Fernsehsender Hartmannsdorf (Karl- Marx- Stadt )

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Fernsehsender Hartmannsdorf (Karl- Marx- Stadt ) 
08.Aug.20 10:41
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Da habe ich mir ein sehr schwieriges Thema ausgesucht. Informationen zu finden, gleicht der Suche nach einer Nadel im Heuhaufen. ..und dabei ist es erst 65 Jahre her.

Der Fernsehsender Hartmannsdorf wurde als erster Sender  für das Gebiet Karl- Marx- Stadt             ( Chemnitz) am 1.Mai 1955 in Betrieb genommen. Standort der Technik war im Turmbau der damaligen Firma Trikotex (Die "Recenia" Wirk-und Webwarenfabrik wurde 1926-1927 vom englischen Textilunternehmer Leo Shaerf erbaut) auf der Steinkuppe NN 386 m .

Bild aus der Chronik des Ortes, Autor unbekannt, etwa 1953 . Oben ist ein Roter Stern zu sehen, dieser wurde bei Dunkelheit eingeschaltet, wenn der Tagesplan erfüllt war.

Ich habe Mitteilungen zur Eröffnung des Fernsehsenders gesucht, aber weder in örtlichen Tageszeitungen noch im Zentralorgan "Neues Deutschland" gibt es dazu eine Information.

Herr Hajo Böhme, der letzte Leiter des Funkamtes Dresden, hat mir eine Seite der Chronik des Funkamtes geschickt.

Dieser entnehme ich;

"An der vielbefahrenen Staatsstraße  B 95 ( heute im Jahre 2020 ist diese nur noch Kreisstraße) von Chemnitz in Richtung Leipzig direkt am Ortseingang von Hartmannsdorf steht die ehemalige Textilfabrik Recenia ( jetzt nach großem Umbau genutzt als Seniorenzentrum). 

Das Gebäude mit dem markanten Turmbau war der Standort für den ersten Fernsehsender in diesem Gebiet."

Empfangen wurde das Signal nicht über Richtfunk sondern über Ballempfang.

                           

Radio- und Fernsehen ist die einzigste Fachzeitung, die den Sender erwähnt und dies auch erst im 1.Septemberheft 1955.

Der Sender Hartmannsdorf ist der vierte Standort  auf dem Gebiet der DDR, von  welchem das Versuchsprogramm von Berlin- Adlershof  gesendet wird. Der 150 Watt Bildsender arbeitete im VHF- Kanal 9, Bild 203,25 MHz und der 50 Watt Tonsender auf 208,75 MHz . Der Bild- Tonabstand ist hier ; 5,5 MHz eigentlich schon die CCIR- Norm. OIRT ist Bild- Tonabstand 6,5 MHz.

Damit ist der Sender Hartmannsdorf der erste DDR Sender mit CCIR- Norm. Da die im Handel erhältlichen Empfänger zu diesem Zeitpunkt noch garnicht serienmäßig  mit dieser Norm zur Verfügung stehen, kann eigentlich nur mit dem Leningrad und dem Rembrandt dieser Sender mit Ton empfangbar gewesen sein.

In dem Artikel der "Radio und Fernsehen" pikt man natürlich die positiven Aspekte heraus.     Das Band III ist weniger störanfällig und bemerkenswert findet man hier, daß das Signal mittels Ballempfang eingespeist wird. Es ist auch nur eine Zwischenlösung. Am 21.12.1955 wird der Großsender auf dem Katzenstein seine Sendetätigkeit aufnehmen, wie wir es heute wissen.

Nun komme ich wieder zur Chronik des Funkamtes Dresden:

"Abgestrahlt wurde vom höchsten Punkt des Gebäudes mit einer achtfach- Schmetterlingsantenne. Die Empfangsanlage befand sich wiederum nahezu am tiefsten und hintersten Punkt des Fabrikbaues.

Der Ballempfänger FE 853 aus dem Sachsenwerk Radeberg soll hier im Einsatz gewesen sein. Empfangen wurde das Signal von Leipzig " ( das Karl- Marx- Hochhaus , heute wieder Europahaus)" .

Der Leipziger Fernsehsender, Hersteller Sachsen- Werk Radeberg, vom Typ FS 873 OIRT Band  wurde auf den Frequenzen 59,25 MHz ( 3 KW Bild) und 65.75 MHz (1 KW Ton ) betrieben. Damit konnte man etwa 45 Km weit senden. 

Der Standort  liegt zwar in etwa 386 m Höhe + Turmhöhe ca 24 m , ist jedoch gute 62 Km Luftlinie vom Standort des Leipziger Senders entfernt.

Damit war eine sichere Versorgung wetterabhängig nicht zu gewährleisten. Tagelang kam manchmal kein oder nur ein schlechtes Signal an, trotz großem Aufwand bei den Empfangsantennen und der Röhrenverstärkertechnik.

Empfangsseitig waren damals Mitte 1955 in Raum Karl- Marx- Stadt etwa 300 Empfänger vorhanden, diese hatten teilweise bereits einen 10 Kanal Tuner wie der FE 855C ( Rubens erste Version)  und auch der Rembrandt FE 852E. Sicher versuchten diese Enthusiasten damals auch den Sender Radebeul oder Leipzig direkt zu empfangen, was jedoch nur auf höher gelegenen Standorten überhaupt mit einem großen Antennenaufwand möglich war... Der kleine Sender soll eine Reichweite bis 20 Km gehabt haben... und sendete das Versuchsprogramm vom Deutschen Fernsehfunk Berlin- Adlershof, was damals von Dienstag bis Sonntag ausgestrahlt wurde. 

Der Standort auf dem ehemaligen Fabrikgebäude , hier ein Foto von Hajo Böhme aus dem Jahre 2013, ist natürlich auch heute noch begehrt für Richtfunk und Mobiltelefon.

 

Am 21.12.1955 startete der VHF- Sender Katzenstein und "ersetzte" den Sender Hartmannsdorf.

Foto; unbekannt. Sender Katzenstein mit Betriebsgebäude .   ...aber dazu demnächst mehr....

Welche offenen Fragen zum Hartmannsdorfer Sender gibt es noch ? 

Wer war der Lieferant bzw Hersteller des 150/50 Watt Senders ?  CCIR- Norm ist angegeben , deshalb keine Information zum Sendebeginn in der Zeitung, da die Fernseher mit CCIR-Norm offiziell noch gar nicht in der DDR  verkauft wurden. 

Wer kann mit Fotos von den technischen Anlagen oder gar Empfangsberichten helfen ?

Sollte ich doch eine Presseveröffentlichung übersehen haben, bitte ich um Nachricht.

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.