Kohlepulver im Mikrofon - 90 Jahre Georg Neumann KG

ID: 488818
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Kohlepulver im Mikrofon - 90 Jahre Georg Neumann KG 
01.Oct.18 19:16
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

In einer Tageszeitung entdeckte ich einen Artikel, der dem 90-jährigen Jubiläum der Georg Neumann KG in Gefell gewidmet ist - dem Hersteller der berühmten Neumann-Mikrofone.


                                              (Jochem Kühnast ist der Sohn des Firmen-Mitbegründers Erich Kühnast.)

Hier der Wortlaut des Textes als OCR-Scan und als Anhang der Originalartikel:.


Kohlepulver im Mikrofon
Eigentümergesellschaft Georg Neumann der Firma Microtech Gefell plant besonderes
Produkt zum 90-jährigen. 

GEFELL/HOF. Auch wenn in Deutschland der Kohleausstieg faktisch beschlossen scheint, so gibt es doch Nischen, in denen der fossile Brennstoff Potenziale aufweist: beispielsweise im Bereich der Mikrofone.
Anlässlich des 90-jährigen Bestehens der Eigentümergesellschaft Georg Neumann KG des Mikrofonherstellers Microtech Gefell GmbH arbeitete der Miteigentümer und einstige Geschäftsführer Jochem Kühnast (Jahrgang 1935) an der Renaissance des Kohlemikrofons. „Als 1923 der Rundfunk in Deutschland an den Start ging, verwendete man solche Mikrofone, hergestellt von der Firma Eugen Reisz in Berlin. Auch Georg Neumann hat in seiner Firma in Berlin Kohlemikrofone entwickelt“, erklärte Jochem Kühnast. Das wichtigste Modell, M 104, war viereckig und ein richtig schwerer Klotz. Denn es war aus einem Marmorblock gefertigt und hatte schon sehr gute Eigenschaften. Jochem Kühnast bezweifelte zunächst, dass Mikrofone aus den 1920er Jahren die im Neumann-Mikrofonbuch angegebenen technischen Daten wirklich erreichen können. „Deshalb beschloss ich, ein Kohlemikrofon noch mal aufzubauen, welches dem von Georg Neumann ähnlich ist. Die Idee dazu hatte Fritz Fey, Chefredakteur der Fachzeitschrift Studio-Magazin, der eine Sonderausgabe über nostalgische Mikrofone plante“, erzählte der Tüftler.
Jochem Kühnast wollte auch ausloten, was man mit heutigen Mitteln aus solch einer alten Technik herausholen kann. So versuchte er zunächst mit Sammlern, alte Kohlemikrofone zu beschaffen. Nachdem es ihm gelang, die Mikrofone zu untersuchen, auszumessen und wieder zum Leben zu erwecken, folgte der nächste Schritt: Kühnast entschloss sich, ein eigenes Kohlemikrofon zu bauen. Dafür pulverisierte er Klumpen von Braunkohlenhochtemperaturkoks aus der Lausitz. „Etwa ein Teelöffel ist davon im Mikrofon verbaut.“, sagte er. Nach vielen Studien, Experimenten und Entwicklungsarbeiten entstand ein Prototyp CM110 2  im Gehäuse aus dem Holz der weißen Kirsche. Vorgestellt wurde dieser bereits im April 2018 auf der Messe „Prolight + Sound“ in Frankfurt am Main.
„Es ist ein faszinierendes Spezialmikrofon beim Hörspiel und eignet sich ausgezeichnet zur Nachvertonung von nostalgischen Aufnahmen oder Darbietungen überall dort, wo das Rauschen nicht so ins Gewicht fällt. Ich kann mir gut vorstellen, dass Max Raabe und sein Palast-Orchester mit diesem Mikrofon auftreten“, sagte Jochem Kühnast im Hotel Central in Hof. Dort sowie im Theater Hof feierte der Mikrofonhersteller, der 1943 aus Furcht vor weiteren Schäden durch Bombardements im Zweiten Weltkrieg von Berlin nach Gefell umgezogen war, das Firmenjubiläum mit über 100 Vertriebspartnem aus Deutschland, Japan, China, Südkorea, Portugal und Großbritannien. Zu diesem Anlass brachte Microtech Gefell eine Jubiläumsedition mit ausgewählten Mikrofonen aus dem Spektrum Klassik und Moderne auf den Markt.
Das 45 Mitarbeiter zählende Unternehmen in Gefell macht eine Hälfte des nicht bezifferten Jahresumsatzes mit hochwertigen Studiomikrofonen und dem in vielen Parlamenten der Welt vertretenen Bundestagsmikrofon, die andere Hälfte mit Kapseln zum Einbau in akustische Messtechnik. Vor zwei Jahren hat die Firma Microtech ihr erstes professionelles „Smartphone Reporter Microphone SRM100“ auf den Markt gebracht, mit dem vor allem Radioreporter mit dem iPhone O-Töne in hoher Qualität aufzeichnen können, wie Geschäftsführer Matthias Domke erklärte.
Zum Jubiläum widmete sich das Unternehmen nicht nur legendären Mikrofonen. Viel beachtet im Fachpublikum waren auch die Vorträge von Christian Birkner von der Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzig sowie Rene Rodigast vom Fraunhofer-Institut Ilmenau zum 3D-Recording beziehungsweise 3D-Audio. „Wir wollen den Klang dahin bekommen, wie er in der Natur zu erleben ist: Umgeben von Geräuschen, die aus allen Richtungen kommen. Mit 3D-Mikrofonanordnungen gelingt es, diese Geräusche auch virtuell zu reaktivieren“, sagte Rene Rodigast.
Peter Cissek 


Prominente Nutzer
Politiker verkündeten richtungsweisende Entscheidungen durch Mikrofone aus Gefell: Im Juni 1961 sagte DDR-Staatsratsvorsitzender Walter Ulbricht durch das CMV 563 mit Kapsel: „Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu errichten.“ 
Bei der Pressekonferenz am 9. November 1989 vor dem Fall der Mauer verwendete SED-Funktionär Günter Schabowski ein Gefeller Mikrofon. Diese nutzen auch Stars wie Madonna, Cyndi Lauper und Die Toten Hosen.                         (P.C.)



Anmerkung: Ich habe den Eindruck, dass einige Modellbezeichnungen hier im Text (besonders im zweiten Bild) mit Modellbezeichnungen in RM.org nicht übereinstimmen, unvollständig bzw. fehlerhaft sind oder fehlen. Da aber meine Kenntnisse zu Mikrofonen nicht ausreichen, sollten sich doch bitte Kenner dieser Modelle der Sache annehmen.

W.E.

 

Anlagen:

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Zeitschrift studio-special; 90 Jahre Georg Neumann KG 
10.Oct.18 15:14
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

Inzwischen habe ich die Sonderausgabe "studio-special" der Zeitschrift "Studio-Magazin" zum Thema

"Mikrofone-gestern und heute" in den Händen. Sie nennt sich "Mikrofon-Special". Sie kann beim Verlag bestellt werden (im www suchen nach Studio-Magazin; Sonderpublikationen). Neben einem

  • Streifzug durch die Geschichte des Mikrofons findet man ein
  • Interview mit Jochem Kühnast, dem Sohn des Firmenmitbegründers und ehemaliger Geschäftsführer, zur Entwicklung eines modernen Kohlemikrofons und einen
  • Beitrag zur Wiederauflage eines Klassikers - U67,
  • sowie weitere interessante Beiträge auf den 96 Seiten des Heftes (18,00 €).

Tielbild:.

Das Inhaltsverzeichnis ist im Literaturfinder zu lesen.

W.E.

 

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