martenot: Leitendes Kreidepulver

ID: 164100
Dieser Artikel betrifft das Modell: Ondes Martenot "generic" (Martenot, Maurice; Paris)

martenot: Leitendes Kreidepulver 
15.May.08 21:52
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Thomas Diemer (CH)
Beiträge: 19
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Thomas Diemer

Leitendes Kreidepulver
 
Liebe RMOrg Freunde
 
Kennt jemand so etwas, Kreidepulver als veränderbarer Widerstand.
 
Wie ich in der Beschreibung vom Ondes Martenot berichtete wird die Dynamik, die Lautstärke des Instrumentes mittels einer kleinen Taste mit der linken Hand gespielt.
Alternativ zu der Taste gibt es auch ein Fusspedal.
In beiden Bedienteilen wird, beim betätigen, eine kleine Tasche aus Stoff zusammengepresst. In der Bedienungsanleitung zum Ondes schreibt Martenot, diese Tasche sei mit einem Kreidepulver gefüllt.
 
Im Ruhezustand messe ich ca 150 K-Ohm. Dieser Widerstand nimmt beim zusammendrücken logorhythmisch ab bis knapp 100 Ohm.
 
Ich kenne mich in Chemie zuwenig aus und Frage nun in die Runde:
Was könnte das für ein Pulver oder für Kreide sein die elektrisch leitend ist, die beim zusammenpressen den Widerstand verkleinert und beim lösen des Druckes sich wieder regeneriert.
 
Kennt jemand dieses Verfahren.
 
Das Instrument stammt aus den 50er Jahren und diese pulvergefüllten Taschen funktionieren noch tadellos.

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30.May.08 23:09

Helmut Weigl (D)
Redakteur
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Hallo Herr Diemer,

 

ist in dem Säckchen wirklich Kreide?

 

Pulver das den Widerstandswert bei Druck ändert erinnert mich an Kohlemikrofone. Die dort enthalten Kohlekörner, bzw. Kohlepulver haben die besagte Eigenschaft, den Widerstand bei Druck zu ändern.

viele Grüße

 

Helmut Weigl

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Kreidepulver 
31.May.08 22:37

Thomas Diemer (CH)
Beiträge: 19
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Thomas Diemer

Guten Tag Herr Weigl
 
Vielen Dank für Ihre Anregung.
 
Laut der Bedienungsanleitung soll in dem Säckchen Kreidepulver sein.
Ein Kollege der Chemiker, Kristallloge, ist sagte mir, dass in der Chemie Kreide ein relativ weiter Begriff sei. Kreide müsse nicht zwingen Kalkstein bedeuten.
( Um zu orakeln ) könnte ich mir eine Mischung, in der Richtung von Kalk und Magnesiumoxyd oder Aluminiumoxyd vorstellen.
Soviel ich weiss lässt sich Kohle zwar pressen, aber regeneriert sich nicht von selbst wenn der Druck weggenommen wird. Im Kohlemikrofon wird das Kohlegranulat nicht gepresst sondern durch die Schallschwingungen nur „grschüttelt“.
 
Da das Instrument nur zur Revision bei mir ist kann ich leider das Säckchen nicht öffnen um eine Probe fürs Labor zu entnehmen. Deshalb frage ich hier in die Rund, hat jemand Kenntnisse zu dieser Technik.
 
Mit bestem Dank
Thomas Diemer

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'Kreidepulver' 
01.Jun.08 10:11

Rüdiger Walz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 745
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Rüdiger Walz

Nein, Kreide (Kalziumkarbonat) ist sicher nicht in den Beuteln. Marmortafeln (ebenfalls Kalziumkarbonat) wurden in Kraftwerken früher als Schalttafeln eingesetzt. Auch Magnesium- oder Aluminiumoxide sind nicht brauchbar. Al und Mg Keramiken wurden in Senderöhren als Kolben- oder Isolationsmaterial verwendet. Sie zeigen keine Leitfähigkeit.

