blaupunkt: LW - Oszillator Anomalie auch bei BLAUPUNKT 7W77

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ID: 595450
blaupunkt: LW - Oszillator Anomalie auch bei BLAUPUNKT 7W77 
12.Nov.22 10:31
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Harald Giese (D)
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Harald Giese

LW - Oszillator Anomalie auch bei BLAUPUNKT 7W77

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Die von Ralph Oppelt am BLAUPUNKT 11W79 festgestellte und hier beschriebene Anomalie des LW - Oszillators hat sich sich auch bei meinem BLAUPUNKT 7W77 bestätigt.

Das Phänomen

Beim Durchstimmen des Langwellenbereichs kommt es im Frequenzbereich zwischen 234 KHz (Sender RTL - nur noch bis 31.12.2022 in Betrieb) und dem Flugfunkfeuer NKR (NDB =Non Directional Beacon) auf 292 KHz zu sprunghafter Veränderung der Oszillatorfrequenz, einhergehend mit einem markanten Abfall der Oszillatoramplitude. (Die ungerichtete Flugfunkbake in Leimen - Ochsenbach südlich von Heidelberg ist in Süddeutschland gut empfangbar und hat die Telegrafiekennung -. -.- .-. also NKR)

Hier zunächst noch einmal der Schaltplan des 7W77

 

Die folgenden Diagramme zeigen die Resultate von Messungen an meinem BLAUPUNKT 7W77.

Im ersten Diagramm wurde der LW - Bereich von tiefen zu hohen Frequenzen durchgestimmt und der frequenzabhängige Verlauf der Oszillatorspannung im Bereich 700 - 790 KHz am Triodengitter der Mischröhre ACH1 aufgenommen.

Die Signalauskopplung erfolgte über einen 1/10 Tastkopf PM8927A mit 1MΩ II 11 pF. Als Auskoppelpunkt wurde das Gitter gewählt, da eine Auskopplung an der Anode, also am Hochpunkt des Oszillatorkreises zu Frequenzverwerfungen führen würde.

 

Erreicht die Oszillatorfrequenz 733,6 KHz, so springt sie bei weiterer Betätigung der Abstimmung auf 749,7 KHz (gestrichelter blauer Pfeil).

Beginnt man den Abstimmvorgang dagegen bei hohen Frequenzen, so ergibt sich folgendes Bild:

 

Erreicht die Oszillatorfrequenz 746,5 KHz, so springt sie bei weiterer Betätigung der Abstimmung auf 720 KHz (gestrichelter roter Pfeil).

Dies bedeutet, dass der Oszillatorfrequenzbereich zwischen 733,6 und 746,5 KHz nicht erfasst wird, unabhängig davon, ob der Abstimmvorgang von tiefen zu hohen Frequenzen oder umgekehrt erfolgt.

In anderen Worten: Zwischen 260,6 und 273,5 KHz liegende Sender können nicht empfangen werden (ZF: 473 KHz).

 

Wie Ralph schon erläuterte, liegt die Ursache dieses Sprungphänomens in der Tatsache, dass das magnetische Streufeld der LW - Oszillatorspule in die nur 28 mm enrfernte MW - Oszillatorspule eingreift.

Die folgenden 2 Bilder zeigen die räumlichen Verhältnisse des Oszillatorspulensatzes bei entfernter Abschirmhaube aus unterschiedlichen Perspektiven:

 

Die Hochpunkte der jeweils nicht benutzten Oszillator- Schwingkreisspulen werden durch den Wellenschalter nach Masse kuzgeschlossen. Da die Tiefpunkte der Schwingkreisspulen aber nicht direkt, sondern über die jeweiligen Padding - Kondensatoren (1900 pF bei KW, 450 pF bei MW und 135 pF bei LW) auf Masse liegen, produziert man durch diesen Masseschluß Parallelschwingkreise bestehend aus den nicht verwendeten Oszillator - Schwingkreisspulen und ihren zugehörigen Padding - Kondensatoren.

So sieht die Schaltung des Oszillators im Detail aus; rot eigekreist die MW - Oszillatorspule, der Paddingkondensator, der Paralleltrimmer und der Kurzschließer (Position Nr. 26) des Wellenschalters.

Fatalerweise liegt die Resonanzfrequenz des in dichter Nachbarschaft der LW - Spule liegenden MW - Kreises (Losz II Cpadding) im Fall des 7W77 bei 737 KHz. Die Messung erfolgte mit meinem "Exciter" bei aufgesetzter Abschirmhaube. 

Der Verbindungspunkt zwischen MW - Spule und Paddingkondensator wurde hierfür behelfsmäßig über einen zusätzlichen Draht durch den Filterboden nach außen geführt.

Die Messung der Resonanzfrequenz sollte nicht ohne Abschirmhaube erfolgen, da diese über Wirbelstromkopplung Einfuß auf die Kreisinduktivitäten hat (siehe Beitrag "Abgleich von Spulen" von D. Rudolph)

Bei dieser Frequenz fungiert die MW - Oszillatorspule in Kombination mit ihrem Paddingkondensator als Frequenzfalle, die dem Oszillatorkreis durch magnetische Kopplung Energie entzieht. Dies erklärt den anomalen Frequenz- und Amplitudenverlauf der Oszillatorschwingung zwischen ca.720 und 750 KHz.

Abhilfe

Die Ausbildung dieses parasitären Absorbtionskreises kann man z.B. - wie von Ralph vorgeschlagen - durch Trennen der Masseverbindung an Kontaktlasche 26 des Wellenschalters erreichen, wodurch der Hochpunkt des MW - Oszillatorkreises nicht mehr an Masse gelegt wird.

Diesem Ansatz folgend habe ich bei meinem 7W77 die Massebrücke zwischen den entsprechenden 3 Kontakten des Wellenschalters aufgetrennt und zwischen den Kontakten für LW und KW eine Drahtbrücke eingebaut (roter Bügel). Die mittlere Lötfahne ist jetzt offen. Der Kontaktsatz für die Umschaltung des Oszillators liegt im Bild ganz rechts. 

 

Nach dieser Schaltungsmodifikation lässt sich der LW - Bereich des 7W77 problemlos durchstimmen. 


Bei meinen Untersuchungen kam es zu folgendem überraschendem Effekt:

Das Springen der Oszilatorfrequenz trat zunächst nur sporadisch auf. Der Grund: Schlechte Kontakgabe des für das Kurzschließen des MW- Oszillatorkreises zuständigen Kontaktpaares (Position Nr. 26). Nach Reinigen der Kontakte und justieren der Nockenwelle war der Fehler manifest.


 

Schlußbemerkungen

Es überrascht übrigens nicht, dass das Phänomen des Oszillatorspringens sowohl beim Modell 7W77 als auch beim Modell 11W79 existierte: Beide Modelle verwenden sehr ähnlich aufgebaute Spulensätze. 

Überraschend ist eher, dass man den bereits beim 7W77 (Saison 1937 / 1938) auftretenden Fehler zwei Jahre später beim Modell 11W79 (Saison 1939 / 1940) immer noch nicht beseitig hatte.

Wahrscheinlich  lagen in dem betroffenen Frequenzbereich keine LW - Sender, die die Klientele empfangen wollte, und so fiel niemand der Fehler auf.

Danksagung

Mein Dank geht an Hans M. Knoll, dessen Aufmerksamkeit nicht entgangen war, dass Ralph Oppelt das Thema bereits angesprochen hatte.

Harald Giese

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