Selengleichrichter: Ersatz durch MOSFET-Schaltung

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ID: 184250
Selengleichrichter: Ersatz durch MOSFET-Schaltung 
21.Feb.09 22:09
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Horst Stumkat (D)
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Selengleichrichter ersetzen durch MOSFET-Schaltung

Zum Thema Ersatz von Selengleichrichtern in Röhrenempfängern ist hier in der Vergangenheit eigentlich schon fast alles gesagt worden. Eine einfache Lösung stellt die Verwendung von Siliziumdioden (z.B. 1N4007 oder BY255) in Reihe mit einem Widerstand anstelle des defekten Selengleichrichters dar.
Nachteilig bei dieser Lösung  ist, dass der Vorwiderstand kaum berechnet werden kann, sondern individuell durch Ausprobieren unter Betriebsbedingungen gefunden werden muß. Ein weiterer Nachteil ist der größere differentielle Widerstand dieser einfachen Ersatzschaltung gegenüber einem einwandfreien Selengleichrichter. Bei Geräten mit wechselndem Strombedarf – z.B.  bei Großgeräten mit Gegentakt-AB-Röhrenendstufen führt dies zu stärkeren Schwankungen der Anodengleichspannung und damit zur Herabsetzung der Ausgangsleistung. Darüber hinaus wird im Leerlauf der Ladekondensator sofort auf den vollen Spitzenwert der Netzspannung aufgeladen.
Bei Betrachtung der Kennlinien von Röhrengleichrichtern z.B, des Typs AZ1 erkennt man, dass die Ersatzschaltung von Siliziumdiode und Längswiderstand besser zur weichen Kennlinie der Röhre als zu der der Selengleichrichter passt.

Um die o.g. Nachteile zu vermeiden, habe ich versucht, eine Ersatzschaltung zu finden, die die statische Kennlinie eines Selengleichrichters besser nachbildet als die einfache Diode-Widerstandsschaltung.

Die vorgeschlagene Ersatzschaltung besteht aus zwei Teilen:
Für die Sperrwirkung und „Durchschaltung“ auf Durchlaß sorgen hochsperrende Siliziumdioden, für eine definierte Durchlaßkennlinie sorgt eine Ersatzschaltung mit einem spannungsgegengekoppelten MOSFET.

Leider sind statische Kennlinien ehemals handelsüblicher Selengleichrichter auch im Internet nicht zu finden, denn sie waren – anders als die heutigen Halbleiter – Verschleißprodukte, die durch Probieren entwickelt wurden. Ihre Eigenschaften und auch Lebensdauer waren daher vom Fertigungsprozeß, Alter und sogar der Vorgeschichte (Memory-Effekt bei Selengleichrichtern durch Ionenwanderung !) abhängig.

Ich habe daher einen ungebrauchten Vertreter des letzten- und reifsten – Standes der Technik zerlegt (Siemens Flachgleichrichter B90C600) und eine Einzelzelle ausgemessen (mit FastMax-Funktion des Fluke 87, um die Erwärmung der Zelle beim Messen zu vermeiden). Die auf den Nennstrom normierte Durchlasskennlinie von 18 solcher in Reihe geschalteten Zellen (entsprechend einem Selengleichrichter vom Typ E250Cxxx) ist in Bild 1 aufgezeichnet. Diese Kennlinie wird mit einer Ersatzschaltung nach Bild 2 mit einem Leistungs-MOSFET nachgebildet. Für einen Infineon-MOSFET 07N60 (600 V, 7A, Abschnürspannung etwa 4,9 V) wurde die Id(Ug)-Kennlinie aufgenommen. Mit dem Mathematikprogramm MathCad2000 wurde eine analytische Darstellung für die MOSFET-Id(Ug)-Kennlinie ermittelt und mit dieser die Strom-Spannungskennlinien der Ersatzschaltung für den allgemeinen Fall beliebiger Widerstände R1,R2 und R3. MathCad hat sodann die Werte von R1, R2 und R3 so optimiert, daß das Fehlerquadrat der Abweichungen der Daten der Ersatzschaltung von den Meßdaten der 18 Selenzellen zum Minimum wird. Auf die Berücksichtigung von Sperrströmen der Selengleichrichter in der Ersatzschaltung wurde wegen ihrer geringen Größe und Unsicherheit verzichtet. Gegebenenfalls können  Überbrückungswiderstäne von je einigen 100 Kilo-Ohm über die Siliziumdioden vorgesehen werden.



