Penthode als Triode schalten

16
ID: 473835
Penthode als Triode schalten 
02.Jul.18 20:37
6528
16

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 18
Dietmar Rudolph † 6.1.22

In der NF-Technik werden Leistungsverstärker gerne in Gegentakt-Schaltung mit 2 Trioden realisiert. HiFi "Puristen" schreiben einer solchen Schaltung einen besseren Klang zu. Leider ist die Auswahl an Trioden nicht sehr groß, so daß ersatzweise Leistungs-Penthoden zum Einsatz kommen, bei denen das Schirmgitter (g2) mit der Anode zusammengeschaltet ist. Damit erhält man eine Triode.
Wenn man nun auch noch das Bremsgitter (g3) mit der Anode zusammenschalten könnte - so die Behauptung - erhielte man eine "echte" Triode.

Die Diskussion über diese Problematik kam mit einer EL84-T-g3_separate  auf, die zwar nicht mehr erhältlich ist, jedoch ein herausgeführtes Gitter 3 haben soll.

Um den Unterschied zwischen der Beschaltung "g3 auf Kathode" und "g3 auf Anode" festzustellen, werden (ersatzweise) Messungen an einer EL803S durchgeführt. Die EL803S ist etwas schwächer als die EL84.

Der Meßaufbau mit der Fassungs-Box

Die Einstellungen hierfür sind: (Alle Messungen mit diesen Einstellungen, die für den Betrieb als Triode festgelegt wurden.)

Anode: 200V / 10 Skalenteile & Ra = 6,5 kΩ; Gitter: 0,5 V / Step; Anodenstrom: 2 mA / Skalenteil

Die Messungen mit dem Kennlinienschreiber sind auf der linken Seite.

  • Alternative Messung mit dem μ-Tracer. Diese Bilder sind auf der rechten Seite.

EL803S als Penthode

Ug2 wurde hierfür zu 80V gewählt, damit mit den Einstellungen ein "vernünftiges" Schirmbild entsteht. (links)

Ug2 für den μ-Tracer ist 200 V (rechts).

   

 

EL803S als Triode (a & g2 zusammengeschaltet; g3 auf Kathode)

   

 

EL803S als Triode (a & g2 & g3 zusammengeschaltet)

   

 

Wird das Gitter 3 auch noch mit der Anode zusammen geschaltet, ändern sich die Kennlinien etwas. Bei den Messungen mit dem μ-Tracer ist das deutlicher zu sehen.

EL803S als Tetrode (g3 an Anode)

 

Bei dieser Messung erkennt man deutlich, daß das Bremsgitter "fehlt" und folglich keine Sekundär-Elektronen mehr unterdrückt werden. Die Schirmgitterspannung war hier ca. 160 V.

 

Messungen mit "Quick-Test"

Hier ist die Spannung am Steuergitter Ug1 = - 3,5 V. Dann sollte der Anodenstrom Ia = 32 mA sein und der Schirmgitter-Strom Ig2 = 4,7 mA. Ua = Ug2 = 200 V.

Als Penthode

  • Ia = 35,7 mA; Ig2 = 5,16 mA (also bessere Werte als die Nominellen)
Als Tetrode; g3 auf a geschaltet
  • Ia = 44,48 mA; Ig2 = 6,34 mA
Als Triode, g2 auf a geschaltet und g3 auf 200V
  • Ia + Ig2 = 42,7 mA; Ig3 = 7 mA;
    Bei dieser Messung sieht man, wie groß der Strom im Bremsgitter werden kann.
  • Die maximale Verlustleistung im Bremsgitter wird dadurch 200V*7mA = 1,4 W! Das ist deutlich zu viel!
Als Triode; g3 auf 0V
  • Ia + Ig2 = 38,98 mA

Fazit

Für die Verstärkung von NF ist es praktisch belanglos, ob das Gitter 3 an der Kathode oder an der Anode angeschlossen ist.

  • Frage: Also, wenn möglich, dann Gitter 3 ebenfalls an Anode schalten??
  • Antwort: Nein!
    Warum nicht?
  • Der Grund liegt in der zulässigen Verlustleistung für Gitter 3.
    Während nämlich die Gitterstege von Gitter 2 (Schirmgitter) für eine (für jede Penthode) spezifizierte Verlustleistung ausgelegt sind, sind die Gitterstege für Gitter 3 (Bremsgitter) "hauchdünn", weil sie im Normalfall keinerlei Ströme aufnehmen müssen.
    Wird nun Gitter 3 auf Anodenpotential gelegt, wird es i.d. Regel überlastet und die Gitterstege kommen zum Glühen.

Als Beleg hierzu ein Auszug aus einem Datenblatt von Valvo für den Betrieb der EL34 als Triode. Die EL34 hat, wie die EL083S, ein extra herausgeführtes Bremsgitter.

  • Aus diesem Datenblatt geht eindeutig hervor, daß das Bremsgitter auf Kathodenpotential zu legen ist, damit es in der "Triodenschaltung" nicht überlastet wird.

Auf die Gefahr der möglichen Überlastung des Schirmgitters (in Triodenschaltung) wird ja ausdrücklich hingewiesen!

  • Die Überlastung des Bremsgitters könnte folglich der Grund dafür sein, daß es keine EL84-T mit herausgeführtem Bremsgitter mehr zu kaufen gibt.
  • Die separate Herausführung des Bremsgitters bei der EL84-T hat sich offensichtlich als nicht sinnvoll erwiesen.

Mein Dank geht an Henning Oelkers für die Messungen mit dem μ-Tracer und an Hans Knoll für das Valvo-Datenblatt.

Nachtrag: 05.07.2018 Bilder vom System einer EL84

 

Die Bilder von einer geöffneten EL84 zeigen wie viel weniger Gitterdrähte das Gitter 3 gegenüber dem Gitter 2 hat. Folglich ist seine Belastbarkeit einiges geringer als beim Schirmgitter g2.

Andererseits sind die Dimensionen von EL84 und EL83 bzw. EL803S ganz ähnlich. Und bei der Messung des Stromes von g3 der EL803S hat sich gezeigt, daß dann die Verlustleistung im Gitter 3 (Bremsgitter) mit 1,4W fast so groß ist wie die maximal zulässige Verlustleistung von 1,7W des Schirmgitters. Da aber das Bremsgitter grobmaschiger ist, also weniger Drähte hat, wird der einzelne Draht viel stärker erhitzt, wodurch er dann zum Glühen kommt. 

Beim Betrieb einer Penthode als (angeblich) "echte" Triode besteht somit die Gefahr, daß die Drähte des Bremsgitters schmelzen und als kleine Kügelchen herunter fallen, wodurch die Röhre beschädigt wird. Zum Trost kann man sagen, daß die Funktion als "Triode" dadurch kaum beeinträchtigt sein wird, denn, wie oben gezeigt ist, gibt es kaum Unterschiede im Betrieb als Triode, ob nun das Gitter 3 auf Kathodenpotential oder auf Anodenpotential liegt. Man riskiert lediglich, daß die heruntergetropften Metall-Kügelchen zu Kurzschlüssen in der Röhre führen.

Allerdings ist eine derart beschädigte Röhre (auch ohne interen Kurzschlüsse) nicht mehr als Penthode verwendbar, sondern nur noch als Tetrode. Aber deren Kennlinien sind nicht sehr "überzeugend", wie die Messung oben mit dem μ-Tracer gezeigt hat. 

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.