Funkstation Podebrady Tschechoslowakei

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Funkstation Podebrady Tschechoslowakei 
27.Sep.22 17:36
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Dss Ziel ereichen Sie einfach. Sie fahren die D11 von Prag Richtung Hradec Kralove, nach etwa 50 Km kommt die Ausfahrt 42 , dort sind es noch 5 km bis Podebrady und dann in das Navi eingeben "na zelesí" und schon stehen Sie am Golfplatz. 

historische Einfahrt in das Senderareal  Foto:Wolfgang Lill

In der Zeitschrift "Radio telegrafie a telefonie" vom Februar 1931 fand ich einen interessanten Artikel zum Thema "Direkte Funktelegrafenverbindung zwischen der Tschechoslowakei und Amerika". 

Im Jahre 1921 wurde der Bau einer leistungsfähigen Radiotelegraphischen Sendestation  beschlossen um drahtlose Verbindungen zu schaffen zwischen der Tschechoslowakei und anderen Ländern. 

Diese Sendestation war in einem Rondokubistischen Gebäude nach einem Entwurf des bekannten Architekten Bohumír Kozák untergebracht. Das Gebäude war im Jahre 1923 bereits nutzungsfähig, wie auch zwei Gittermasten von je 150 m Höhe, welche die Firma "Société Francaise Radioélectrique" errichtete. Die Masten stehen mit ihren ja 105 Tonnen Gewicht auf quadratischen Betonfundamenten von ca 3,8 qm. 

Nach inzwischen fast hundert Jahren stehen beide Masten noch. Gehalten werden diese durch 24 Stahlseile, welche in acht gleichartigen Betonblöcken  40 und 80 m vom Mastfuß entfernt, verankert sind. Von hier wurde in den Anfangsjahren auch ein Langwellensender auf 1160 m betrieben. 

Die Masten 1 (im Bild oben) und 2  stehen im Abstand von 250 m. Seine Spitzen waren damals mit zwei Stahlseilen , sogenannte "Traversiers" verbunden. die Erdung der Station besteht aus dreißig radial auseinanderlaufenden Kupferdrähten , die in einer Tiefe von etwa 40 cm vergraben sind. Das fächerförmige Erdungsnetz bedeckt eine Fläche in Form einer Ellipse , deren große Halbachse  345 m misst und die kleine etwa 190 m. Hier sind weitere Drähte angeschlossen, im Ergebnis hat die Erdung bei dem auch sehr nassen Boden einen Widerstand von etwa 3 Ohm !

Südlich der Sendestation steht der Mast Nr. 2

Den Zustand können Sie selbst beurteilen. Seit 2004 steht die Anlage unter Denkmalschutz.

Der Gebäudekomplex der Funktelegrafenstation wurde in den Jahren 1921 - 1924 errichtet. 

Der nördliche Haupteingang ist beeindruckend

Noch etwas mehr vom EingangsportalDie Tür war verschlossen. Wer hier ein technisches Museum in den Innenräumen erwartet, wird enttäuscht. Es gibt keines. Die Wand- Decke und Fußbodengestaltung ist jedoch noch erhalten geblieben. Leider konnte mir niemand an diesem 24.09.22 die Tür öffnen....

Aber ich kann natürlich auf den anfangs erwähnten Artikel zurückgreifen  zur technischen Ausstattung .

Die damalige Funktelegraphenzentrale besteht aus drei Komplexen:

1. Die Sendestation in Podebrady  2. Die Empfangsstation Bilá Hora bei Prag und  3. dem Funkzentrum in Prag, Jindřišská​ Strasse. Alle diese Dienststellen sind per Kabel miteinander verbunden.                    Im Funktelegrafenbetrieb wurde ( damals) ausschließlich der Doppelduplexbetrieb verwendet. 

Am 19.März 1923 wurde eine erste Verbindung zwischen der Tschechoslowkei und dem Ausland hergestellt. es war die Station St. Assies bei Paris.

 So richtig los mit planmäßigem Funkverkehr nach Übersee ging es ab 1931 zum Beispiel mit New York.