Das Ergebnis ist in  Bild 1 dargestellt. In dieser Schaltung sorgt also der MOSFET für die Summenschleusenspannung von 18 Selen-Einzelzellen  und der Widerstand R3 für den differentiellen Widerstand bei Belastung. Man sieht, dass bei hohen Wechseln der Strombelastung der Selengleichrichter und gleichermaßen die Ersatzsschaltung deutlich steifer reagieren als die einfache Ersatzschaltung mit lediglich einem Längswiderstand zu einem Siliziumgleichrichter. Gleichzeitig ist die Leerlaufspannung am Ladekondensator schon bei niedriger Leerlauflast etwa um die Schleusenspannung niedriger als der Spitzenwert der anliegenden Wechselspannung. Bei anderer Bemessung des Spannungsteilers aus R1 und R2 können höhere Schleusenspannungen eingestellt werden (die dabei ansteigende Verlustleistung im MOSFET und der Erhalt der Betriebsweise im Abschnürbereich ist zu beachten)
In der o.g. Schaltung ist noch eine Suppressor-Diode mit 27 Volt Ansprechspannung vorgesehen, da Einschaltspitzen oder Störimpulse aus dem Netz wegen der Zeitkonstante des Gegenkopplungszweigs den MOSFET  in die Nähe unzulässiger Betriebszustände bringen können. Sie ist im Normalbetrieb ohne Einfluß auf die Kennlinie.
 


In Bild 2 sind auch die Werte der Widerstände R1, R2 und R3 für einige gebräuchliche Siemens-Flachgleichrichter aufgeführt. Die Ersatzschaltung berücksichtigt, dass bei den Brückengleichrichtern die Zellen der beiden Stromzweige nur je für den halben Nennstrom ausgelegt sind, die doppelte Belastbarkeit kommt von den 100 statt 50 Ladeimpulsen am Ladekondensator. Die gleiche Überlegung gilt auch für Mittelpunkt-Gleichrichter. Wegen der geringeren Wärmeempfindlichkeit der Ersatzschaltung sind die Ansprüche an die Kühlung geringer als bei den ersetzten Gleichrichtern, die Kurzschlussfestigkeit ist bedeutend besser.

Da die Kennlinien der Selengleichrichter stark vom Fertigungsprozeß abhängen, können die Werte der Ersatzschaltung nicht ohne Weiteres für den Ersatz anderer, inbesondere für Gleichrichter aus noch früheren Zeiten angewendet werden, sie müssten speziell errechnet werden. Beim Ersatz von Einzelzellen könnten Schottkydioden und bipolare Transistoren erforderlich sein.
 


In Bild 3 ist Verdrahtung der Ersatzschaltung für den Flachgleichrichter E250C50 zu sehen, die in ein Flachgleichrichtergehäuse des Typs B300C120 eingebaut werden soll, denn leider war das Originalgehäuse zu klein. Bei Verwendung von SMD-Bauteilen könnte evtl. das Originalgehäuse ausreichen und damit eine sowohl elektrisch als auch äußerlich schöne Restaurierung möglich sein.
Die Schaltung wurde zwecks mechanischer Stabilität und besserer Wärmeableitung in Elektro-Silikonkautschuk eingebettet. Das Isoliermaterial des alten Gleichrichters wurde aus Sicherheitsgründen wiederverwendet. Die gemessenen Werte der Ersatzschaltung für einen E250C50 entsprachen den Berechnungen. Brückenschaltungen habe ich nicht getestet.

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? Widerstand in Serie mit Z-Diode auch möglich? 
22.Feb.09 10:31

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Hallo Herr Stumkat,

Ihr Beitrag zeigt, daß ein "zweites Nachdenken" über ein scheinbar gelöstes Problem recht interessante Ergebnisse hervorbringen kann.

Die gemessene Kurve Ud=Ud(In) in Bild 1legt nun aber auch den Schluß nahe, daß eventuell eine Serienschaltung von einem Widerstand und einer geeigneten Z-Diode das Verhalten des Selengleichrichters nachbilden könnte.

Haben Sie vielleicht auch zu diesem Ansatz Simulations- oder Meßergebnisse?

MfG DR

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Meinung eines Anwenders 
22.Feb.09 10:41

Hans M. Knoll (D)
Redakteur
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Hans M. Knoll

 

Hallo Herr Stumkat.
 
