Siemens E311E1 – Beobachtungen an einem Neuzugang

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Siemens E311E1 – Beobachtungen an einem Neuzugang 
12.Apr.19 23:10
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Eilert Menke (D)
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Das defekte, optisch jedoch sehr gut erhaltene Gerät der Baureihe E311E1 (neue Typenbezeichnung nach 1969) stammt von einem befreundeten Funkamateur, der es vor längerer Zeit von einem Dritten bekam (dieser soll es vor Jahren auf der HAM-Radio in Friedrichshafen erworben haben. Davor endet die Spur im Dunkel der Geschichte). Der OM hat einen anderen Hobbyschwerpunkt und legt keinen Wert auf schwere HF-Technik in seinem Shack, weswegen er es mir kürzlich verkaufte.

 

Schadhafter MKL-Kondensator

Diagnose: NF-Wiedergabe sehr leise bis nicht vorhanden und dabei stark verzerrt, auch bei voll aufgedrehtem Lautstärkeregler. Die zusätzlichen NF-Abgänge zeigen das gleiche Symptom. Nach längerer Fehlersuche an den falschen Stellen mußte ich schließlich zur Erkenntnis kommen, daß nicht nur die berüchtigten MP-Kondensatoren, sondern auch die eher unproblematischen MKL-Typen Fehlverhalten an den Tag legen können: C14 (100 nF) auf der NF-Verstärkerplatine hatte einen beständigen Widerstand in Höhe von etwa 5,4 kOhm, wodurch der Arbeitspunkt der als NF-Vorstufe agierenden Röhre 9/I (E88CC) unzulässig verschoben und das NF-Eingangssignal praktisch nach Masse kurzgeschlossen wurde. Wieso ausgerechnet dieser ansonsten unauffällige Kunststofffolienkondensator (Dielektrikum Zelluloseazetat) solch ein Verhalten entwickelte kann ich leider nicht erklären. Nach Austausch desselbigen war die NF-Wiedergabe einwandfrei.

 

 

100-kHz-Rasterquarzthermostat

Nach kurzer Betriebszeit stellte sich dann jedoch ein anderes Problem dar: Das Frequenzzählwerk zeigte in gerastetem Zustand über den gesamten 100-kHz-Bereich zu hohe Frequenzen an. Lag die Abweichung im Wellenbereich 1 etwa bei plus zwei kHz, waren es im Bereich 5 bereits etwa plus sechs bis acht kHz. Nach Kontrolle sämtlicher für die Frequenzaufbereitung zuständiger Baugruppen, insbesondere auch des einwandfrei abgeglichenen Interpolators, ließ sich das Problem in der Rasterbaugruppe in Form des 100-kHz-Thermostatenquarzes lokalisieren. Es war auch nicht möglich, mit dem zuständigen Trimmer C1 die Frequenz bis auf genau 100 kHz zu ziehen. Auch bei ganz herausgedrehtem C blieb die Quarzfrequenz unter 100 kHz. Aufgrund der Konstruktion der Frequenzaufbereitung vervielfacht sich die Abweichung vom Sollwert reziprok je höher die Empfangsfrequenz ist.

Für Irritation sorgte außerdem eine vom Schaltplan abweichende - nachträglich veränderte - Verschaltung der Loktalfassung des Quarzthermostaten, was mich nun dazu veranlaßte, diesen genauer zu untersuchen. Nach Öffnen des Gehäuses war die Überraschung groß:

 

 

 

Im Inneren des - ausgeschlachteten - Thermostatengehäuses war ein gewöhnlicher 100-kHz-Eichquarz der Bauform HC-6/U, nur höher, versteckt. Auch die siebenpolige Miniaturfassung für den originalen Quarz fehlte und die interne Temperaturegelung war deaktiviert. Hier hat wohl ein findiger Bastler sein Improvisationstalent versucht unter Beweis zu stellen:

 

 

Ich habe die Originalverschaltung der Lokalfassung in der Rasterbaugruppe zunächst wieder hergestellt und den vorgefundenen Eichquarz in der Weise, wie sie bereits Hans-Dieter Haase (†) beschrieben hat, innerhalb der Baugruppe befestigt. Leider kann Hans-Dieter keine Auskunft mehr darüber geben, ob sich bei seinem Gerät mit dem Eichquarz ebenfalls eine derartige Frequenzabweichung ergab. Das leere Thermostatengehäuse habe ich beiseite gelegt - in der wagen Hoffnung, es irgendwann einmal mit einem originalen Thermostatenquarz zu rekonstruieren.

