Signalgeneratoren und Injektoren zur Radioreparatur

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Signalgeneratoren und Injektoren zur Radioreparatur 
29.Nov.13 15:24
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Hans-Jürgen Neuhaus (D)
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Hans-Jürgen Neuhaus

Einfache Signal Generatoren und Injektoren für die Radioreparatur – mit Bauvorschlägen

1. Einleitung

Die Fehlersuche in Radiogeräten – egal, ob Röhre oder Transistorgerät – basiert in Standardfällen auf drei Methoden:

  • Messungen von Spannungen und Strömen sowie von Bauteilen wie Widerständen, Kondensatoren, Induktivitäten usw. Diese Prüfungen werden heute im Allgemeinen mit DMMs (Digital Multi Meter) verschiedenster Ausführungen durchgeführt.
  • Signalverfolgung
    Hier ist ein Signalverfolger-Gerät erforderlich. Dieses besteht in der Regel aus einem NF-Verstärker mit hohem Verstärkungsfaktor (> 60dB) für NF-Signale ergänzt um einen vorschaltbaren Dioden-Demodulator – oft in einem Tastkopf - für die Verfolgung von HF- und ZF-Signalen.
  • Signalzuführung
    Hier ist ein Signalgenerator erforderlich. Diese Geräte gibt es in verschiedensten Ausführungen. In diesem Beitrag sollen insbesondere Einfachgeräte betrachtet werden.

Die folgenden Betrachtungen sind auf die Signalzuführung fokussiert und sollen am Beispiel eines Radios dargestellt werden. Sie sind aber auch in Verstärkern, Tonbandgeräten und ähnlichen Apparaten anzuwenden.

Während beim Signalverfolger meist der Empfang eines Senders im zu untersuchenden Radio Stufe für Stufe vorwärts – in Richtung Lautsprecher - verfolgt wird, wird bei der Signalzuführung rückwärts – ausgehend vom Lautsprecher – Stufe für Stufe bis zur Antennenbuchse abgetastet.

Einfache Signalgeneratoren unterscheiden sich deutlich von den viel aufwendigeren, aber auch potenteren Messgneratoren. Oft führen bei schwierigen Fehlern nur diese Geräte zum Erfolg, da sie ein präzises, in Frequenz, Kurvenform und Pegel definiertes Signal ausgeben können.

Die einfachen Signalgeneratoren – oft einschließlich Batterie in einem Tastkopf (Prüfstift) integriert -  führen durch Ihre Effektivität in der Fehlersuche meist zu einer enormen Zeitersparnis - und sie sind zu erschwinglichen Preisen zu erwerben. Mit etwas Übung und Erfahrung können sie erstaunliche Ergebnisse in kurzer Zeit liefern. Der erfahrene Praktiker kann sogar grobe Nachgleicharbeiten im HF- und/oder ZF-Verstärker durchführen.

2. Technische Lösungen

Das Prinzip
Das Prinzip der einfachen Generatoren, die wegen ihres kompakten Aufbaus mit einer Prüfspitze oft auch Signal-Injektor genannt werden, ist immer sehr ähnlich:

Basis ist ein Rechteckgenerator, der auf einer gut hörbaren Frequenz schwingt – meist ca. 1kHz. Die Basisfrequenz von 1kHz macht den Generator für Tests im NF-Verstärker tauglich. Durch die Rechteckform des 1kHz-Basis-Signals weist das Signal nach Fourier eine Vielzahl von ungeradzahligen sinusförmigen Oberwellen: 3kHz, 5kHz, 7kHz ... Die Anzahl der Oberwellen steigt mit der Steilheit der Flanken des Rechtecksignals. Es entsteht praktisch ein mit der Grundfrequenz moduliertes breitbandiges HF-Signal, das bis in den KW-Bereich und darüber hinaus reicht – ohne, dass man die Frequenz umstellen muss.

Besser wäre die „Oberwellenausbeute“ bei 1kHz-Nadelimpulsen, also eine Signalform in Richtung des sogenannten Dirac-Stoßes. Die Erzeugung von Nadelimpulsen ist jedoch wesentlich aufwendiger (z.B. Sperrschwinger).