Als jemand der Jahrzehnte lang Selengleichrichter in Schaltungen vorgesehen hat, weil sich damit fuer den Entwickler viele Vorteile ergaben, von denen heute kaum jemand noch Kenntnisse hat. Moechte ich zu Ihrem Beitrag eine Kommentar abgeben und das Wenige was es zu Selengleichrichtern gibt, beisteuern.
 
Schon die Tatsache, dass auch ein Selengleichrichter nicht das ewige Leben hat, bringt es mit sich, dass heutzutage Restaurateure und deren Berater in vielen Foren, mitleidige oder ueberhebliche Kommentare zur damaligen Verwendung von Selen abgeben.
Raus mit den roten Dingern“ ( AEG rot, SEL schwarz, Herrmann gelb) und rein mit Silizium- Brücken. Als Verursacher hat man zwei Moeglichkeiten, belächeln, oder froh sein, dass man diesen Leuten solche Steilvorlagen geliefert hat, mit denen Sie heute brillieren koennen.  Was sie (die) nicht wissen, muss sie auch nicht stoeren!
 
Daher zu Ihrem Artikel. Es ist das erste Mal, wo zu den Gegebenheiten eine klare und richtige Meinung abgegeben wird.
 
Sie haben das Problem erkannt, analysiert und eine Loesung aufgezeigt. Ich erlaube mir Ihnen dazu meine Anerkennung auszusprechen. Lediglich die „Loettechnik“ ist noch ausbaufaehig. ;-)
 
Ich sehe auch jetzt einen Sinn, hier einige Daten und Texte der Hersteller zu zeigen, von denen ich bis jetzt nicht ueberzeugt war, dass es einen Sinn ergibt das zu zeigen.
Als Bonbon moechte ich auf die erste von mit FETT gemachte Zeile der Siemens Druckschrift verweisen.
 
 
Mit freundlichem Gruss, Hans M. Knoll
 
Siemens- Text:
 
Allgemeine Angaben Über Selengleichrichter
 
Wirtschaftliche Vorteile
 

Der Selengleichrichter ist robust und haltbar, so dass seine Lebensdauer die der Geräte übersteigt. Er braucht keine Fassung" keine Heizleistung und daher auch keine Heizwicklung auf dem Netztransformator, er hat einen hohen Wirkungsgrad.

 
Jede Schaltung, auch die besonders wirtschaftliche Brückenschaltung, kann verwendet werden. Der Netztransformator wird daher kleiner und billiger" so dass mit dem Selengleichrichter mit geringstem Aufwand der erforderliche Gleichstrom erzeugt wird.
 
Unsere Gleichrichter sind so beschaffen, dass sie in Leistung,. Abmessungen und Konstruktion den Erfordernissen der Geräte angepasst sind.
 
Technische Angaben
 
Der Selengleichrichter gehört zu den Vielkristall‑Halbleiter‑Gleichrichtern. Der Grundbaustein, die Gleichrichterzelle, weist eine unsymmetrische Leitfähigkeit je nach Polarität der angelegten Spannung auf und bewirkt dadurch die Gleichrichtung eines Wechselstromes.
 
Wir verwenden in unseren Gleichrichtern als Gleichrichterzellen lochfreie Platten (Tabletten) verschiedener Größe, die zu vollständigen Gleichrichtersätzen in den verschiedenen Schaltungen elektrisch und konstruktiv zusammengebaut werden.
 
Die in Rundfunk‑ und Fernsehgeräten eingesetzten Selengleichrichter wurden bisher in der Hauptsache dafür benutzt, die für Röhren benötigte Gleichstromleistung aus der Netzwechselspannung zu gewinnen.
 
In den letzten Jahren haben sich neue zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten ergeben, in denen man die Selengleichrichter als vielseitiges Bauelement in der Schaltungstechnik verwenden kann., so z. B. im Zeilendiskriminator der Fernsehgeräte., für Stabilisierungszwecke, zur Erzeugung von Regelspannungen. Nachdem die bekannten Siemens ‑ Zwerggleichrichter bereits weiteste Verbreitung gefunden haben, stehen nunmehr einige Neuentwicklungen zur Verfügung., die für den Einsatz in gedruckte Schaltungen geeignet sind.
 