In französischen Radios der 20er wurden Potentiometer verwendet, die durch Zusammendrücken eines Pulvers wirken. Ich habe meines noch nicht geöffnet, ging bisher aber davon aus, dass es sich um Kohlekörner handelt.

Weiße Pulver, die man "Kreide" nennen könnte und die leitfähig sind fallen mir keine ein. Das Kennzeichen von leitfähigen Stoffen sind bewegliche Elektronen und das geht meist mit Farberscheinungen einher. (Ausnahme Metalle. Umgekehrt müssen farbige Stoffe nicht leitfähig sein).

Je nach Widerstand des Beutels sind halbleitende Mineralien, wie sie auch in den 20ern als Detektorkristalle verwendet wurden denkbar. Z.B. : Pyrit (FeS2), Bleiglanz (PbS), Carborundum (SiC) und viele mehr. Diese sind aber nicht "kreideartig", sondern dunkel gefärbt und im kristallinen Zustand zeigen die Bruchkanten metallischen Glanz.

Rüdiger Walz

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Franz Potmeter in den 20 Jahren 
02.Jun.08 21:18

Thomas Diemer (CH)
Beiträge: 19
Anzahl Danke: 6
Thomas Diemer

Guten Tag Herr Walz
 
Vielen Dank für Ihre Mitteilung.
 
Ob das Pulver weiss ist oder eine Farbe aufweist kann ich nicht sagen,
denn ich kann das Säckchen nicht aufschneiden da es nicht mir gehört.
 
Sehr interessant finde ich die Nachricht, dass in den 20er Jahren ähnliche
Beutel mit einem Pulver in französischen Radios als Potmeter Verwendung gefunden haben.
 
Martenot ist Franzose und sein erstes Instrument hatte er, nach mehreren Entwicklungsjahren, 1928 der Öffentlichkeit vorgestellt. Martenot hatte diese art von Potmeter bis in die spähten 70er Jahre verwendet, vermutlich weil die Widerstandskurve einen speziellen Verlauf aufweist.
 
Wenn diese Potmeterkonstruktion in Radios eingebaut worden ist sollte es doch Literatur oder Aufzeichnungen darüber geben. Ich bin sicher, dass Jemand im RMorg etwas zu dieser Technik sagen kann.
 
Mit bestem Dank
Thomas Diemer
 

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Französische Heizregler 
04.Jun.08 20:15

Rüdiger Walz (D)
Ratsmitglied
Beiträge: 745
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Rüdiger Walz

Um Mißverständnissen vorzubeugen: Die zitierten französischen Heizregler (übrigens in einem Vitus Mondial von 1922) haben ein Metallgehäuse. Ich werde versuchen, Detailaufnahmen davon zu machen.

Grüsse

Rüdiger Walz

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09.Jun.08 16:41

Thomas Diemer (CH)
Beiträge: 19
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Thomas Diemer

Guten Tag Herr Walz
 
Sicher würden mich Detailaufnahmen von diesem Regler interessieren.
 
 
Generell bin ich erstaunt, dass es hier beim RMorg niemanden gibt
dem diese Technologie nicht ganz fremd ist.
 
Deshalb frage ich nochmals in die Rund:
Wer kennt diese Technik für die Lautstärkeregelung.
Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur ein Gerät gab,
ab den 20er in Röhrentechnik, ein Schwebungssummer,
ab 70er mit Transistor, als VCO und, dass niemand, hier
bei RMorg ist der von diesem System etwas Genaueres weiss.
 