3. Schaltungsvorschläge und Modelle im RMorg

Zur Erzeugung von Rechtecksignalen gibt es mehrere Methoden:

Multivibrator mit diskreten Transistoren

  • Unser RMorg-Ratsmitglied Martin Steyer hat im Jahr 2007 einen guten Vorschlag mit Hintergrundbeschreibung im Forum veröffentlicht:

Multivibrator-Prüfstift zur Radioreparatur

Schaltung des Prüfstifts:

 

Es ist erstaunlich, wie hoch die Frequenzen der Oberwellen reichen, obwohl die Transistoren BC547 als NF-Transistoren kategorisiert sind. Das liegt daran, dass diese (Silizium-) „NF“-Transistoren eine Grenzfrequenz von bis zu 300MHz aufweisen.

Multivibrator mit digitalen Logikbaussteinen

  • Idee von RMorg-Mitglied Daniel Doll:

Beschreibung siehe Antwort 3 vom Beitrag Multivibrator-Prüfstift zur Radioreparatur

 

 

  HCMOS-Schmitt-Trigger-Generator

 

Da ein Standard-IC 6 Gatter beinhaltet, können bis zu 6 Generatoren mit verschiedenen Frequenzen realisiert werden. Zur Speisung werden mindestens 2x 1,5V.Zellen benötigt.

Multivibrator mit Operationsverstärkern und Timer Schaltkreisen

  • Bausatz Signalinjektor EB7750  angelegt von RMorg-Mitglied Georg Richter. Das Modell eines Fertigbausatzes auf Basis eines ICs einschließlich Gehäuse. Basisfrequenz 500Hz; Batteriespannung: 9V:

Weiterhin sind Multivibratorschaltungen mit Operationsverstärkern und Timer-ICs in der Literatur (Lehrbüchern) in großer Anzahl zu finden.

Sperrschwinger-Schaltungen

Ein Sperrschwinger liefert kurze Impulse bei niedrigem Innenwiderstand - benötigt  aber immer einen relativ aufwendigen Übertrager.
Fertiggeräte aus den 60er Jahren:

Glimmlampen-Schaltungen

  • Radio-Pen RP2 angelegt von RMorg-Mitglied Gerhard Heigl:
  • Schaltungsvorschlag von RMorg-Mitglied Daniel Consales:


Glimmlampen-Generator

4. Multifunktionsgerätegeräte

Sehr praktisch sind auch Multifunktionsgeräte, die Signalinjektor und Signalverfolger in einem Gerät vereinen.
Signal Tracer - Injector (Signalverfolger) SE-360 angelegt von Ernst Erb ist ein Vielkönner. Eine Besonderheit dieses Gerätes ist, dass der Ausgangspegel des Injektors, der maximal 5V(!) erreicht, eingestellt werden kann. Die Basisfrequenz des Generators beträgt 1kHz, die Pulsbreite 200µs. Und der HF-Demodulator des Signalverfolgers ist nicht im Tastkopf sondern im Gerät integriert.

Da dieses Gerät durchaus erfolgreich am Markt war, ist es auch heute immer mal wieder bei Ebay und Co erwerbbar.

Umbauvorschlag:
Leider ist dieses Gerät nicht in einen Tastkopf integrierbar – allein schon wegen der Größe des Lautsprechers des Signalverfolgers. Es lohnt sich aber durchaus, die etwas unpraktischen Cinch-Anschlussbuchsen – zumindest den Ausgang des Multivibrators (Injector) und den Eingang des Signalverfolgers (Tracer) – durch BNC-Buchsen zu ersetzen. Dadurch kann ein einfacher, passiver Oszillografen-Tastkopf mit kapazitätsarmer Anschlussschnur als Tastspitze verwendet werden.

Weitere ähnliche Multifunktionsgeräte:

5. Schaltungsperipherie

Schutzschaltung
Was nicht vergessen werden darf: Alle Schaltungen – bis auf die Lösungen mit Röhren oder Glimmlampen - arbeiten mit Niedervolt-Halbleitern. Dies birgt Risiken bei der Abtastung von z.B. Anodenspannungen in Röhrengeräten.

