graetz: Disaster am "Daisy 1032" - Transistorersatz

ID: 159823
Dieser Artikel betrifft das Modell: Daisy 1032 (Graetz, Altena (Westfalen))

graetz: Disaster am "Daisy 1032" - Transistorersatz 
01.Mar.08 07:59
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Jens Dehne (D)
Redakteur
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Eigentlich habe ich gar keine Zeit für mein Hobby, aber ich kann mich dabei gut entspannen und bequem ist es ohnehin, weil nur einen Arbeitsplatz weiter alles dafür eingerichtet ist.

Ich wollte mal wieder einen Transistorempfänger bearbeiten, animiert durch Beiträge über erste Transistoren hier im RM.

Ein frühes Kofferradio von Graetz war da gerade willkommen. Der erste Blick in das Gerät ließ weitestgehend Originalzustand erkennen, offensichtlich keine gewechselten Bauelemente oder sonstige Spuren der Vergangenheit des Gerätes.

Zum ersten Funktionstest nutze ich ein Netzgerät mit elektronischer Sicherung. Nach dem Einschalten stellte sich eine normale Stromaufnahme von etwa 30mA ein. Es war kaum Empfang auf allen Bereichen, auch wenig Rauschen zu hören. Zunächst kontrollierte ich die Spannungsangaben laut Schaltbild in der Stromversorgung und am NF-Teil – alles OK. Hierbei muss beachtet werden, dass gegen +Batterie gemessen wird und dass die Messwerte mit einem Instrument mit 50kOhm/V Innenwiderstand laut Plan gemessen wurden. Mit heute gebräuchlichen hochohmigen Messgeräten mit einem „Ri“ von 10MOhm oder höher sind die gemessenen Spannungen an hochohmigen Messpunkten natürlich entsprechend höher.

Beim Messen der Spannungsverhältnisse an T6 war beim Berühren der Basis mit der Messspitze (Messstrippe) ein deutlicher Brumm zu vernehmen. Am Schleifer des Lautstärkepotis bei Rechtsanschlag allerdings nicht. Es stellte sich heraus, dass der Koppelkondensator C301 (2µF Elko) keine Kapazität hatte, er war wohl völlig ausgetrocknet. Nach Ersetzen des Elkos war sofort das typische Rauschen zu vernehmen, auf den AM-Bereichen war guter Empfang, nur auf FM / UKW war der Empfang deutlich leiser und irgendwie verzerrt.

Die Spannungen an T3, T4 und T5 des ZF-Verstärkers waren alle im Bereich der Vorgaben, allerdings baute sich auch nach Wechseln des Elkos im Ratiodetektor keine Spannung über diesem auf. Alle Filter waren augenscheinlich noch original mit Wachs versiegelt; es war also davon auszugehen, dass noch niemand die Filterkerne verdrehte. Sogar das probeweise Einspeisen einer 6,75MHz HF an die Basis von T5 brachte keine nennenswerte Gleichspannung an C252, dem „Ratioelko“. Da stimmte etwas nicht im Demodulator, war meine Vermutung. Ich lötete das komplette Ratiofilter aus. Es stellte sich heraus, dass eine Demodulator-Diode OA90 hochohmig war. Ich ersetzte diese vorläufig aus Mangel an Originalersatzteilen (Germanium-Diodenpaar zur Demodulation) durch eine GA103 aus DDR-Produktion. Der gerade empfangende UKW-Sender war dann wesentlich klarer zu hören. Der Ratiodetektor wurde anschließend nach Abgleichanweisung abgeglichen; ohne Probleme. Allerdings war der UKW-Empfang immer noch leiser als vergleichsweise der Empfang auf Mittelwelle oder Langwelle. Da ich den Messsender gerade bereit hatte, überprüfte ich den UKW-Tuner gleich mit. Es ließen sich alle Kreise nach Abgleichanweisung abgleichen. Nur war der untere Empfangsbereich auf UKW deutlich unempfindlicher, auch war die Selektion des UKW-Vorkreises im unteren Frequenzbereich deutlich breitbandiger. Ein „spitzes“ Maximum war mit L11 bei 88,5Mhz nicht zu finden; im oberen Empfangsbereich bei 98MHz ließ sich mit C14 allerdings das erwartete Maximum (Gleichspannung am Ratio-Elko, gemessen mit hochohmigem Voltmeter) gut „eintrimmen“. Da konnte etwas nicht stimmen!

Also Tunerabschirmung ab, augenscheinlich alles OK, aber schon die einzige Spannungsangabe des Herstellers lag daneben. Anstelle von -0,65V am Emitter von T1 (OC171 / UKW-Vorstufe) lagen dort etwa -5V an. Der P-N Übergang zwischen Basis und Emitter war nicht OK, seltsamer Weise hatte der Transistor auch noch einen Schluss zwischen Emitter und Schirm. Da ich auch diesen Transistor nicht vorrätig hatte, kam ein SU-Typ „GT313b“ an dessen Stelle, dieser war noch aus „altem Bestand“ und ist mit seinen Daten dem OC171 sehr nahe.