Hier ein gekürzterAuszug aus obigem Artikel:

Die für New York bestimmten Funktionen der Funkzentrale wurden im Funkzentrum Prag gesammelt . Für die Funkübermittlung werden die Nachrichtentexte mit Perforatoren im Morsecode auf einen Papierstreifen perforiert. Dieser Streifen wird in die Hochgeschwindigkeitstelegrafensendevorrichtung  des Wheatstone Systems eingefügt und es erfolgte die Umwandlung des perforierten Textes in Stromimpulse.

Diese Stromimpulse werden über eine Drahtleitung zur Sendestation geleitet, wo sie dann in der Modulationseinrichtung der Sendestation verarbeitet werden. Der in dieser Sendeanlage erzeugte Hochfrequenzstrom wird über spezielle Hochfrequenzleitungen zu einer Richtantenne mit Reflektor geleitet, welche genau in Richtung New York ausgerichtet ist.

Südansicht des Sendekomplexes Foto und alle zuvor Wolfgang Lill

Die Sendefrequenz beträgt 13255 kHz, entspricht 22,6 m  . Das Signal wird an der Empfangsstation Riverhead bei New York empfangen und von dort als Stromimpulse über Kabelverbindung zur Funkzentrale der Radio Corporation of America in der Broadstreet in New York übertragen. 

Antworten bzw auch Fehlermeldungen werden von der Funkzentrale über Kabel zur Sendestation in Rocky Point übertragen . Die Empfangsstation Bilá Hora bei Prag , die ebenfalls durch eine Telegrafenleitung mit der Funkzentrale in Prag Jindřišská​ Strasse verbunden ist, ist auf die Frequenz des US- Senders abgestimmt z.B. auf 10630 kHz ( 28,2 m) . Die erfassten Signale werden in Tonimpulse umgewandelt, welche an die Funkzentrale gesendet werden. Die Ruzeichen der Sender in Podebrady sind OKI  und OKH. 

Für diese Überseekommuniktion zwischen der Tschechoslowakei und den USA  wurden zwei hochmoderne  Kurzwellensender nach dem Telefunkensystem  , Hersteller Kresl & spol., Prag installiert. Foto unbekannt. von 1931  leider nicht mehr besser zu machen ein 20 kW Telegrafiesender wie zuvor beschrieben

Die Telegrafenleistung jedes dieser Sender  beträgt 20 kW (gemessen in der letzten Stufe einer unmodulierten Welle). Beim Telefonieren hat der Sender eine durchschnittliche Leistung von etwa 8 kW. Diese Sender sind  für die Übertragung von Ton, Telefonie, und Bildtelefonie konzipiert.

Das HF- Teil des 20 kW Kurzwellensenders besteht aus sieben hintereinander angeordneten HF- Stufen. Diese sind alle grundsätzlich gleich ausgeführt. Der Unterschied zwischen den einzelnen Stufen ist nur in der Größe und der Röhrenbestückung. Die Anlage wird mittels Quarzkristall gesteuert, der Arbeitsbereich des Senders liegt zwischen 14 und 60 m , kann aber auch bis in 100 m Band noch verwendet werden.  Das ändern der Frequenz erfolgt mit austauschbaren Spulen und dauert etwa 30 Minuten.

Der Sender ist mit 12 Röhren  bestückt , davon 4 Röhren in der Modulation. Noch ein Süd-West Foto von dem denkmalgeschütztem Bauwerk Foto Wolfgang Lill

Ein Schwenk zur Empfangsstation in Bilá Hora ( Weißer Berg ) bei Prag

Leider habe ich von dieser Station bis jetzt noch kein Foto gefunden. 

Hier wurden die Signale mit Richtantennen aus Rocky Point empfangen mit einem speziellen Telefunken- Empfänger. Dieser konnte bis 300 Wörter pro Minute lesen. 

Stromversorgung der Sendestation

Die Station in Podebrady verfügte damals über einen Anschluß an das Überlandnetz , eine 15000 Volt Freileitung. Diese wird in einer Umspannanlage mit Drosseln und Überspannungsableitern in ein etwa 610 m langes Kabel  eingespeist zu einem im Hauptgebäude befindlichen Transformator. Dort lag dann sekundär 220 Volt an.

In der eigenen Elektrozentrale waren zwei 185 PS- Dieselmotoren installiert, die im Havariefalle den Betrieb der Anlage gesichert hätten.