Kennlinien
 
Niedriger Durchlaßwiderstand, hoher Sperrwiderstand. Bild 1 zeigt den mittleren Verlauf des Durchlaßstromes einer Siemens ‑ Gleichrichtertablette in Abhängigkeit von der Durchlaßspannung bei 25°Cels. und 85° Cels. Tablettentemperatur. gemessen mit Gleichspannung. Zur Umrechnung auf die Stromdichte Id muss der Gleichrichterstrom in der Tablette durch die wirksame Tablettenfläche geteilt werden" die der Tabelle 1 entnommen werden kann.
 
ENDE.
 

Anlagen:

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Selengleichrichter-Ersatzschaltung: Ersatz durch MOSFET 
23.Feb.09 16:57

Horst Stumkat (D)
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Hallo Herr Rudolph,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Auf jeden Fall läßt sich die Selengleichrichter-Kennlinie mit der Zenerdiode und einem Widerstand in Reihe dazu sehr gut annähern, wesentlich besser als mit der einfachen Silizium-Diode plus Serienwiderstand. Die Zenerdiode sollte dann den Wert der Schleusenspannung in Bild 1 haben und der Reihenwiderstand sollte den Wert des differentiellen Widerstandes in Bild 1 haben.

Ich habe den Zenerdioden-Ansatz dennoch unberücksichtigt gelassen, weil meiner Ansicht damit einige Nachteile verbunden sind:

a) Zündvorgang im 50- oder 100 Hz-Takt beim Einsatz des Lawineneffekt mit damit verbundenen elektromagnetischen Schwingungen

b) Rauschen durch Lawineneffekt

Ich habe mich daher vonvornherein auf eine aufwendigere, aber eine Lösung ohne diese Nachteile beschränkt.

Mit freundlichen Grüßen

Horst Stumkat

 

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Selengleichrichter: Ersatz durch MOSFET 
23.Feb.09 22:28

Horst Stumkat (D)
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Sehr geehrter Herr Knoll,

Ihre Anmerkungen haben mich gefreut, natürlich auch, daß ich die langersehnten Kennlinien zu sehen bekam. Ich hatte mir schon das Buch des Selen-Papstes Mierdel (TU-Dresden, 1955) besorgt, das viele Kennlinien enthält, aber alle für schon seinerzeit veraltete Selentechnologie (Aufpreß- und kein Aufdampfverfahren) im Wesentlichen der Vorkriegszeit, die können wohl für die Siemens-Produkte der 50iger Jahre nicht gelten.

Bei Vergleich meiner gemessenen Werte mit der von Ihnen zur Verfügung gestellten Kennlinie stelle ich fest, daß die von Siemens für fabrikneue Selengleichrichter angegebene Kennlinie einen erheblich geringeren differentiellen Widerstand und eine etwas höhere Schleusenspannung besitzen, also noch bessere Eigenschaften besitzen als von mir angenommen.

An meinem für die Messungen zerlegten Gleichrichter scheint tatsächlich deutlich der Zahn der Zeit genagt zu haben, ohne daß er je belastet worden ist. Aber das war ja bekannt, der Grad der Verschlechterung hat mich erstaunt. Ich werde daher die Werte der Ersatzschaltung neu berechnen und hier noch einmal als Beitrag einstellen.

Mit freundlichen Grüßen

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? Mehr Daten 
23.Feb.09 22:40

Hans M. Knoll (D)
Redakteur
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Hans M. Knoll

Hallo Herr Stumkat.

Danke fuer die Anwort.

Ich habe zwei Siemens Datenblaetter aus meiner aktiven Zeit.

Ich mache Ihnen einen Vorschlag. Ich scanne Morgen alle Seiten ein und gebe die via Mail an Sie. Sie koennen die dann benutzen und wo Sie es fuer sinvoll ansehen, in Ihren Thread einbauen um die allgemein nutzbar zu machen.

Hier im Thraed sind nur 40KB moeglich, da ist das nicht so gut zum Benutzen.

Geben Sie mir eine einfache Mail fuer das O.K.

Mit Gruss, Hans M. Knoll

 

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Selengleichrichter am Gleichstrom-Netz 
24.Feb.09 13:01

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

In Funk von 1937 wird der Einfluß eines konstanten Gleichstroms auf Selengleichrichter beschrieben, wie es bei Allstromgeräten am Gleichstromnetz auftreten konnte.

