Funkversuchstelle an der Staatlichen Hochschule für Musik

ID: 235496
Funkversuchstelle an der Staatlichen Hochschule für Musik  
02.Nov.10 11:24
5274

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 16
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die Begeisterung für das Radio war im ersten Jahrzehnt noch recht groß. So interessierten sich auch Musiker für die Möglichkeiten, die sich daraus ergaben. An der (ehemaligen) Staatlichen Musikschule in Berlin wurde am 3. Mai 1928 eine Funkversuchstelle eingerichtet, die in dem nachfolgenden Artikel aus der ETZ beschrieben wird.
Diese Funkversuchstelle war auch der Ort, wo mit elektronischer Musik experimentiert wurde. Oskar Sala berichtete lebhaft darüber, wie er zusammen mit Friedrich Trautwein, dem Erfinder des Trautoniums, hier an dem damals noch ganz neuen Instrument experimentierte und dieses weiter entwickelte. Er konzentrierte sein Studium schließlich ganz auf dieses Instrument – im Einverständnis mit seinem Lehrer Paul Hindemith. Das Trautonium ist schwierig zu spielen. Oskar Sala war schlußendlich der einzige, der dieses Instrument virtuos beherrschte.

954     Elektrotechnische Zeitschrift 1928 Heft 25       21. Juni 1928
 
 

Fernmeldetechnik.


Die Funkversuchstelle an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin.
Eine am 3. V. d. J. [3. Mai 1928] an der Staatlichen Hochschule für Musik in Berlin eröffnete Funkversuchstelle soll gleichzeitig technische und künstlerische Aufgaben erfüllen und Musikern, Technikern und Wissenschaftlern Gelegenheit geben, in enger Zusammenarbeit alle bei der elektrischen Aufnahme und Wiedergabe von Sprache und Musik auftretenden Erscheinungen zu untersuchen. Das Ziel aller in der neuen Versuchstelle auszuführenden Arbeiten soll sein, den künstlerischen Aufgaben des Rundfunks eine wissenschaftliche Grundlage zu schaffen und damit die Anhaltspunkte für etwa nötige und mögliche Verbesserungen seiner sämtlichen Hilfsmittel zu geben.

Eine wichtige Aufgabe soll auch darin bestehen, ausübende Künstler für die besonderen Bedingungen des Rundfunks einzustellen, sie gewissermaßen für das Mikrophon zu erziehen, weil dort der Künstler eine ganz andere Umgebung findet wie auf dem Konzertpodium oder auf der Bühne. Endlich soll die Versuchstelle auch den pädagogischen Zwecken der Hochschule dienen und ein Hilfsmittel beim Musikunterricht sein. Dieses Programm, das bei der Eröffnungsfeier durch den Leiter der Versuchsstelle, Prof. Schünemann von der Musikhochschule, angedeutet wurde, umfaßt jedoch nur einen Teil der Möglichkeiten; eine große Anzahl weiterer Aufgaben wird sich natürlich erst im Laufe der Arbeiten ergeben. Mit den technischen Einrichtungen der Versuchstelle machte bei der Eröffnungsfeier ein Vortrag von Prof. Leithäuser bekannt, dessen Ausführungen eine Filmvorführung unterstützte.

Das wichtigste Hilfsmittel der Versuchstelle ist eine neuzeitliche Musikübertragungsanlage, die von der Firma Siemens & Halske geliefert wurde. Diese Anlage wurde ihrem Verwendungszweck als Versuchsanlage entsprechend so eingerichtet, daß sie möglichst vielseitig zu benutzen ist. Die Anlage ermöglicht es, von jedem Raum zu jedem anderen Musik oder Sprache zu übertragen, wobei alle Arten Aufnahmemikrophone, Verstärker und Wiedergabegeräte eingeschaltet werden können.
 
