owin: Owin E74, ein Batterie-Radio

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ID: 559514
Dieser Artikel betrifft das Modell: E74 (Owin; Hannover)

owin: Owin E74, ein Batterie-Radio 
28.Sep.21 15:55
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Von einem guten Freund stammt der Owin E74, ein frühes Batterie-Radio. Das Gerät hatte er 1985 in einem "Antik"-Geschäft in Lübeck (für viel Geld, zusammen mit einem Lautsprecher) erworben und spielfertig gemacht.

Es handelt sich um ein "Truhen"-Gerät, bei dem sich der Deckel öffnen läßt.

Nachdem das Holz mit Walnuß-Öl behandelt ist, sieht dieses sehr ansprechend aus.

Auf der Front-Platte sind links unten 2 Buchsen für Antenne und Erde und rechts unten sind 2 weitere Buchsen zum Anschluß eines Kopfhörers oder eines (hochohmigen) magnetischen Lautsprechers.

Mit dem Knopf mittig unten schaltet man zwischen MW und LW um. Die Schaltstellung links ist für MW.

Die beiden großen Dreh-Knöpfe links bzw. rechts in der Mitte der Frontplatte sind (links) Rückkopplung und (rechts) Senderwahl.

Dann gibt es noch einen kleinen Knopf rechts der Senderwahl. Das ist der "Ein"-Schalter, mit welchem allerdings - wie damals üblich - nur die Heizung der Röhren geschaltet werden kann. Wenn die Röhren nicht heizen, fließt kein Anodenstrom. Folglich hat man sich damals einen extra Schaltkontakt für die Anodenspannung gespart.

Die Schalung des E74

Der Schaltplan des E74 wurde von meinem Freund aufgenommen. (Im Internet gibt es bislang keine Informationen zu dem Gerät.)

Der E74 innen

Die eingetragene Röhren-Bestückung entspricht sicherlich nicht der Original-Bestückung. Die hier verwendeten Batterie-Röhren haben nämlich alle keine geschlitzen Pins, was früher so üblich war. Denn die Fassungen für die Röhren bestehen aus "Telefon"-Buchsen (ohne Federung) und sind direkt in die Chassis-Platte eingeschraubt.

Das ist ein Blick auf die Chassis-Platte. Man sieht die direkt in die Platte eingeschraubten Telefon-Buchsen als "Fassungen" für die Röhren.

Darüber sind links die 3 Korbspulen für LW zu sehen und rechts die 3 Korbspulen für MW. Die jeweils äußere davon ist schwenkbar. Damit läßt sich die Ankopplung an die (Länge der) Antenne einstellen, was ja nur einmal gemacht werden mußte. Deswegen sind die Einstellhebel auch nicht von außen zugänglich.

Der Drehko links hat eine (max.) Kapazität von 500 cm (500*1,1 pF = 550 pF) und dient zur Abstimmung. Der Drehko rechts hat 250 cm und dient zur Rückkopplung.

In der Mitte zwischen den Drehkos ist der 1:3 NF-Trafo.

Auffällig sind noch links und rechts vom NF-Trafo 2 "Bananen-Stecker", allerdings mit sehr langem Griff. Durch die Wahl von je 3 Buchsen konnte man damit "grob" an die Länge der Antenne anpassen, während dann die Fein-Anpassung mit Hilfe der schwenkbaren Korbspulen erfolgte, indem dann auf maximale Lautstärke "geschwenkt" wurde.

Hier eine Ansicht des Chassis unter einem anderen Winkel, das die beiden "langen Bananen-Stecker" zur Anpasssung der Antenne besser zeigt.

Der 1:3 NF-Trafo ist magnetisch geschirmt und vermutlich ein "Zukauf-Teil", was seine Anschlüsse vermuten lassen, welche mit Rändel-Muttern ausgestattet sind. 

Wie man hier auch deutlich sieht, besteht das Chassis aus 2 Hartgummi (?) bzw. Pertinax Platten, die unter 90° zu einander angeordnet sind.

Das Chassis von unten

Der Blick auf die Unterseite zeigt die damals übliche Verdrahtung. Einige der Lötverbindungen sehen eher "geklebt" aus, was an deren Alter liegen kann.

Interessant ist, daß die "Verdrahtung" der Leitungen des Heizkreises aus (4 identischen und ausgestanzten) verzinkten Eisen-Blechen besteht. (Eines davon ist vertikal hoch gebogen.)

"Verdrahtung" ähnlich zu T10

Das erinnert in der Art an den Telefunken T10, der allerdings konsequent mit gestanzten Messing-Blechen "verdrahtet" ist.

Links ist die Unterseite des TFK T10 zu sehen, bei dem die "Verdrahtung" durch Messing-Bleche konsequent ausgeführt ist. Auch der TFK T10 hat keine federnden Röhren-Fassungen.

Wie beim Owin E74 auch, sieht man beim TFK T10 "geklemmte", also nicht eingelötete Widerstände, sowie "geschichtete" Glimmer-Kondensatoren ("Dubilier"-Kondensatoren; frühe Form s. rechts.).

 

Beim Owin E74 sind die Widerstände, ganz entsprechend zu der links gezeigten Art, oberhalb der Glimmer-Kondensatoren geklemmt und nicht eingelötet.

Das war zu der damaligen Zeit die allgemein übliche "Verdrahtungs-Technik" für R-C Kombinationen.

Der TFK Ohmblock ist dabei in so weit "flexibel", als je nach Montage der Bauelemente, sowohl eine Parallel-Schaltung als auch eine Serien-Schaltung realisierbar ist.

 

Da der TFK T10 ab dem Jahre 1927 angeboten wurde, läßt sich daraus auf das wahrscheinliche Alter des Owin E74 schließen.

