Die Messung des Effektivwertes:'True RMS'

10
ID: 181117
Die Messung des Effektivwertes:'True RMS' 
09.Jan.09 18:03
4325
10

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 146
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Multimeter zur Messung von Wechselspannungen messen den Mittelwert der Spannung, nachdem diese mit einem Vollweg-Gleichrichter gleichgerichtet wurde. Mittelwerte sind jedoch i.a. viel weniger von Interesse als Effektivwerte, weil diese direkt mit den Leistungen verknüpft sind. Für sinusförmige Spannungen  gibt es dafür eine einfache Lösung: Das Meßgerät bestimmt den Mittelwert, aber die Anzeige (Skala, Display) ist mit den Werten des Effektivwertes beschriftet. Der Faktor, der dafür anzuwenden ist, heißt "Formfaktor" und beträgt im Falle einer sinusförmigen Spannung 1,11.

Sollen die Effektivwerte von Wechselspannungen mit anderen Zeitverläufen (z.B. periodische Rechteck-Impuls-Folgen, "angeschnittene" Sinuskurven bei Tyristorsteuerungen, Audiosignale) gemessen werden, benötigt man ein sogenanntes "True RMS" Meßgerät. RMS heißt Root Mean Square und ist der angelsächsische Ausdruck für Effektivwert.

In der Anlage findet sich ein Papier, das die Begriffe "Mittelwert, Effektivwert, Crestfaktor" behandelt. Als Beispiele werden eine sinusförmige und eine rauschförmige Spannung analysiert. 

Im Zusammenhang mit der rauschförmigen Spannung wird auf das Problem "Röhrenverstärker contra Transistorverstärker" eingegangen.

Es folgt eine Analyse der Blockschaltung und der Schaltung von "RMS-Konvertern", die als ICs verfügbar sind und in True-RMS Meßgeräten Anwendung finden.

Ein wichtiger Punkt dabei ist die Abhängigkeit der Bandbreite der RMS-Messung von der Größe der Eingangsspannung. Bei Nichtbeachtung kann das zu Fehlmessungen führen.

MfG DR

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 2
Messungen des RMS Wertes 
25.Jan.11 12:50
4325 de 43070

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 101
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Herr Glüder hat per Mail die Beschreibung einer praktischen Messung des RMS-Wertes mit unterschiedlichen Meßgeräten übermittelt und gebeten, diese an den Thread anzufügen. Ich denke, daß dies eine sehr gute Ergänzung darstellt und komme der Bitte gerne nach.

 

MfG DR

Messen / Berechnen des Effektivwertes


Erst jetzt bin ich auf die ausgezeichnete Darstellung von Prof. Rudolph zum Thema "True RMS" gestoßen, die mir sehr beim Verständnis des Problems geholfen hat. Herzlichen Dank dafür!

Ich selbst habe mich, ausgehend vom Problem der Halbwellenheizung, mit der Messung von Effektivwerten in der Praxis beschäftigt. Dass die vorhandenen Multimeter, digitale sowie Drehspulinstrumente, dabei nicht helfen konnten, sobald das Messobjekt vom Sinusverlauf abweicht, war klar. Ein Röhrenvoltmeter HP400D verspricht auf der Skala "R.M.S. Volts", ein Blick in das Handbuch zeigt allerdings, dass das nur für Sinusspannungen gilt. (Dafür hat das Gerät einen sauberen Frequenzgang bis 4MHz.)

So landete ich auf der Suche nach einem preiswerten Multimeter, welches "True RMS" anzeigen kann, beim Mastech M9803R, das für ca. 100€ bei verschiedenen Anbietern zu haben ist. Die ersten Versuche führten aber zur Ernüchterung. Das Gerät bringt plausible Werte bei symmetrischen Spannungsverläufen einschließlich Rechteck- und Dreieckspannungen. Sobald aber Gleichspannungsanteile ins Spiel kommen, zeigt das Messinstrument keine anderen Werte als digitale Handmultimeter, die kein "True RMS" versprechen. Es wäre interessant zu ermitteln, ob das am verwendeten RMS-Converter AD737 oder an dessen externer Beschaltung liegt. Das Datenblatt ist hier zu finden. (Der über den Lieferanten angesprochene Hersteller des M9803R ließ lapidar mitteilen: "That is impossible" – wobei er unklar ließ, ob er damit meinte, das Gerät könne das eben nicht.)

Schließlich beschaffte ich mir ein UT-803, ebenfalls ein Tischmultimeter, kaum teurer als das von Mastech. Es ist bei der RMS-Messung umschaltbar zwischen AC und AC+DC, lässt also erwarten, dass Mischspannungen bewältigt werden können (worauf in den werbenden Aussagen gar nicht hingewiesen wird!). Außerdem erwarb ich ein Dreheisenvoltmeter aus alter CSSR-Produktion. Später wurde mir von O. Frosinn noch ein Metex 3640D zu Vergleichszwecken überlassen, das auch "True RMS" – fähig sein soll.