 

 

Nach dem Einschalten stellten sich die -0,65V über R10 wie erwartet ein und der Empfang war so empfindlich wie von anderen Geräten dieser Serie bekannt. Ich führte den FM-Abgleich nochmals wie in der Abgleichanweisung beschrieben komplett durch und war abschließend völlig zufrieden mit den Empfangseigenschaften dieses recht einfachen Gerätes. Zugegeben, die Mittagspause hat nicht ganz dazu gereicht, diese 3 Fehler zu finden und zu beheben. Um dieses Gerät für den Alltagsgebrauch zu reparieren, empfehle ich alle alten originalen Elektrolytkondensatoren zu ersetzen.

 

Viel Freude beim Radiohören mit Graetz-Daisy wünscht Jens Dehne!

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Kurzschluß im Transistor (Gehäusenorm TO-7) 
01.Mar.08 13:01

Bernhard Nagel (D)
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Bernhard Nagel


Ein interessanter Bericht!

Transistoren dieser Gehäuse-Bauart TO-7 (dazu gehören OC169, OC170, OC171 V und M, AF102, AF114, AF115, AF116, AF117, AF118, alles Philips-Valvo) weisen häufig nach Jahrzehnten des Betriebs oder auch nur Lagerung (!) diese beschriebenen Schlüsse im Inneren auf. Meist ist es ein Schluß zwischen einer Elektrode und dem Gehäuse/Schirm, der ja üblicherweise mit der Gerätemasse verbunden ist. Die korrekten Betriebsspannungen sind dann nicht mehr vorhanden.
Die eigentliche Funktion des Transistors kann dabei durchaus noch gegeben sein, das Ablöten oder Durchtrennen (also "hochlegen") des Gehäuseanschlusses kann in solchen Fällen eine erste Reparatur darstellen ohne den Originalzustand zu verändern.

In diesem Beitrag wurde das Fehlerbild eines AF117 beschrieben.

Was aber ist die Ursache für diese Art innerer Verbindungen?
Der eigentliche Transistorkristall ist von Drähten gehalten auf dem metallgefassten Glasboden montiert, der Gehäusetopf wird mit dem Boden weich verlötet. Um den Germanium-Kristall vor Umwelteinflüssen (Oxidation) zu schützen, befindet sich eine Art Silikonfett im Transistor-Gehäuse. Es ist meiner Erkenntnis nach eine Unverträglichkeit zwischen dieser Füllung und dem Lot/dem Gehäusematerial, was zu Ausblühungen oder "Nadeln" aus dem Lotmaterial führt. Bei dem engen Elektrodenabstand gerade zwischen Emitter und dem Gehäuse oder zwischen Basisdraht und Gehäuseanschluß gibt es den von Herrn Dehne beschriebenen Kurzschluß.

Ich habe festgestellt, dass selbst nie benutzte Transistoren dieser Gehäuse-Bauart beschriebene Fehler aufweisen können, und das nach bald 50 Jahren der Alterung auch häufig tun.

Die Nachfolgegeneration von geschirmten HF-Transistoren waren völlig neu konstruiert, der Boden mit Glasdurchführung wird an den Gehäusetopf kontaktgeschweisst. Das Innere ist nun eine inerte Atmosphäre oder Vakuum.
Ausfälle der beschriebenen Art der Baureihen  AF124, AF125, AF126, AF127 (Valvo) bzw. AF134, AF135, AF136, AF137, AF138 usw. von Telefunken sind mir nicht bekannt geworden. Es dürfte sich hier wohl um weitgehend alterungsbeständige Halbleiter-Formen handeln, die mit der Einführung von Kunststoff-Umhüllungen in den späten 60er Jahren des 20. Jhds erneut in Frage gestellt wurde.

Diese Typen bieten sich also als idealen Ersatz für ausgefallene OC/AF Transistoren der beschriebenen frühen Bauform an.


Bernhard Nagel

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Innere Verbindung Emitter - Gehäuse 
01.Mar.08 20:40

Jens Dehne (D)
Redakteur
Beiträge: 659
Anzahl Danke: 22

Danke für die zusätzlichen Informationen, Herr Nagel! Von Herrn Witke bekam ich auch Post zum Thema mit ähnlicher Erklärung, vielen Dank!

 

Es war nun für mich spannend in das Innere des Transistors zu sehen, zumal der Gehäusebecher mit dem Sockel verlötet ist. Kurz auf den Wärmestrahler für Unterhitze am SMD Lötplatz gelegt, schon ließ sich der Becher problemlos vom Sockel abziehen.

 

 

Tatsächlich, eine geleeartige Masse im Becher welche aussieht wie Silikonfett. Ausblühungen oder ähnliches konnte ich nicht erkennen. Allerdings war nun die Verbindung zwischen Emitter und Schirm auch nicht mehr vorhanden. Die innere Verlängerung des Emitter-Beinchens kommt sehr dicht an das Gehäuseinnere. Dort lag es entweder an oder es hatte sich eine leitfähige Verbindung gebildet.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.