funke: Funke W20: Ein unbekannter Vertriebsweg und Einsatzbereich

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funke: Funke W20: Ein unbekannter Vertriebsweg und Einsatzbereich 
27.Oct.18 13:01
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Hans RODT (D)
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Hans RODT

Funke W20 Röhrenmessgerät: Ein unbekannter Vertriebsweg und Einsatzbereich

Die Technik der Röhrenmessgeräte Funke W20 wurde in mehreren Berichten hier im Radiomuseum, von Kurt Schmid (1), im Buch „Röhrenhistorie“ von W. Scharschmidt (2) und u.a. auf der Web-Seite „Jogis-Röhrenbude“ (3) im Detail beschrieben. Im Gegensatz dazu ist über die Vertriebswege und über die Einsatzbereiche und –orte dieser Geräte wenig bekannt.

Zu den letzteren soll nachfolgend ein interessanter Ablauf beschrieben werden. Das in diesem Zusammenhang verfolgte Funke W20 Röhrenmessgerät war eine olivfarbene Militärausführung mit versenkten Verschlüssen, wie sie schon von den Ausführungen des Röhrenprüfgeräts Funke W19s bekannt ist. Die Seriennummer war Nr. 28157. Das Gerät wurde hier bereits in einem anderen Zusammenhang beschrieben. Aus Markierungen, die auf verschiedenen Bauteilen aufgedruckt waren, kann ein Herstellungsdatum um 1963 angenommen werden.

Auf diesem Gerät war oberhalb des Drehprüfschalters ein Wartungsaufkleber angebracht (Abb. 1, Abb. 2).

Ich war der Ansicht, dass sich an Hand dieses Aufklebers Hinweise auf den Einsatzort des Geräts ergeben müssten. Die Annahme allerdings, dass das Gerät bei der Deutschen Bundeswehr zum Einsatz kam, war nicht zutreffend. Eine Suche im Internet nach einer Dienststelle BAMF endete immer mit Angaben zum Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, was als Einsatzort kaum vorstellbar war.  Bei weiterer Suche ergab sich noch ein Hinweis auf das Schweizer Bundesamt für Militärflugplätze, einer ehemaligen Unterhaltsorganisation der Schweizer Luftwaffe. Ein weiterer Zusammenhang dieser Organisation mit dem Röhrenmessgerät Funke W20 ließ sich im Internet trotz ausgedehnter Suche nicht ermitteln. Ich habe dann bei einer weiteren Recherche im Radiomuseum finden können, dass unser Schweizer Mitglied Herr Schaffhauser bei dem damaligen BAMF-Betrieb Buochs und dessen Nachfolgebetrieb SF, bzw. RUAG Aerospace beschäftigt war. Im Weiteren hat mir Herr Schaffhauser sehr geholfen, den Einsatzbereich meines und weiterer vergleichbarer Röhrenmessgeräte aufzuklären. Es hat sich der folgende historische Zusammenhang ergeben:

Ende der 50er Jahre wurde von der Schweizer Regierung beschlossen, ein neues Jagdflugzeug anzuschaffen. 1959 schlugen die militärischen und technischen Fachleute des damaligen Eidgenössischen Militärdepartements die Beschaffung von 100 Mirage-III-Kampfflugzeugen der Firma Dassault vor. Der Schweizer Bundesrat entschied sich für die Mirage III und beantragte 1961 die Beschaffung von 100 Maschinen, deren Zelle und Triebwerk in der Schweiz in Lizenz gebaut werden sollten. Als erstes Exemplar wurde 1962 eine französische Mirage III gekauft, mit der Waffeneinsatzerprobungen stattfanden. 1964 folgten aus Frankreich zwei Doppelsitzer IIIBS für die Ausbildung und Schulung der zukünftigen Mirage-Piloten.

