saba: Reparaturbericht Saba Freiburg 100

ID: 111481
Dieser Artikel betrifft das Modell: Freiburg Automatic 100-Stereo (SABA; Villingen)

saba: Reparaturbericht Saba Freiburg 100 
05.May.06 00:04
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Martin Renz (D)
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Martin Renz

Reparaturbericht

Ich hatte das Radio für 108 EUR bei ebay erstanden. Der Zustand war mäßig, der Bespannstoff nicht original, die Oberfläche teils rissig, teils vermackt. Bis auf einen fehlenden Zierring an einem der Knöpfe war das Gerät jedoch ansonsten vollständig.

RostNach dem Öffnen der Rückwand bestätigte sich der erste Eindruck: Das Gerät war wohl längere Zeit in einer recht feuchten Umgebung gestanden, leichter Flugrost auf den Trafos, mit weißem Puder bedeckte Röhren (Schimmel?). Außerdem war erkennbar gebastelt worden, beim Wechsel der Bespannung waren die Lautsprecherkabel unnötigerweise abgeschnitten worden und mit Lüsterklemmen wieder verbunden worden.

Auch auf der Unterseite des Chassis waren 3 Kondensatoren durch modernere Varianten ausgewechselt worden, davon 2 Gitterkondensatoren der Endröhren, ein Keramikkondensator war zerbrochen. Die Kontakte der zahlreichen Schalter waren stark korrodiert (schwarz).
Zunächst überprüfte ich die Röhren auf einem Röhrenprüfgerät, die statischen Werte waren soweit in Ordnung. Danach konnte ich es nicht lassen: Über einen Trenntrafo, einen Leistungsmesser und eine 100 W Glühbirne ein erster Test. Da die Leistungsaufnahme im Rahmen blieb und das Radio leise zu spielen begann, überbrückte ich die Leuchte. Auch jetzt kein übermäßig hoher Verbrauch. Die automatische Sendersuche bewegte die Abstimmung, mäßiger Empfang auf allen Bereichen. Es schien zumindest grundsätzlich nichts völlig kaputt zu sein. Ein Überprüfen der Spannungen im Netzteil brachte jedoch Ernüchterung: Alle Versorgungsspannungen waren viel zu niedrig, der Selen-Gleichrichter wurde unangenehm warm, die Leistungsaufnahme war im Steigen begriffen. Noch bevor ich abschalten konnte, verabschiedete sich der parallel zur sekundären Hochspannungswicklung des Netztrafos liegende Papierkondensator mit einem satten Schmatzen und spuckte Teertröpfchen....War ja eigentlich klar.
Also ließ ich das Chassis ausgebaut und montierte alle Teile vom Gehäuse. Eine ausführliche Beschreibung der Restauration des Gehäuses kann hier nachgelesen werden.

PapierkondensatorenDie Überprüfung einiger Papierkondensatoren mit dem Isotest zeigte die erwarteten katastrophalen Isolationswerte aller Papierkondensatoren von max 1-2 MΩ.

Ich ging also daran, sämtliche Kondensatoren mit der Nagelschere herauszuschneiden und durch neue zu ersetzen. Da es mich stört, wenn das Erscheinungsbild durch mehr als 2 Dutzend knallgelbe C's erheblich verändert wird, habe ich diese mit einem nachgestellten Aufkleber versehen, der die alte Bezeichnung und Farbe übernimmt. Die Stirnseiten wurden mit schwarzem CD-Marker (Edding 8400) schwarz bemalt oder besser "geteert".

ErsatzkondensatorenDabei war höchste Konzentration gefordert, wie schnell ist der neue Kondensator falsch wieder eingelötet. Dann wird die Fehlersuche richtig Zeitaufwendig! Die Elkos des Netzteiles hatten noch ausreichende Kapazität und der ESR-Wert (innerer Widerstand) war noch sehr niedrig. Somit blieben diese drin. Dagegen war das Elektrolyt von einigen der kleineren Elkos teilweise sichtbar, diese wurden ebenfalls ausgewechselt. Nun wurden die Kontakte  mit Kontakt 60 beträufelt und nach wenigen Minuten mit Kontakt WL gründlich abgespült. Ein Glasfaserradierer sorgte für blitzblanke Kontakte. Einige Birnchen wurden ersetzt, die kaum mehr erhältlichen 8,5V E5,5 der Tasten waren glücklicherweise alle noch intakt. Der Selen-Gleichrichter hatte einen hohen Innenwiderstand, er wurde ausgeräumt und mit 4 Stück 1N4007 bestückt. In die masseseitige Leitung wurde ein 39Ω Widerstand mit 7 Watt eingefügt. Damit stimmten die Sekundärspannungen bei 220 V wieder perfekt. Zum Betrieb an 230 V könnte der Wert eventuell auch noch etwas höher sein.

KupplungBeim näheren Betrachten stellte ich fest, dass die Kupplung des Abstimmmotors nicht ordnungsgemäß einrastete. Ein Öffnen der Abdeckung zeigte Zinkfraß beim Mitnehmer im Inneren. Der Umschlalthebel AM/FM war ebenfalls ein Opfer von Zinkfraß. Der Hebel ließ sich aus einem Stück Alu relativ einfach nachbauen, der Mitnehmer musste durch einen Teil aus einem Schlachtgerät ersetzt werden, Mitnehmerwelches ich von Thomas Eigenseher nach einer Anfrage im RM bekam. Zum Auswechseln muss die komplette Achse herausgezogen werden, was nach Ausbau des Motors geht. Eine gute Beschreibung findet sich hier. Das schwierigste ist, die Skalenseile anschließend wieder ordnungsgemäß anzubringen. Ich hatte die Skalenräder so abgeklebt, dass die Seile nicht abrutschen können und sie so gut wie möglich an ihrer Position belassen. Ist trotzdem eine Fummelei, da die Seile des UKW-Tuners nicht zugänglich sind.