Das Bild zeigt den Versuchaufbau bei der Messung einer Vollwellen-gleichgerichteten Spannung aus einem Netztransformator. Beide Digitalmultimeter zeigen "True RMS".


Es folgt eine Tabelle, die die Ergebnisse der kleinen Messreihe wiedergibt. Es ging hierbei nicht um die Messgenauigkeit, sondern die Plausiblität der Messergebnisse, verglichen mit den theoretisch zu erwartenden Werten. Auch der Frequenzgang war nicht von Interesse, schon allein wegen des Dreheiseninstrumentes wurde nur mit 50Hz gearbeitet. (Nur die Kalibrierspannung hat eine Frequenz von 2000 Hz.)

Vergleich der RMS Messungen
Quelle Oszilloskop RMS berechnet Dreheisen HP400D M9803R UT803 (AC + DC)
M3640D
Sinus HP200D 20Vs 14,1V 14,9V 15,0V 14,9V 15,0V 15V
"Sinus" Netz 28Vs 19,8V 21V 21,7V 21V 21V 20,8V
Vollwelle Netz gleichger. 28Vs 19,8V 20V 9,5V 9,3V 20,1V 9,2V
Halbwelle Netz gleichger. 28Vs 14V 14,5V 11,5V 11,4V 14,6V 11,3V
Dreieck XR2206 3Vs 1,73V *) 1,6V 1,8V 1,7V 1,7V
Rechteck symm 1:1 5Vs 5V *) 5,8V 5,2V 5,1V 5,1V
Rechteck 0 - 1V 1:1 1Vs 0,707V *) 0,57V 0,66V 0,71V 0,51V
 

*) Dreheisenistrument ist zu niederohmig für die Quelle.
Das Rechteck 0 - 1V ist die Kalibrierspannung des Oszilloskops
Nachkommastellen sind gerundet.
 
Die plausiblen Werte liegen alle etwas höher als rechnerisch zu erwarten. Das deutet daraufhin, das der Oszi (Bezugswerte) nicht sauber kalibriert ist. Die Betrachtung einer Gleichspannung deutet auf eine Abweichung von etwa –5%, was die Werte z.B. des UT803 und des Dreheiseninstruments noch besser aussehen lässt.

Fazit:

Das Versprechen, Effektivwerte anzuzeigen, muss immer kritisch gesehen werden. Selbst die Angabe des zulässigen Crestfaktors sagt noch nichts darüber aus, wie das Messgerät mit verschiedenen Kurvenformen zurecht kommt, zumindest bei Mischspannungen.
Das sehr preiswerte M9803R zeigt an symmetrischen Spannungen Ergebnisse, die mit der Theorie (Crestfaktor) gut übereinstimmen. Sobald aber Gleichspannungsanteile vorhanden sind, werden die Messwerte so ungenau, dass das Gerät nicht mehr zu verwenden ist. Übrigens wurde mir mitgeteilt (tks to DL2YI), dass auch teure Fluke-Instrumente sich in dieser Hinsicht nicht anders verhalten.

Wer Wert darauf legt, dass auch bei Mischspannungen ein "wirklicher" Effektivwert angezeigt wird, muss darauf achten, dass das Instrument "AC+DC True RMS" beherrscht.

Joachim Glüder

Edit 26.01.11: Tippfehler in Tabelle korrigiert

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 3
Messungen an Verbrauchern.  
25.Jan.11 13:10
4337 de 43070

Hans M. Knoll (D)
Redakteur
Beiträge: 2163
Anzahl Danke: 119
Hans M. Knoll

Hallo Herr Rudolph, hallo Herr Glüder.

Eine auch fuer mich wertvolle Arbeit.

Zur Theorie, gesellt sich die Praxis am Messplatz.

Zu den zwei Stufen der Messprobleme, moechte ich noch eine Stufe tiefer einen Beitrag einstellen.

Dort habe ich meine Messmittel mit einem True RMS, Energie- Messer von CONRAD verglichen.

Die heute in Baumaerkten angebotenen Messmittel, sind nur fuer Sinus- Leistungen brauchbar.

 

Ich denke, dass die Tabelle von mir, als Ergaenzung ganz brauchbar sein koennte.