So dürfen die von Martin Steyer verwendeten Transistoren BC 547 (siehe „Astabiler Multivibrator“ oben) maximal mit einer Kollektorspannung von 50V betrieben werden. Trotz des Koppelkondensators können z.B. hohe Anodenspannungen kurzzeitig zumindest teilweise an den Kollektor gelangen. Denn der Koppelkondensator ändert im ersten Augenblick des Antastens seine Ladungsmenge Q nicht oder kaum und reicht einen Spannungsstoß entsprechend zum Kollektor durch.

Verträgt ein Transistor kurzzeitige Überströme meist klaglos, so ist er doch auch bei kurzen Überspannungen sehr empfindlich und kann durchaus sein Leben aushauchen.

Mit zwei einfachen Standard-Silizium-Dioden (1N4148) am Ausgang des Multivibrators, geschaltet in Sperrrichtung gegen Masse und gegen die positive Betriebsspannung der Batterie, wird der BC 547 (T2) am Ausgang sicher geschützt. Diese sogenannte Klemm-Schaltung (engl.: Clamp) schützt den Ausgang auch gegen statische Entladungen (ESD).

Stromversorgung:
Vorzugsweise sollte wegen des Platzmangels im Gehäuse eine 1,5V-Zelle (maximal zwei) verwendet werden. Die Lösungen mit integrierten Logikbausteinen benötigen in der Regel Spannungen von mindestens 3Volt.
Daher ist der diskreten Multivibrator-Lösung der Vorzug zu geben, da diese mit 1,5V Betriebsspannung auskommt.  
Weiterhin ist es empfehlenswert, einen Ein-Taster anstelle eines Ein-Aus-Schalters zu verwenden.

6. Gehäuse

Als Gehäuse sind verschiedenste fertige oder halbfertige Röhrchen verwendbar: Vitaminröhrchen, Röhrchen aus der Medizinsparte, Kunststoffröhrchen aus dem Baumarkt …
Als Tastspitze kann stabiler Cu-Draht (z.B. aus Elektroinstallation-Kabel), stabiler Schaltdraht oder auch ein passender (Stahl-) Nagel verwendet werden.

7. Bauvorschlag

Bei der Bewertung der Vorschläge fiel die Entscheidung auf

  • Mulivibrator mit 1kHz Grundfrequenz (Schaltung von Martin Steyer, siehe oben), da diese Schaltung solide ist und schon über Jahre in der Erprobung durch Martin Steyer ist.

  • Ergänzung um Überspannungs-Schutzschaltung (Clamp-Dioden)
  • Masseleitung mit Krokodilklemme (Litze, 30 – 40cm)
  • Stromversorgung aus 1x 1,5V-Batteriezelle mit Einschalt-Taster
  • Gehäuse:

Die Schaltung findet hier beispielsweise in einem Kunststoffröhrchen mit Schraubdeckel Platz. Solche Röhrchen sind in der Medizin gebräuchlich. Auf der einen Seite der Platine sind die Bauteile eingelötet, auf der anderen Seite befindet sich die Batteriehalterung. Lediglich am rückwärtigen Schraubverschluss befestigt, schiebt man Platine einschließlich der Prüfspitze (1 mm Cu-Draht) in das Röhrchen, dabei gelangt die Prüfspitze durch ein kleines Loch in der Stirnseite des Röhrchens "ins Freie". Der Schraubdeckel wird verschraubt. Wegen eher seltener Benutzung fehlt hier ein Einschalter, der - wenn jedoch gewünscht - als Taster realisiert sein sollte.

Die Schaltung besteht in diesem Falle aus einem Multivibrator mit diskreten Bauteilen, die aber auch durch andere Konzepte ersetzt werden kann. Meist bestimmt die Größe der Batterie(n) die Abmessungen des Gehäuses.

 

 


Kurz-Bedienungsanleitung

Mit der Prüfspitze (und eigeschaltetem Injektor) werden rückwärts, beginnend am Lautsprecher, Ausgang und Eingang jeder Stufe angetastet. Ist keine Verstärkung einer Stufe feststellbar, sollte man mit der Gleichspannungs-Untersuchung dieser Stufe weiterarbeiten.