Selengleichrichter am Gleichstromnetz
In Bauanleitungen für Allstromempfänger wird häufig vorgeschrieben, für die Gleichrichtung den infolge Fortfalls einer Heizwicklung besonders geeigneten Selengleichrichter zu verwenden. Bei der Schaltung dieser Geräte ist aber darauf zu achten, daß der Gleichrichter beim Anschluß des Empfängers an ein Gleichstromnetz kurzgeschlossen werden muß, da sich sonst leicht unangenehme Auswirkungen ergeben. Man hat nämlich beobachtet, daß bei einem ständig an ein Gleichstromnetz angeschlossenen Selengleichrichter die Eigenschaft, Wechselströme gleichzurichten, in gewissem Maße verloren geht. Nach Versuchen der Herstellerfirma, die sich über 1 bis 2 Monate erstreckten, lag allerdings noch kein nachteiliges Ergebnis vor. Wohl sank der Sperrwiderstand bei ausschließlicher Gleichstrombelastung in Durchgangsrichtung, er stieg jedoch beim Anschluß an Wechselstrom schon nach kurzer Zeit wieder auf den Ausgangswert an. Da der Rückstrom durch die vorgeschalteten Kondensatoren und Widerstände in seiner Höhe begrenzt wird, konnte eine Beschädigung des Gleichrichterelementes nicht eintreten. Weitere Versuche, die sich über etwa ein Jahr erstreckten, zeigten jedoch, daß der solange an Gleichstrom liegende Gleichrichter die Fähigkeit verlor, seinen Sperrwiderstand beim Anschalten an Wechselstrom wieder zu erhöhen. Das wirkt sich in einer erheblichen Zunahme des Rückstromes auf etwa das Zwanzigfache des normalen Wertes aus: Die Folge davon ist, daß in dem Gleichrichter etwa die doppelte Leistung in Wärme umgesetzt wird, was der Gleichrichter schließlich nicht vertragen kann.

Wie die Versuche ergeben haben, stellt sich ein erhöhter Rückstrom nach etwa 40 Betriebsstunden ein, während die Fähigkeit, den ursprünglichen Sperrwiderstand wieder anzunehmen, nach etwa 1000 Betriebsstunden verloren geht; allerdings können diese Zahlen sowohl über als unterschritten werden.

Allen diesen Schwierigkeiten kann man aus dem Weg gehen, wenn man die Schaltung grundsätzlich so trifft, daß der Selengleichrichter beim Anschluß des Empfängers an ein Gleichstromnetz kurzgeschlossen, also durch eine Leitung überbrückt wird. Dann behält man die Vorzüge dieser Art der Gleichrichtung für Wechselstrom bei, ohne beim Anschluß an Gleichstrom mit einer Verschlechterung der Gleichrichterwirkung und einer Beschädigung des Elementes rechnen zu müssen.

Funk, 1937, H.6, S. 182

MfG DR

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Literatur zu Selengleichrichtern 
24.Feb.09 18:20

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Den Literaturstellen [1] und [2] können weitere Informationen entnommen werden, die in Einklang mit den oben gegebenen Aussagen sind.

Kennlinie des Selengleichrichters

2.32 Vorstromkennlinie [1]

Man kann den wesentlichen Teil der Vorstromkennlinie näherungsweise durch eine lineare Gleichung darstellen.

U = α + βi   (2.1) mit α = Gegenspannung, β = (differentieller) Widerstand

In Bild 2.14 ist sowohl die wirkliche, an einem Katodenstrahloszillographen gewonnene Kennlinie a als auch die Ersatzkennlinie b dargestellt. Die Beziehung (2.1) gibt auch das Ersatzschema für Trockengleichrichterscheiben, das aus einer konstanten Spannungsquelle α besteht, die mit einem ohmschen Widerstand β und einem idealen, verlustlosen Ventil V in Serie geschaltet ist (Bild 2.15).