Nach der Überprüfung des Netzteiles untersuchte ich die Endstufen.
Strom und Spannung der Endröhren schien in Ordnung zu sein. Erst später beim Abgleichbemerkte ich, dass der Strom der 2. EL84 (Rö 10) nach mehreren Minuten auf über 100mA zu steigen begann. (Ich habe einen Leistungsmesser zwischen Trenntrafo und Gerät geschaltet, und an diesem bemerkte ich den Leistungsanstieg.)
Zum Gitter dieser Röhre führt ein 2. Kondensator von 33pF von der Gegenkopplung, den ich nun versuchsweise abklemmte. Kein Erfolg. Blieb noch der Gitterableitwiderstand R121 (1MΩ) der versuchsweise ersetzt wurde. Wieder kein Erfolg. Somit blieb nur noch Fassung oder Röhre als Fehlerquelle, es war die Röhre. Nach dem Tausch blieb der Strom konstant auf den Sollwerten.
Nun störte mich noch ein Prasseln im Lautsprecher, welches ebenfalls erst nach einer gewissen Zeit auftrat und dann recht unangenehm störte. Nachdem die Reinigung der Fassungen und Sockel der betroffenen Röhren keinen Erfolg brachte, zog ich die Vorstufenröhre EF86 (Rö7). Nun war Ruhe. Das probeweise Abklemmen des Gitters brachte keine Verbesserung, also tauschte ich auch diese Röhre und hatte Erfolg. Die Endstufe war damit in Ordnung.

Nun ging es an den Abgleich gemäß der Abgleichanleitung beim Gerät. Der Abgleich der ZF-Filter war relativ einfach, Probleme hatte ich mit dem Filter des Diskriminators der automatischen Senderabstimmung. Ich konnte keine Symmetrie erreichen, es gelang mir nicht, L705 auf Maximum zu stellen, die Schraube drehte durch, bevor das vermutete Maximum erreicht war.
Ich entschloss mich, die Filterhaube zu entfernen und mir die Sache näher anzuschauen. Dabei kamen 2 Dinge zu Tage:
1. In der Haube sitzen 2 Ferritstäbe im Eck, einer davon hatte sich gelöst.
2. Das Gewinde der Einstellschraube L705 ist an einem Ende beschädigt, und lässt sich nun nicht mehr vollständig eindrehen.
Zunächst gab ich etwas frustriert auf, nachdem ich den Ferritstab wieder befestigt hatte. Später kam ich dann auf die Idee, die beiden roten Kerne des Filters zu tauschen. FilterDa der Einstellbereich des anderen in der Mitte liegt, spielte das am Ende beschädigte Gewinde keine Rolle. Nun ließ sich auch dieses Filter korrekt abgleichen, ich erreichte eine recht gute Symmetrie und der Suchlauf rastet nun auch bei schwächeren Sendern und auf Kurzwelle von beiden Seiten ein. Bei stärkeren Sendern sogar sehr kräftig. Der Motor wird auch bei längerem Betrieb nur leicht warm. Die Einstellung der beiden Kerne ist allerdings äußerst diffizil, minimale Abweichungen von der Idealstellung reichen schon für eine mangelhafte Funktion durch Unsymmetrie. Ich weiß nicht, ob dies normal ist, oder auf einen Fehler irgendwo hindeutet. Dies gilt insbesondere für den UKW-Kreis.
Der restliche Abgleich war nicht problematisch, sieht man davon ab, dass es kaum möglich ist, die mit Farbe fixierten Kerne der Variometerabstimmung im UKW-Tuner zu verstellen. Gibt es da einen Trick oder ein Spezialwerkzeug? Da nur die genaue Skaleneinstellung in der Mitte der Skala betroffen ist, ist dies jedoch kein großes Problem.

Nach dem Abgleich erfolgte der Einbau der Lautsprecher und des Chassis ins Gehäuse und endlich ein Test der Funktionen und des Klanges. Der Klang des Gerätes kommt dem einer altem Musikbox recht nahe: Ein dominanter Bass, der alles in den Schatten stellt, was ich bisher so gehört habe. Die Höhenwiedergabe ist demgegenüber etwas im Hintertreffen, bei Stereobetrieb als reiner Verstärker wird zudem der mittlere Hochtöner abgeschaltet. Dies wurde erst bei den späteren Modellen mit 2 Hochtönern verbessert.

Die Reparatur war recht aufwendig, das Ergebnis ist jedoch sehr zufrieden stellend und entschädigt den Aufwand allemal. Zudem ist ja der Weg das Ziel bei unserem Hobby. Ich möchte mich noch bei Marc Goeritz und Henning Oelkers für Ihre Hilfe bedanken. Es ist für einen Laien wie mich sehr beruhigend zu wissen, dass es hier im RM Fachleute gibt, die helfend eingreifen, wenn ich mit meinem Latein am Ende bin.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.