Achtung: Es gibt auch Stufen, beispielsweise Impedanzwandler (Kathodenfolger, Emitterfolger …), die prinzipiell keine Spannungsverstärkung aufweisen. Ebenso sollte bedacht werden, dass der Prüfinjektor mit seinem Innenwiderstand (Impedanz) prinzipiell eine Belastung der zu prüfenden Schaltung darstellt. Die Ausgangs-Impedanz der Schaltung entspricht in 1. Näherung dem kapazitiven Widerstand des 470pF Ausganskondensators: Xc = 1/2πfC. Die Impedanz ist also frequenzabhängig und belastet mit steigender Frequenz das Prüfobjekt – z.B. durch Verstimmung von ZF-Filtern.

Auch eine grobe Analyse von HF- und/oder ZF-Stufen ist möglich:
Wenn der Abgleich beispielsweise eines ZF-Verstärkers prinzipiell okay ist – und dies ist meistens der Fall -, ist nach Reparaturarbeiten an einem ZF-Filters ein Abgleich auf Maximum mit dem Injektor als Generator völlig ausreichend. Der Injektor sollte zum Abgleich möglichst am Antenneneingang eingekoppelt werden, da sich hier  Verstimmungen frequenzabhängiger Glieder in Grenzen halten.

Auch bei loser Ankopplung des Injektors an einen AM-Wellenbereich (LW, MW, KW) darf bei Durchstimmung des Drehkos durch den gesamten Bereich keine große Lautstärkeänderung im Lautsprecher hörbar sein. Sonst könnte ein Gleichlaufproblem und/oder eine Verstimmung des Oszillators vorliegen.

Eine lose Ankopplung erreicht man am einfachsten dadurch, dass man die Masseleitung (30cm … 40cm) des Injektors mit der Prüfspitze verbindet – also kurzschließt. Diese Anordnung bringt man nun in die Nähe der Eingangs-Empfangsspulen (z.B. Ferritantenne) des zu prüfenden Wellenbereichs.

Das Schwingen des Oszillators kann mit dem Injektor jedoch nicht überprüft werden!

8. Alternative Lösungen:

Es gab und gibt am Markt eine Vielzahl einfacher Signalgeneratoren. Diese sind oft auch in Multifunktionsgeräten zur Radioreparatur eingebaut, wie beispielsweise

"Pilot"

Dies ist ein sogenanntes Schnellabgleichgerät der Fa. Nordfunk. Es weist 10 Fest-Frequenzen (allesamt in Sinusform) auf, die bis 16MHz (KW: 19m-Band) reichen – und vor allem auch die AM- und FM-ZF-Frequenzen beinhalten. Alle Frequenzen werden mit 400Hz (Glimmlampen-Schaltung) moduliert.

9. Ausblick

Da es am Markt kaum noch oben beschriebene Prüfinjektoren gibt, bleibt neben Ebay & Co nur der Selbstbau. Doch es macht wirklich Spaß, gerade auch mit einem selbstgebauten Gerät, in wirklich kurzer Zeit eine fehlerhafte Stufe einzukreisen.
Ähnlich effektiv ist die Nutzung eines Signalverfolgers zur Einkreisung. Diesen kann man sich einfach durch Umbau eines Conrad KW-Radio-Bausatzes bauen:

CONRAD/ELO-KW-Radio: Erweiterte Anwendungen


Beide Methoden gehen quasi ganzheitlich vor. Dadurch werden sie so effektiv, dass die mühsamere Methode der Spannungsüberprüfung jeder Stufe in der Regel nicht der 1. Schritt ist. Ist eine vermeintlich fehlerhafte Stufe eingekreist, ist die Spannungsüberprüfung natürlich der nächste Schritt.


Mein Dank geht an RMord-Mitglied Hans-Georg Schirmer, der mich sachkundig und engagiert bei der Erstellung dieses Beitrages unterstützt hat.
 


 


 

 

Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.