Das Vorzeichen der Spannungsquelle muß so gewählt werden, daß der Vorstrom gegen die elektromotorische Kraft der Ersatzstromquelle fließt. Mit Hilfe dieser Ersatzschaltung wird in den weiteren Ausführungen sowohl die Verlustleistung der Gleichrichterscheiben als auch der Einfluß der Stromspannungskeinnlinie auf die elektrischen Eigenschaften des ganzen Gleichrichterkreises berechnet. Im besonderen sei aber hier darauf hingewiesen, daß die Kennlinie nach Bild 2.14 entweder an einem Oszilloskop oder an Zeigergeräten mit einer Gleichspannung gemessen wird. Dabei muß die Scheibe während des ganzen Meßvorgangs auf gleicher Temperatur gehalten werden, wobei als Meßtemperatur zweckmäßig die Betriebstemperatur gewählt wird. Alle anderen Kennlinien durch punktweise Aufnahmen an Zeigerinstrumenten gewonnen, geben stets Mittelwerte.
Dem Oszillogramm nach Bild 2.14 können ohne weiteres die Werte α und β entnommen werden.

Fig. 5-6 [2] gilt für 1 Selen-Gleichrichter-Scheibe


Fig 5-8, 5-9 [2] gilt für 1 Selen-Gleichrichter-Scheibe

Abb 2.43 [1] gilt für 1 Selen-Gleichrichter-Scheibe

2.5 Die Alterung von Selenscheiben [1]

2.51 Allgemeine Beschreibung

Beim Lagern von Selenscheiben, Selensäulen und Selengleichrichtergeräten ändern sich deren elektrische Eigenschaften, was sich vor allem in einem Anstieg der Rückströme äußert. Diese Erscheinung ist aber im allgemeinen reversibel, und nach kurzem Betrieb erhält man abermals die ursprüngliche Höhe der Rückströme. Besonders augenfällig ist dieser Rückstromanstieg bei Selenscheiben, die nach dem Aufdampfverfahren hergestellt sind.

Eine Erhöhung des Spannungsabfalls in Vorstromrichtung, die bei längerer Lagerung manchmal auch auftritt, ist bei guten Scheiben geringfügig und vernachlässigbar.

Aber auch im Betrieb treten Änderungen der elektrischen Eigenschaften bei Selenscheiben auf, die leider noch viel größer als die Änderungen bei Lagerung und zudem irreversibel sind. Es ändert sich nämlich der innere Widerstand der Scheiben sowohl in Vorstrom‑ als auch in Rückstromrichtung. Man kann zwar manchmal auch einen Abfall des Sperrwiderstandes während des Betriebes bemerken, doch kommt das seltener vor und ist entweder bedingt durch unvollkommenes Formieren oder durch Einflüsse umgebender Dämpfe oder Gase.

Der Anstieg des Sperrwiderstandes ist natürlich erwünscht. Demgegenüber beschränkt der Anstieg des Vorwiderstandes die technische Verwendbarkeit der Selenscheiben. Damit hängt der Begriff der Alterung zusammen. Die Alterung verhinderte lange die breite Anwendung von Selengleichrichtern in der Technik, da die ersten Scheiben schon nach einigen Stunden stark alterten. Erst als es gelang, Selengleichrichter herzustellen, bei denen der Anstieg des Vorwiderstandes im Laufe des Betriebes technisch und wirtschaftlich erträglich war, konnte an die Verwertung des Selengleichrichters geschritten werden.

Abb 2.30 [1] 8600 h = 8,6 kh entspricht 1 Jahr

Fig. 5-8 [2]

Abb 2.34 [1]

2.55 Ursachen der Alterung [1]

Im ersten Kapitel wurde schon kurz der Mechanismus der Betriebsalterung behandelt, wobei sich die Erklärung der Alterung auf die Sperrschichttheorie stützte. Danach ist die Erniedrigung der Scheibenleitfähigkeit in Vorstromrichtung dadurch hervorgerufen, daß bei Belastung in der Sperrphase die negativ geladenen Störstellen (Im wesentlichen handelt es sich um negativ geladene Halogenionen) in den erwärmten Scheiben im starken elektrischen Feld aus der Sperrschicht zur Deckelektrode abgetrieben werden. Dadurch verarmt die Sperrschicht an Störstellen. Die an die metallische Deckelektrode geführten Ionen werden teilweise durch chemische Kräfte an das Metall gebunden und gehen dem Halbleiter verloren. So würde die Sperrschicht rasch an Störstellen verarmen, doch reicht anfangs das große Störstellenreservoir der Selenschicht für den Nachschub. Erst nach Erschöpfung dieses Reservoirs nimmt die mittlere Störstellendichte der Selenschicht ab, womit sich deren elektrische Leitfähigkeit verringert. Daß dabei gleichzeitig der Widerstand in Sperrichtung ansteigt, erklärt sich ebenfalls durch den Rückgang der Störstellendichte in der Sperrschicht, die auch für den Widerstand in Sperrichtung maßgeblich ist.