Die nötigen technischen Anpassungen für die in Lizenz produzierte Version Mirage IIIS (u. a. der Einbau amerikanischer Taran-Elektronik) und der erhöhte Aufwand der Lizenzproduktion selbst führten jedoch zu massiven Kostenüberschreitungen. Die erhebliche Kritik an der Beschaffung durch eine Untersuchungskommission führte zu personellen Konsequenzen mehrerer Verantwortlicher und die Zahl der produzierten Jets musste auf 57 reduziert werden.

1961 wurde der Luftfahrtbetrieb der Schweizer Luftwaffe mit Flugplatz in Buochs Fachstelle für die Mirage IIIs Flugzeuge und war damit auch zukünftig für den Unterhalt der Maschinen zuständig. In den Militärflugzeugen war eine Fülle von Elektronik (Sprechfunk, Navigation mit Radar, Waffenelektronik) verbaut, die zu der damaligen Zeit noch mit einer großen Zahl Elektronenröhren ausgestattet war. Im Rahmen der Wartung dieser Ausstattung wurden eine Reihe von Röhrenmessgeräten Funke W20 direkt beschafft und eingesetzt. Diese Geräte waren wohl nie bei der Deutschen Bundeswehr in Gebrauch. Die Funke Geräte verfügten offensichtlich über die notwendigen Subminiatur-Röhren- und Nuvistorfassungen und Adapter, die für diesen Bereich der Wartungsaufgaben notwendig waren. Die für die Fachstelle in Buochs verantwortliche Organisation war die Direktion für Militärflugplätze DMP, die 1968 in Abteilung für Militärflugplätze AMF und 1979 in Bundesamt für Militärflugplätze BAMF umbenannt wurde, ohne dass sich wesentliche Änderungen der Aufgabenstellungen ergaben.

Und hier komme ich wieder auf den Aufkleber auf meinem Funke W 20 zurück. Offensichtlich handelt es sich dabei um einen Aufkleber zur regelmäßigen Kontrolle und Kalibrierung (2-Jahresperiode ?) des Röhrenmessgeräts, das im Rahmen der Wartung der Elektronik der Mirage IIIs Flugzeuge in Buochs eingesetzt war. Die letzte Kontrolle des Geräts hat wohl 1982 stattgefunden.

Wichtig war der Hinweis von Herrn Schaffhauser, dass die Röhrenprüfgeräte auf dem Deckel mit einer schwarzen Kennzeichnung 7F/W-95- und einer Folgenummer versehen waren.  Das weist auf Bodenmaterial des Flugzeuges Mirage hin. Diese Kennzeichnung war auf meinem Gerät oberflächlich entfernt, bei seitlicher Betrachtung ist aber die Bezeichnung 7F/W-95-604 deutlich zu erkennen (Abb. 3).

Herr Schaffhauser hat mir ein weiteres Bild  der Kennzeichnung (Abb. 4) zur Verfügung gestellt.

Damit war  der letzte Beleg für den Einsatzbereich meines Geräts erbracht.

Über den weiteren Weg meines Geräts konnte ich nicht mehr viel erfahren. Wahrscheinlich wurde das Gerät im Rahmen des Rückbaus der Schweizer Luftwaffeneinrichtungen nach Ende des kalten Krieges ausgemustert und kam über diesen Weg in die Hände der BAMF-Angestellten, bzw. des Surplus-Markts.

Die letzten Mirage IIIs Flugzeuge wurden 1999 stillgelegt.

Referenzen

(1)   Schmid, Kurt, Geliebt und gehasst: Das Funke W 20, Funkgeschichte 231,39-47, 2017

(2)   Scharschmidt, Wolfgang, Röhrenhistorie Band 3, Max Funke und seine Röhrenprüfgeräte   211-  248 , Funk Verlag Hein Verlag 2009

(3)  www jogis-roehrenbude.de/Roehren-Geschichtliches/ Roe-Pruefer/Funke-W20/W20.htm, abgerufen am 27.10.2018

Ausführliche Referenzen zur Schweizer Historie kann ich bei Bedarf gerne zur Verfügung stellen.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.