelsat "sang- und klanglos" eingestellt, ohne daß die Telekom das angekündigt hatte.

Die inzwischen "allgemein übliche" MPEG Audio-Codierung ermöglicht es, eine Vielzahl von Programmen über die Bandbreite zu übertragen, die für die 16 DSR Programme notwendig war.

Wenn man es so betrachtet, ist der ursprüngliche Ansatz von DSR, nämlich die Codierung der CD dafür anzuwenden, der Grund für sein Ende.

DSR Geräte ins Museum

Nach dem Ende von DSR gab es in der Bekanntschaft einige nun nutzlose DSR Empfänger. Auch ein Gerät vom Prototyp ST900SAT war dabei. Die Geräte wurden dem Telekom Museum in Heusenstamm übergeben.

Die "Erfahrung" aus dem Umgang mit neuen technischen Rundfunk-Systemen hat sicher auch allgemein zur Skepsis bezüglich der Lebensdauer von digitalen Rundfunk-Systemen beigetragen.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.