Die Schaltung des Quarzoszillators ist nicht für gewöhnliche 100-kHz-Eichquarze geeignet, weil sie diese zu sehr in kapazitiver Weise belastet und deshalb die Quarzfrequenz nach unten zieht. Schaltungsänderungen kommen für mich jedoch aus prinzipiellen Erwägungen nicht infrage. Ich werde also damit vorlieb nehmen, bis ich irgendwann vielleicht einen vollständigen Quarzthermostaten oder zumindest den dort hineingehörenden originalen 100-kHz-Quarz im Glaskolben mit siebenpoligem Miniatursockel bekomme.

Das Gerät funktioniert ansonsten einwandfrei. Alle anderen Parameter entsprechen den Vorgaben des Handbuchs.

Vertiefende Informationen zur Siemens-E311-Gerätefamilie finden sich insbesondere hier

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.

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Siemens E311E1 – Beobachtungen an einem Neuzugang, Update 
16.May.25 10:13
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Eilert Menke (D)
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Durch einen unglaublichen Zufall fand ich kürzlich bei Ebay den originalen Thermostatenquarz für den 100-kHz-Rasteroszillator des Siemens E311E1. Nun konnte ich das leere Thermostatengehäuse endlich wieder bestücken und seiner Verwendung zuführen.

 

Neuer Quarz eingebaut:

 

Da die originale Miniaturfassung im Thermostatengehäuse fehlte, habe ich aus meinem Werkstattfundus eine passende siebenpolige Röhrenfassung eingebaut. Damit deren Anschlüsse keinen unbeabsichtigten Kontakt zum Gehäuse bekommen, habe ich zwei Nylon-Isolierscheiben dazwischen gelegt. Das ganze Konstrukt wird mit einer M3-Senkkopfschraube zentral gehalten.

 

 

Innerhalb des Glaskolbens sind die Sockelanschlüsse 1 und 7 sowie 3 und 5 miteinander verbunden. So habe ich dann auch die korrespondierenden Fassungskontakte zusammengeschaltet. Auf den Loktalsockel des Thermostatengehäuses bzw. der dazugehörigen Fassung in der Rasterbaugruppe beim E-Modell des E311 liegen die Anschlüsse des Schwingquarzes auf den Kontakten 1 und 6.

Ich möchte bei dieser Gelegenheit darauf hinweisen, daß in Thermostatengehäusen von älteren Modellen (z.B. der B-Ausführung) stattdessen die Loktal-Anschlüsse 1 und 4 mit dem Quarz belegt sind. Auch die Einrichtungen der Temperatursteuerung und Überwachung sind unterschiedlich gestaltet und verschaltet. Die Thermostatengehäuse sind daher untereinander nicht austauschbar!

 

Verdrahtung Raster E311 E-Modell:

 

Planauschnitt Raster E311 E-Modell:

 

Da das vorhandene Thermostatengehäuse faktisch ausgeschlachtet war - siehe Post 1 oben - und auch die noch vorhandenen Reste der Temperaturreglung kein Vertrauen erweckten, verzichtete ich darauf, die Heizung wieder zu aktivieren. Bei nur gelegentlichem Betrieb des Empfängers macht das sowieso keinen Sinn, siehe Beitrag hier.

Die Stillsetzung des Heizungsstromkreises ist beim E-Modell ganz einfach durch ein Stück Isolierschlauch über den zuständigen Schaltkontakt des Relais "K" realisierbar, so wie bereits hier beschrieben. Auch die Kontrollleuchte "SL 2" wird dadurch deaktiviert. Zur weiteren Sicherheit habe ich im Thermostatengehäuse auch die beiden Anschlüsse der Heizwicklung abgeklemmt und dies darauf vermerkt - für den unwahrscheinlichen Fall, daß sich dieser in ein anderes Gerät verirren sollte.

Mein E311E1 hat nun wieder seinen originalen 100-kHz-Rasterquarz und die im obigen Post beschriebenen Frequenzabweichungen sind damit verschwunden. So hat sich nach gut sechs Jahren und einem großen Zufall auch dieses Problem erledigt.

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.