Electronics 1932: Die Wunderlich Röhre

ID: 532273
Dieser Artikel betrifft das Bauteil: Zur Röhre/Halbleiter

Electronics 1932: Die Wunderlich Röhre 
01.Dec.19 17:47
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Achim Dassow (CH)
Redakteur
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Liebe Mitglieder, liebe Besucher des RM,

Die Auswertung der ersten Jahrgänge der "Electronics" trägt Früchte:
In der Aprilausgabe 1932 [1] wird ein Artikel zur Wunderlich Röhre vorgestellt.
Darin geht es neben einiger technischer Angaben sowohl um die Beschreibung der Funktion als Detektor als auch einen Vergleich der Empfindlichkeit und Linearität mit einer 227 als Detektor.
Da über die Wunderlich Röhre hier im RM auch schon viel berichtet wurde ("Die Wunderlich Röhren" und "Wunderlich operational details"), sehe ich diesen Beitrag als wertvolle Ergänzung (von mir ins Deutsche übersetzt).

Die Wunderlich Röhre

Der neue Detektor, bekannt als Wunderlich Röhre hat definitiv Vorteile. Während die Hf-Eingangsspannung als Gegentaktspannung anliegt, ist die Ausgangsspannung ein Eintaktsignal.
Die Röhre hat dafür zwei Gitter in einer co-zylindrischen Anordnung um eine gemeinsame Kathode.
Zur Zeit der Erstellung dieses Artikels wird die Röhre einzig von Arcturus hersgestellt.
Schaltungsdetails stehen für die Veröffentlichung nicht zur Verfügung, aber stellen Sie sich eine mittenangezapfte Spule für das Eingangssignal vor, welche auf die Eingangsfrequenz abgestimmt ist.
Zwischen der Mittelanzapfung und der gemeinsamen Kathode befindet sich ein Widerstand. Die Anoden ist wie bei bei konventionellen Schaltungen an nachfolgende stufen angekoppelt.
Ankommende Signale erzeugen abwechselnd auf einem, dann auf dem anderen Gitter einen Strom, wodurch eine Gleichrichtung einsetzt.

Der zum jeweils positiven Gitter fliessende Strom is geringer als gewöhnlich, oder als wenn in einer ähnlichen Anordnung mit zwei 227 Röhren gemessen.
Die Gleichrichtung erzeugt eine pulsierende Gleichspannung über dem Widerstand an der Mittelanzapfung und damit ein negatives Potenzial auf der Gitterseite des Widerstandes, abhängig vom Eingangssignal.

Diese negative Spannung kann für die Einrichtung einer AVC verwendet werden. Nach der Detektion arbeitet die Röhre als Audio Verstärker parallel mit beiden Gittern.
Was die Audio Verstärkung betrifft, arbeitet die Röhre weitgehend wie die 227, abgesehen vom cut-off, der etwas weniger abrupt stattfindet.
Es wird berichtet, dass bis zu 20 Volt Audio Spannung ohne grosse Verzerrungen zur Verfügung stehen.
Stärkere Trägerspannungen erzeugen höhere Gittervorspannungen, so dass die Detektion bei hinreichend konstantem Pegel stattfindet, was wiederum Übersteuerungen entgegenwirkt.

Die Röhre bietet Vorteile hinsichtlich höherer Empfindlichkeit und geringerer Verzerrungen. Zusätzlich wird auf Produktionsvorteile hingewiesen, welche es möglich machen sollen, mit 6-7 Röhren die Qualität eines 9-Röhren empfängers zu erreichen.
Ein Autoradio mit AVC und nur 5 Röhren wird vorgeschlagen.
Ein interessanter Effekt ist, dass Rauschen und Röhrengeräusche eine initiale Gittervorspannung erzeugen, so dass mit der passenden Zeitkonstante Geräusche beim Wechsel von einer Station zur Nächsten unterdrückt werden kann.
 

Bemerkungen zur Wunderlich Röhre*

Die Wunderlich Röhre kann man sich als eine Triode vorstellen, zwischen deren Gitterwindungen sich ein zweites Gitterwendel befindet.
Die Aufgabe dieser Anordnung ist die Gitterleistungsdetektion und Vollwellengleichrichtung mit minimalem Hf-Strom im Anodenkreis.
Daraus entstehen gleich zwei Vorteile: Verdoppelung der Ausgangsspannung durch Verhinderung gleichzeitiger Anoden- und Gittergleichrichtung und  Entfall eines Hf-Siebglieds im Anodenkreis.
Wenn Gitterwiderstand und Kondensator richtig dimensioniert sind, ist die darüber entstehende Spannung beinahe exakt proportional zur Rf-Signalamplitude und damit eine genaue Reproduktion der Modulationsspannung.
Die Spannung über dem Anodenwiderstand enthält eine DC-Komponente proportional zur Trägeramplitude und einen Anteil der sich mit der Modulation ändert.
Die DC-Komponente spannt die Gitter negativ vor und hat die richtige Polarität für eine AVC.
Gitterwiderstand und Kondensator müssen in Abhängigkeit von Detektoreffizienz, Klirrfaktor, Hf-Eingangswiderstand, und Hf-Input der Röhre ausgewählt werden.
Bei gewünschter sehr guter Signalqualität wird ein Gitterwiderstand von 0.25 Megohm empfohlen, generell reicht ein Wert von 0.5-1 Megohm.
Die maximale Ausgangsleistung des Detektors hängt von der maximal ohne Verzerrung erreichbaren Ausgangsspannung ab.
Mit beiden Gittern parallelgeschaltet ist die Röhre eine Triode mit einem mu von 9-12 und einem Ausgangswiderstand  von 10-20 Kiloohm.
Unter Annahme einer Gleichrichtungseffizienz von 70% kann eine maximale Trägerspannung von 21.3 Volt pk verarbeitet werden und bei 100% Modulation entstehen über dem Gitter Audiospannungen von bis zu 10.65 Volt pk welche für genügend Ausgangsspannung sorgen um Pentoden oder Gegentaktverstärker anzusteuern.
Die Höhe der für AVC-Zwecke erreichbaren negativen Vorspannung hängt von der Gestaltung des Anodenkreises ab und kann bei der Wunderlich Röhre in der Grössenordnung von 15 volt liegen.
Im Vergleich mit dem Anodengleichrichter kann der Wunderlich Detektor eine etwas höhere Detektoreffizienz erreichen, insbesodere bei Hf-Amplituden von mehreren volt.
Die Röhre hat genügend Ausgangsleistung um den Leistungsverstärker jedes Empfängers anzusteuern und erzeugt direkt eine AVC Spannung.
Im Vergleich mit der konventionellen Schaltung mit einer Triode ist die Effizienz etwa die gleiche, die Verzerrungen sind wegen der Gegentaktansteuerung geringer und die erzielbare Ausgangsspannung ist doppelt so gross.
Der einzige Nachteil ist, dass der Eingang mit Mittelanzapfung die doppelte Signalspannung gegenüber einer einfachen Triode benötigt.
* Von F. E. Terman, SC.D., Stanford University.
(später Professor und Autor zahlreicher Bücher der Radioliteratur)

Bereits im Juni 1932 erschien eine ganzseitige Werbung für die Wunderlich Röhre, beworben als "die blaue Röhre mit dem roten Sockel". (Siehe rechts).

Literaturnachweis:
[1] New Tubes - Detectors, Rectifiers, Amplifiers, Electronics, April 1932, pp. 118-120, 148

Gruss
Achim

 

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