Mit bestem Dank
Thomas Diemer

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Lautstärkeregler 
15.Jun.08 14:32

Uwe Ronneberger (D)
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Uwe Ronneberger

In der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure findet sich 1934 zur kapazitiven Lautstärkeregelung an Orgeln folgender Hinweis :

... Bisher wurden für diesen Zweck entweder druckabhängige Widerstände, Kohleplättchen, Kohlepulver u.dgl. oder Drehwiderstände und Widerstände mit Abwälzkontakten verwendet. ...

aus Oskar Vierling, die elektroakustische Orgel

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Kohledruckregler 
30.Dec.11 17:51
2058 from 9359

Uwe Ronneberger (D)
Redakteur
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Uwe Ronneberger

Heinz Richter beschreibt 1959 in seinem Buch "Elektroakustik für Alle" u.a. das Trautonium :


...Die Lautstärkeregelung ist vom Tastendruck auf dem Manual abhängig, weil beim
Niederdrücken ein als Lautstärkeregler geschalteter Kohlewiderstand zusammengepreßt
wird. Die Lautstärke wird um so größer, je stärker der Tastendruck ist. ...
siehe auch hier im RM oder hier.



1967 wird im "electronicum" zum Messen von Kräften ein Kohledruckgeber beschrieben :

Kohledruckgeber

"Sehr einfach in der Konstruktion sind die Kohlegeber - in Form einer zylindrischen Säule-,
sie bestehen aus dünnen Kohlescheiben ( von wenigen Stücken bis zu einigen zehn
Scheiben). Unter äußerem Druck wird der Widerstand der Kohlensäure kleiner."

Unter dem Stichwort Kohledruckregler findet man im Internet und in der Literatur zahlreiche
Anwendungsbeispiele. So wurden schon zu Anfang des 20.Jahrhunderts Kohledruckregler
in der Fernmeldetechnik  eingesetzt und bei der Reichsbahn war er für Jahrzehnte der Standardregler.

Aus Grafe "Gleichstrommaschinen" 1954:

Kohledruckregler 

...Aufeinander geschichtete Kohleplatten haben ebenso wie die Kohlekörner in dem danach
benannten Mikrophon die Eigenschaft, ihren Widerstand mit dem Druck zu ändern., der auf
sie ausgeübt wird. Und zwar sinkt der Widerstand bei wachsendem Druck.

Schaltung Kohledruckregler


Allerdings kann auf diese Weise der Regelwiderstand des Kohlestapels KoS nicht kleiner als
etwa 1/7 des Maximalwertes gehalten werden. Der Wert Null wird durch Überbrückungsschalter S erreicht, oder man versieht einseitig die Kohleplatten mit Silberwarzen und läßt sie in Kippbewegung ausführen, so daß im Endzustand die Silberkontakte einen Kurzschluß herbeiführen. ...


... Die Grenzleistung der Regler beträgt etwa 500 W. Der Temperaturkoeffizient der Kohle ist
negativ und liegt bei 2..5 x 10-4, der spezifische Widerstand ist 6 Ohm mm2 x m-1 bei
Naturgraphit und wird bis zu 80 Ohm mm2 x m-1 bei stark rußhaltigen Kohlen ansteigen.
Störungen durch Oxydation ist nicht zu befürchten, da diese Produkte gasförmig sind.
Trotzdem soll die Temperatur 400...600 °C nict übersteigen, da sonst Verbrennung eintritt. Bei
zu erwartenden höheren Temperaturen macht sich Unterbringung in Schutzgas oder Vakuum erforderlich.
Auf dem Kohledruckprinzip beruht auch der Einhetsregler der Reichsbahn. Die
Spannungsquelle ist ein Turbogleichstromgenerator für 0,5 KW, 3750 U/min, 24 V parallel zu
einer Blei- oder Nickel-Eisen-Batterie gleicher Spannung geschaltet. Sinkt die Generatorspannung unter 24 V, so wird die Maschine von der Batterie getrennt, die dann allein die Lichtspeisung übernimmt. ...
Reichsbahn Einheitsregler

Sehr zuverlässig arbeitet eine Anwendung des Kohledruckreglers, die sicherlich vielen von
uns bekannt sein dürfte.

Nähmaschinenanlasser Komet

Als Anlasser für Nähmaschinenmotoren.



Nähmaschinen Pedal 1987

Anlasser Innenansicht

 

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