 

Gruss und ein Dankeschoen von:  Hans M. Knoll

Anlagen:

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 4
RMS Vorsatzgeraet fuer Multimeter 
28.Jan.11 18:08
4726 de 43070

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 140
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Joe Sousa hat bereits im Januarheft 1993 in den "EDN-Design Ideas" eine Schaltung mit nur 4 Transistoren veröffentlicht, die als Vorsatzgerät vor ein "normales" Multimeter geschaltet, die RMS-Messung der Leistung eines Verbrauchers gestattet.

Der Shunt-Widerstand zur Messung des Stromes sollte thermisch mit den Transistoren gekoppelt sein, damit die Schaltung temperaturunabhängig arbeitet.

Seltsam ist jedoch, daß es über 3 Jahre später, nämlich im Juli 1996 einem anderen "Erfinder" gelungen ist, eine Schaltung patentieren zu lassen, die exakt auf der von Joe Sousa veröffentlichten Anordnung besteht.

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 5
Thermokreuz; Thermowandler 
02.Jun.16 14:11
28743 de 43070

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 34
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Er gibt RMS Meßgeräte, die mit Hilfe eines Thermo-Kreuzes die Messsung des Effektivwertes realisieren.

Als Beispiele können das HP3400A und das HP3403C dienen.

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

 6
RMS Multimeter 
03.Jun.16 14:10
28890 de 43070

Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
Beiträge: 2492
Anzahl Danke: 35
Dietmar Rudolph † 6.1.22

Für die meisten Zwecke bei der Reparatur von Radios genügt ein RMS Multimeter zur Bestimmung des Effektivwertes einer nicht-sinusförmigen Spannung. Diese gibt es heute in verschiedenen Preis- und Genauigkeits-Klassen.

Neben den traditionellen Philps Multimetern PM2518 oder PM2518X gibt es mittlerweile auch recht preisgünstige Geräte, z.B. das UNI-T Typ UT61E. (z.B. bei Pollin)

Diese RMS Multimeter haben keine Thermokreuze zur Bestimmung des Effektivwertes (RMS, root mean square). Vielmehr wird mit Hilfe eines Spezial-ICs der Effektivwert "berechnet", wie es im Post #1 beschrieben wird.

Nun ist das UT61E aber nicht als "RMS"-Multimeter, sondern als "True RMS"-Multimeter bezeichnet. Stimmt das? (Pollin selbst bezeichnet es als "RMS"-Multimeter.)

Zwischen "RMS" und "True RMS" besteht der Unterschied, daß bei "True RMS" auch eine überlagerte Gleichspannung (Gleich-Komponente) berücksichtigt wird, während bei "RMS" nur der Effektivert der Wechsel-Komponente gemessen wird. Der Zusammenhang zwischen beiden Größen ist folgender:

u_{\textup{True RMS}} =\sqrt{u_{dc}^2 + u_{ac\, RMS}^2}

Das bedeutet auch, daß sich der "True RMS" Wert mit Hilfe von 2 Messungen berechnen läßt, nämlich "RMS" Wert messen und Gleichanteil udc messen.

Um zu testen, ob das UT61E nun tatsächlich den "True RMS" Wert bestimmt, oder nur den "RMS" Wert, wurden folgende Meßreihen durchgeführt.

Als Generator fand ein Wavetek 116 Verwendung. (Ähnlich dem Wavetek 115).

Der Generator muß neu kalibriert werden, denn er hat im Ausgangssignal eine Gleichkomponente von udc=1,027V. Für die beabsichtigte Messung hat das aber genau gepaßt, denn es soll ja der Effektivwert der Ausgangsspannung bestimmt werden und für "True RMS" wird ja genau diese Gleichkomponente mit berücksichtigt.

Als Meßgeräte wurden verwendet:

Meßgerät Sinusspannung Dreieckspannung Rechteckspannung
"RMS" Messung
HP3403C 1,268 V 1,091V 1,355V
HP3400A 680mV 340mV 885mV
PM2618 688,4mV 338,4mV 872,6mV
UT61E 690,6mV 338,0mV 877mV

Die absoluten Werte der Meßreihen sind bei dieser Messung unerheblich, denn es ging nur darum, festzustellen, ob das UT61E nun tatsächlich "True RMS" Messungen machen kann, wie auf dem Typenschild geschrieben steht. Die Messungen zeigen aber, daß (nur) der "RMS" Wert gemessen wird.

Das Gerät kann aber trotzdem empfohlen werden, denn es ist nicht nur (verhältnismäßig) preiswert, sondern es kann auch mit dem PC gekoppelt und von da aus gesteuert werden. Dadurch ist es sehr bequem auch (zeitlich) längere Meßreihen aufzunehmen, die anschließend graphisch dargestellt werden können. (Auf diese Weise hat z.B. ein Freund die Stromaufnahme (mit LEM-Wandler) seiner neuen Waschmaschine kontrolliert.)

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.