Ende 1934 wies das Tschechoslowakische Aussenministerium auf die Notwendigkeit der Einrichtung einer Kurzwellenstation hin.  Zum einen wollten man Informationen über das Land und seine Politik in andere Länder Europas senden und auch Kontakt zu den in Nordamerika lebenden Tschechen und Slowaken aufbauen. Aus dem Staatshaushalt wurden für den Aufbau der Kurzwellenstation in Podebrady 3,5 Millionen Kronen bereitgestellt. Insgesamt wurden drei Sender angeschafft. Für die Rundfunksendungen wurde der 34 kW- Sender SWB9/30 eingesetzt. Dieser konnte auf Wellenlängen von 13...100 m arbeiten.

Die ersten Probesendungen begannen bereits am 24.Juli 1936. Am 13. und 14. August wurde sogar ein 24- Stundenprogramm gesendet.  Zunächst hatte man ein Studio direkt im Sendegebäude in Podebrady eingerichtet.Ostansicht , Foto vom 24.09.2022; Wolfgang Lill

Dort gab es Musik von Grammophonschallplatten und aller 12 min Ansagen in verschiedenen Sprachen.

Am 31.August 1936 um 10.00 Uhr startete der damalige Technische Direktor des Tschechoslowakischen Rundfunks Eduard Svoboda mit seiner Ansprache in Englisch offiziell die Tschechoslowakischen Auslandssendungen . 

Diese Sendung und die folgenden kamen bereits aus einem Studio aus Prag. 

Hier ein Wochenprogramm vom 6. bis 12. Dezember 1936 aus dem Radiojournal

Am 15.März 1939  wird das Protektorat Böhmen und Mähren installiert und die Auslandssendungen werden mit der Besetzung durch die faschistischen Truppen eingestellt, Abgesehen von einigen streng zensierten Sendungen für die Landsleute in Nord- und Südamerika welche ab 26.März 1939  in tschechischer Sprache 2-4 Stunden übertragen wurden.

Alle nichtarischen Angestellten durften nicht mehr beschäftigt werden.

Die Anlagen in Podebrady überdauerten den Krieg unzerstört und wurden bereits wenige Tage nach Kriegsende  wieder für Kurzwellensendungen eingesetzt . Ausführlich hatten wir schon berichtet:

Diese Sendung und die folgenden kamen bereits aus einem Studio aus Prag. 

Auch die örtliche Presse nimmt regen Anteil an den Sendern und schreibt unter anderem ( Quelle: Chronik von Podebrady 1930-1938 handschriftlich geführt )

24 prosinec  1931 (s. 24 a 25)

Zahájila provoz telegrafní stanice . (technické údaje dle tisku). Telegram může být do N.Yorku doručen za 20 min a byl případ, kdy na telegram přišla odpověd za 25 minut

24.Dezember 1931 Übersetzung ( nochmal etwas zur Telegrafenstation) Die Telegrafenstation nahm ihren Betrieb auf. Ein Telegramm kann in 20 Min nach New York gesendet werden und es gab einen Fall, wo ein solches Telegramm in 25 Minuten beantwortet wurde

14.9. 1936  zahájil zkusmo provoz KV vysílač. Po týdnu má vysílat pravidelně, do Sev Ameriky od 3. Do 5, , do Evropy mezi 20.25 až 22.30. Jako jiné KV stanice je dobře slyšitelná v Poděbradech a pak až v Podkarpatské Rusi a na Východním Slovensku. Informuje o životě u nás a dostává už mnoho dopisů

Übersetzung:  Am 14.9.1936 (?) nahm der KV-Sender den Probebetrieb auf . Nach einer Woche soll regelmäßig gesendet werden nach Nordamerika von 5.00 bis 17 Uhr und für Europa zwischen 20,25 und 22,30 Uhr.. Wie andere KV- Stationen ist es in Podebrady und im Karpatenvorland und in der Ostslowakei gut zu hören. Der Sender informiert über das Leben bei uns und es kommen schon viele Zuschriften.