Es sei dabei in Erinnerung gebracht, daß der Widerstand in Vorstromrichtung im wesentlichen in der Selenschicht, der in Sperrichtung dagegen im wesentlichen von der Sperrschicht gebildet wird. In der Vorstromphase ist letztere außerordentlich dünn, so daß ihr Widerstand sehr gering ist, während er in der Sperrphase ausschlaggebend wird.

Mit dem hier benutzten Bild des Alterungsmechanismus ist allerdings nur eine ganz rohe Skizze einer Alterungstheorie gegeben. Die komplizierten Zusammenhänge, die z. B. in Bild 2.33 (Wendetangente usf.) in Erscheinung treten, können mit diesen einfachen Annahmen noch nicht erklärt werden. Auch Erscheinungen an Selenscheiben mit einer isolierenden Bakelitzwischenschicht, bei welchen der Widerstand der Sperrschicht in der Vorstromphase nicht vernachlässigt werden kann, entziehen sich noch der Deutung. Alle Versuche bestätigen aber eindeutig, daß die Temperatur beim Altern eine große Rolle spielt, insofern, als eine höhere Betriebstemperatur die Alterung beschleunigt. Dies kann man im Sinne der hier gegebenen Vorstellungen zwanglos so deuten, daß die Temperatur die Beweglichkeit der Störstellen bedeutend erhöht, so daß diese rascher zur Metallelektrode abwandern, wo sie chemisch gebunden werden.

Diese Vorstellung bestätigt auch die Tatsache, daß die Alterung durch bestimmte Stoffe beeinflußt werden kann, die dem Metall der Gegenelektrode beigegeben werden. In dieser Hinsicht ist besonders die Wirkung des Thalliums bekannt, das auch bei sehr geringfügigen Zusätzen die Lebensdauer der Selenplatten bedeutend herabsetzt. Im Sinne der Theorie von der Abwanderung der Störstellen im elektrischen Feld erklärt sich der Einfluß des Thalliums dadurch, daß dieses bei seiner großen Affinität zu den Halogenen oder anderen elektronegativen Stoffen, die zur Metallelektrode abwandernden Ionen mit großem Wirkungsgrad bindet. Deswegen besteht nur eine sehr geringe Wahrscheinlichkeit, daß die Ionen in die Selenschicht (Sperrschicht) zurückkehren. Sie sind daher als Störstellenreservoir endgültig verloren. Es ist auch möglich, daß diese Bindung schon in der Selenschicht oder Sperrschicht stattfindet, wohin das Thallium durch Diffusion von der Metallelektrode gelangt. Es besteht aber nicht die Möglichkeit dem Selen von vornherein mehr Störstellen in Form von elektronegativen Verunreinigungen zuzusetzen, da die Gleichrichterwirkung nur in einem engen Bereich der Störstellendichte auftritt.

Andere Einzelheiten, die Selenfachleuten längst bekannt sind, z. B. die Lebensdauerkürzung der Scheiben durch stärkere Schwefelung nach der Umwandlung des Selens in seine kristalline Struktur, können vorderhand nicht befriedigend erklärt werden, so daß noch weitere Erfahrungen und ein weiterer Ausbau der Theorie abgewartet werden müssen.

Wie schon erwähnt, kann die Lebensdauer von Selengleichrichtergeräten auch durch konstruktive Maßnahmen verlängert werden, die in der Richtung liegen, die Betriebstemperatur möglichst niedrig zu halten, also die Kühlung zu steigern. Solche Maßnahmen sind allerdings durch wirtschaftliche Gesichtspunkte beschränkt, weswegen ein Kompromiß zwischen Anschaffungskosten und Lebensdauer geschlossen werden muß.

 

Spannungsabfall in Gleichrichterschaltungen

Fig. 5-14 [2]

Fig 5-22 [2] Der Spannungsfall steigt mit der Strombelastung. In Einweg-Gleichrichtung (1 Phase) mit Lade-C (oder Batterie) ist die Belastung am größten.

 


[1]: Mierdel, G.; Kroczek, J.: Selengleichrichter, VEB Technik, 1959
[2]: Jackson, S.P.: Selection and Application of Metallic Rectifiers, McGraw-Hill, 1957

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