 
Vom Verstärkerraum im Dachgeschoß (Abb. 9) führen Leitungen zu allen Räumen, die an die Übertragungsanlage angeschlossen sind; es sind dies u. a. der große und kleine Musiksaal, mehrere Unterrichtszimmer und Hörsäle, das Direktorzimmer und der Verstärkerraum selbst. Aus jedem Raum führt je eine Doppelleitung zu der links sichtbaren Mikrophontafel und zu der rechts angebrachten Lautsprechertafel; eine weitere Doppelleitung geht zu einem Fernsprechschrank und ermöglicht es, zwischen zwei beliebigen Räumen eine Fernsprechverbindung herzustellen. Die Verstärkereinrichtung besteht z. Zt. aus einem Mikrophon-Hauptverstärker, einem Endverstärker und zwei wahlweise einschaltbaren Zusatz-Endverstärkern, die eine unverzerrte Leistung von 150 bzw. 250 W hergeben. Außerdem befinden sich im Verstärkerraum noch die nötigen Drosselsätze, verschiedene Übertrager und die Bedienungschalttafel für den in einem benachbarten Raum aufgestellten Maschinensatz, der u. a. eine 1500V-Dynamo zur Erzeugung der Anodenspannung enthält. über der Umschaltetafel in der Mitte ist ein Kontrollautsprecher angebracht, mit dem vom Verstärkerraum aus die Güte der Übertragung überprüft wird. Die Anordnung ermöglicht es, sämtliche angeschlossenen Räume in beliebiger Weise auf den Verstärkerraum zu schalten.
 
 
Abb.10 zeigt ein Unterrichtszimmer mit einem Klemmenkasten, in dem ein Bändchenmikrophon und ein Lautsprecher angeschlossen sind. Außer Bändchenmikrophonen werden alsAufnahmegräte vorzugsweise noch Kondensatormikrophone (Abb. 11) benutzt. Zur Wiedergabe benutzt man gewöhnlich Protos-Lautsprecher, außerdem verfügt das Institut auch über mehrere Faltlautsprecher und einen Riesenblatthaller neuester Bauart (Abb. 12).
 
 
 
Außer der Musikübertragungsanlage ist als wichtiges Hilfsmittel noch ein Oszillograph von Siemens & Halske vorhanden, der zum Aufzeichnen von Klängen dient und ebenfalls mit Hilfe des beschriebenen Verteilungsnetzes auf sämtliche Räume geschaltet werden kann. Endlich ist noch ein Stillescher Schreiber zu erwähnen, der die aufgenommenen akustischen Schwingungen in magnetischer Form auf einem Stahldraht festhält und sie jederzeit wieder abgeben kann. Der Apparat ist ein wertvolles Hilfsmittel beim Unterricht und wird benutzt, in dem er dem Schüler seine eigene Leistung vorführt und ihn so auf etwaige Fehler hinweist. Auch dieser Schreiber läßt sich auf sämtliche Räume des Hauses schalten.

Bemerkenswert ist die Einrichtung des Aufnahmeraumes. Dieser ist nämlich durch Vorhänge beliebig zu unterteilen, so daß man Feststellungen über die günstigste Größe, die zweckmäßigste Aufstellung der Künstler und ähnliche Fragen machen kann. Einige von den Apparaten wurden bei der Einweihungsfeier im Betriebe vorgeführt, um ihre Eigenschaften und vielseitige Verwendbarkeit zu zeigen. Verschiedene Übertragungen aus dem Aufnahmeraum zum Musiksaal zeigten, daß der verschiedene Klangcharakter der Instrumente und Stimmlagen im Faltlautsprecher gut zur Geltung kommt. Die Vorführung eines Fernunterrichts, bei der Lehrer und Mikrophon die Klänge vernimmt, die, nach entsprechender Verstärkung, zu Kopfhörern weitergeleitet werden. Diese Kopfhörer werden von allen in verschiedenen Räumen vor ebenso vielen Mikrophonen sitzenden Orchestermusikern getragen, und zwar so, daß er sein eigenes Spiel überprüfen kann. Durch den Kopfhörer vernimmt jeder Mitspielende nicht nur Takt und Tempo, die ihm das Klavierspiel des Ferndirigenten übermittelt, sondern auch den durch Lautsprecher im Vorführungsraum ertönenden Zusammenklang des Orchesters, so daß er dauernd feststellen kann, ob das Klang- und Stärkeverhältnis seines musikalischen Vortrages zu dem des übrigen Orchesters das richtige ist. Auf die gleiche Weise gelang es, eine Sängerin im Saal von mehreren ebenfalls getrennt voneinander sitzenden Musikern begleiten zu lassen. Ikl.

 

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.