Die Röhren im E74

Ein Blick in den Owin E74 mit geöffnetem Deckel (und den vorhandenen Röhren) zeigt vorne mittig einen deutlichen Blick auf den NF-Übertrager.

Die nicht originalen Röhren (mit Stiften ohne Schlitz) sind:

  • links das Audion, eine Batterie-Röhre von Valvo, deren Beschriftung leider nur noch z.T. erhalten ist, so daß der exakte Typ der Röhre nicht mehr ermittelt werden kann.
  • mittig die RE 084 als NF-Verstärker.
  • rechts die RE114 als Lautsprecher-Röhre.

Die RE084 (links mit geschlitzen Stiften) gab es auch schon 1927. Folglich könnte tatsächlich an dieser Position eine RE084 original gewesen sein.

Die RE114 (rechts mit geschlitzen Stiften) gab es ab 1928. Falls als Lautsprecher-Röhre tatsächlich eine RE114 verwendet wurde, wäre das Alter des Owin E74 nicht vor 1928 anzusetzen.

Also passen RE084 und RE114 schon einigermaßen für den Owin E74, auch wenn man heute kaum noch die Röhren mit geschlitzen Stiften zur Verfügung hat.

 

Frühe Batterie-Röhren

Die frühen Batterie-Röhren von Telefunken sind in einem DIN A4 Blatt (ohne Jahresangabe) aufgelistet.

  • Bei der RE144 fehlt eine Angabe zur Anodenspannung, weil das Blatt da gelocht wurde. In einem extra Datenblatt zur RE144, wo diese als "Schwing-Röhre" bezeichnet wird, entnimmt man die Angabe: "Anodenspannung: 50 - 120V".

Diese Röhren waren (noch) grundsätzlich mit einem "Heizkreis-Vorwiderstand" zu betreiben. Daher sind z.B. für 4V Röhren stets 3,5V "Fadenspannung" angegeben. Toleranzen der Heizfäden wurden duch die Vorwiderstände ausgeglichen.

Das ist ein "Erbe" aus der Anfangszeit (kurz nach 1900) der Elektronen-Röhren, als die Heizfäden noch aus reinem Wolfram-Draht bestanden - und im Betrieb hell wie Glühbirnen leuchteten. Da man damals die Heizfäden noch nicht genügend eng toleriert herstellen konnte, waren für jede Röhre ein individuell einstellbarer Vorwiderstand erforderlich, womit der Heiz-Strom einreguliert wurde.

Bei den in der Tabelle aufgelisteten Röhren war "nur" noch ein fester Vorwiderstand erforderlich. Hierdurch ergab sich dann aus der Brenn-Spannung von 3,5V und dem Spannungsfall am Vorwiderstand von 0,5V die Spannung für den Heiz-Akku von 4V.

Da beim Owin E74 (gemäß der aus der Verdrahtung aufgenommenen Schaltung) keine Heizkreis-Vorwiderstände verbaut sind, hatte er original bereits 4V "R" Röhren, jedoch noch solche mit geschlitzen Pins.

Das Typenschild

 

In der Mitte des Deckels angenietet ist das Typenschild des Owin E74.

Bei genauer Betrachtung sieht man die Typ-Bezeichnung E74 und die Serien-Nummer 48560.

Die Systematik der Nummern-Vergabe bei Owin ist nicht bekannt. Es erscheint jedoch unwahrscheinlich, daß von dieser Radio-Type knapp 50 Tausend Stück produziert wurden.

 

Zusammenstellung einer Empfangsanlage anno 1927/28

Der Typ des ursprünglich dazu gekauften Lautsprechers ist nicht mehr bekannt. Der Owin E74 wurde ja praktisch nicht mehr als Empfänger benutzt, sondern war Teil einer Sammlung.

Neben der Möglichkeit, den Owin E74 mit einem Kopfhörer zu betreiben, kommen hierfür (hochohmige) magnetische Lautsprecher in Frage. Es könnte z.B. der Lautsprecher von "Radioglobe": Radioglobe exquisit (links) oder der Lautsprecher von "Owaphon" (rechts) gewesen sein.

 

 

Frühe Radios, wie der Owin E74, bezogen ihre Anodenspannung aus einer Batterie. Eine Versorgung aus dem Strom-Netz war noch nicht üblich. Zudem war die Stomversorgung noch lückenhaft, besonders in ländlichen Gegenden. Auch gab es sowohl "Gleichstrom-Netze" als auch "Wechselstrom-Netze".

Eine solche Anoden-Batterie, bestehend aus entsprechend vielen 1,5V Batterien, könnte z.B. von Siemens  die "Rfb8" gewesen sein: (Das Bild zeigt die elektronische Variante der Rfb8 von Volker Martin)

 

Zur Heizung waren damals 4V Blei-Akkumulatoren (mit 2 Zellen) die übliche Stromquelle. Hier ein Beispiel dazu aus dem "Diehr" Radio-Katalog von 1928/29.

Heute wird man ein elektronisch geregeltes 4V Netzteil verwenden.

MfG DR

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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RE084 und RE134 frühe Art 
14.Oct.21 12:18
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die RE084 und die RE134, die im Owin E74 als Röhren mit 4 V Heizung und nicht mehr geschlitzten Pins stecken, gab es auch als frühe Art mit 3,5V Heizung und geschlitzten Pins, wie das Foto aus "25 Jahre Telefunken" zeigt.

 

Die "Valvo" Audion-Röhre, deren Typ bislang unbekannt war, konnte durch "Anhauchen" als A408 identifiziert werden. Also eine Type entsprechend zur RE084.

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