159 – 209 ( Chronik Seite)

13.12.1937 zřízeno vysílání pro Již. Ameriku, krajan z Caracasu poslal telegram, že pořad byl dobře slyšitelný a vzbudil zájem posluchačů

Übersetzung: Am 13.12. 1937 begannen die Sendungen für Südamerika. Ein Landsmann aus Caracas schickte ein Telegramm, daß das Programm gut zu hören ist und das Interesse der Zuhörer geweckt habe.

Ab 1952 werden die Sender in Podebrady auch als Störsender für Kurzwellensender von Radio Freies Europa eingesetzt. Gleichzeitig erfolgten von diesem Standort noch Auslandssendungen von Radio Prag. Die Störsender wurden am 16. Dezember1988 außer Betrieb genommen.

Die Kurzwellensender in Podebrady waren zuletzt 1982 während des Umbaues von Rimavská Sobota in Betrieb. Diese große Sendeanlage befindet sich in der Slowakei. 

Noch der Hinweis auf den größten Kurzwellensenderstandort Tschechiens Litomyšl

 

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Funkstation Podebrady Tschechoslowakei 
19.Mar.23 16:55
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Podbrady  hier die "beste" Lösung zum Thema "Wie vernichtet man ein Denkmal ?"

  Danke für die Auskunft. Es hat eine besondere Bedeutung in Poděbrady. Dort ist es als ganzes Gebäude + Masten geschützt und hat auch einen privaten Eigentümer Herrn Louda. Es ist ihm überlassen, was er damit macht - er muss sich gesetzlich darum kümmern, tut er aber leider nicht. Dort werden die Masten wohl bald von selbst fallen, weil sie in einem sehr schlechten Zustand sind. Ursprünglich wollten die Golfer sie abschießen, aber Naturschützer und Menschen aus Poděbrady hielten sie davon ab. Dann kaufte Louda es und bat um dasselbe – Sprengen. Aber die Denkmalpfleger machten ihm wieder einen Strich durch die Rechnung. Also wählte er eine andere Taktik – er lässt sie rosten und sie fallen von selbst. Die Bußgelder, die er jedes Jahr zwischen 20.000 und 50.000 Kronen erhält, weil er sich nicht um ein Kulturdenkmal kümmert, gehen ihn nichts an, und die Denkmalschützer können nicht mehr zusprechen. Allerdings schreibt er in der Begründung immer, dass er kein Geld für Lackierung und Instandhaltung habe – und das, obwohl er in der Nähe von Vrbová Lhota den größten Autosalon Europas baut. Und noch etwas zu Poděbrady: Am 19. März 2023, war es hundert Jahre her, dass 1923 - 2023 die erste radiotelegrafische Verbindung mit der Welt - Paris, Bern und Bukarest - von Poděbrady aus zustande kam. Später auch mit den USA. Und deshalb haben sie eine besondere Bedeutung, leider werden sie wahrscheinlich nicht lange stehen und von selbst fallen und Louda wird dort Pferde bewegen können. Einen schönen Tag noch. Karl Fiala.

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Funkstation Podebrady Tschechoslowakei 
16.Jan.24 11:06
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Die Empfangsstation in Bílá Hora (Weißer Berg) Hier wurde ein spezieller Empfänger für den Empfang transozeanischer Sender gebaut. Die Signale werden von Richtantennen empfangen, die auf die Sendestation in Rocky-Point gerichtet sind. Der Empfänger ist ebenfalls vom Telefunken-System.

Der Empfänger kann bis zu 300 Wörter pro Minute empfangen. Der Frequenzbereich des Empfängers beträgt 10 - 41 m. Die Frequenzveränderung erfolgt über austauschbare Spulen. Der Empfänger basiert auf dem Superheterodyn-Prinzip, die Abschirmung erfolgt durch Bronzegehäuse. Der Empfänger besteht aus einer 4-Röhren-Hochfrequenzstufe, 1 Röhre als erster Detektor, 3 Röhren als Spezialüberlagerung, 4-Röhren-Zwischenfrequenz, 1 Röhre als zweiter Detektor, 3-Röhren-Tastgerät (Röhrenrelais), 2-Röhren-Steuerempfänger, 1-Röhren-Tongenerator und 2-Röhren-Gerät zum Ausgleich von Schwankungen und Fading.

 

Bilder von der Empfangsstation, den Antennen und dem Empfänger werden gesucht Wer kann helfen ?

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