Defekte und Reparaturansätze bei UKW - Tunern

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Defekte und Reparaturansätze bei UKW - Tunern 
30.Jan.21 09:50
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Harald Giese (D)
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Harald Giese

Defekte und Reparaturansätze bei UKW - Tunern

 

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1.     Einleitung

Vor einiger Zeit erhielt ich von einem Sammlerkollegen den UKW - Tuner aus einem NORA Boston, einem Röhrenradio der Fertigungssaison 1957 /1958 mit der Standardbestückung ECC85, ECH81, EF89, EABC80, EM80, EL84. Als UKW - Tuner oder auch UKW - Box bezeichne ich hier die Baugruppe, meist ein abgeschirmtes Kästchen, aus der nur eine Röhre herausschaut (manchmal auch mehrere), und die das UKW - Rundfunkband auf eine ZF von 10,7 MHz heruntermischt.

In diesem Zusammenhang fiel mir wieder einmal auf, dass ich schon häufiger Anzeigen gesehen hatte, in denen jemand für sein Radio nach einer intakten UKW - Box suchte. Warum eigentlich? Man kann diese Teile doch reparieren? Die kürzliche Anfrage des Kollegen Beckmann hat mich nun endgültig motiviert, die Problematik etwas detaillierter zu beschreiben.

Woran liegt also diese Phobie vor den UKW - Tunern? An den hier verarbeiteten hohen Frequenzen, am gedrängten Aufbau, an den messtechnisch nicht so einfach zugänglichen Parametern, oder am mangelnden Instrumentarium?  Natürlich vereinfacht es die Reparatur ganz ungemein, wenn man außer einem Spannungs- und Strommessgerät und einer Lupe auch einen Messender, einen Frequenzzähler und einen Oszilographen besitzt, dessen Y-Verstärker und Triggereinheit bei 100 MHZ noch ansprechen. Der Besitz solcher fortgeschrittener Messmittel ist aber durchaus nicht zwingend!

Ob z.B. der Oszillator des UKW - Tuners schwingt, kann man genauso gut mit einem anderen Radio mit funktionierendem UKW-Bereich feststellen. Der Oszillator schwingt nämlich zwischen 88 +10,7 MHz = 98,7 MHz und 100 + 10,7 MHz= 110,7 MHz (bei neueren Radios auch noch höher). Das obere Ende kann man also auf einem normalen UKW-Radio nicht mehr empfangen, das untere - und noch ein wenig höher - aber schon.

Um auch den in der UKW - Technik weniger Geübten den Zugang zu dieser Materie zu erleichtern, habe ich mich entschlossen, den UKW - Tuner dieses NORA Boston etwas genauer auf seine Fehler hin zu untersuchen.

Der erste Teil befasst sich also im Wesentlichen mit der Analyse des NORA Boston UKW - Tuners und den von mir vorgenommenen Reparaturen. Viele dabei gewonnene Erkenntnisse  sind aber auf die UKW - Tuner anderer Hersteller übertragbar oder können zumindest Anhaltspunkte für eine Reparatur liefern.

Im zweiten Teil des Berichts werde ich auf einen Fehler eingehen, der schon deutlich schwieriger zu beheben ist: die Frequenzdrift eines UKW - Tuners, also das "Weglaufen" der Sender. Häufig beobachtet man diesen lästigen Effekt nach Austauschen der Röhre.  Obwohl die ursprünglich auf dem Gerät steckende Röhre auf einem Röhrenprüfgerät als altersschwach diagnostiziert wurde, handelt man sich mit dem Ersatz durch eine neue Röhre mit noch starker Emission u.U. diesen häßlichen Fehler ein. Also Vorsicht beim Röhrenersatz! Dazu mehr weiter unten.

Von vornherein möchte ich feststellen, dass ich hier nicht vorhabe, das ultimative "Kochbuch" für die Reparatur von UKW - Tunern zu verfassen. Ich will nur Denkanstösse zur Selbsthilfe liefern.


 

2.     Meine Messmittel

2.1     Eine ECC85 Referenzröhre

 

Was ich zunächst einmal als sehr wichtig empfinde, ist der Besitz einer Referenzröhre. Ich besitze seit vielen Jahren eine ECC85, gestempelt von VALVO, aber hergestellt von PHILIPS Heerlen mit dem ELCOMA Ätzcode tU7 - Δ1H1.

ELCOMA ist übrigens die Abkürzung von Electric Components and Materials. Das ist die Untergruppe des PHILIPS Konzerns, die sich mit der Herstellung von elektronischen Komponenten - also nicht Haushaltsgeräten und Unterhaltungselektronik - beschäftigt.

Gemäß PHILIPS Codierung eine ECC85 Sytemvariante "7", hergestellt in Heerlen (Holland) in der 1.Woche August 1961. Auf meinem geeichten NEUBERGER RPM370 zeigen beide Systeme dieser Röhre bei Ua =+250 V,  Ug1 = -2 V  Ia = ≈10 mA, d.h.100% Emission.

Bevor ich mit der Reparatur beginne, tausche ich in einem 1. Schritt immer die in dem defekten UKW-Tuner vorhandene Röhre gegen diese Referenzröhre aus. So erhalte ich eine erste Information über den möglichen Grund des fehlenden UKW - Empfangs. Funktioniert der Tuner dann wieder, hatte man Glück und kann, abgesehen vom Austausch der Röhre  von weiteren Arbeiten absehen. Unglücklicherweise ist dies der seltenere Fall.

Die anfängliche Freude über den schnellen Reparaturerfolg wird auch häufig dadurch getrübt, dass das Radio zwar auf UKW wieder funktioniert, aber die Sender weglaufen. Dazu mehr im Abschnitt 5 dieses Berichts.


2.2     Ein UKW - Referenztuner und eine Auskoppelschleife

In einem 2. Reparaturschritt überprüfe ich auch stets die in dem defekten UKW - Tuner vorhandene Röhre. Dabei nehme ich nicht nur die statischen Röhrendaten auf meinem NEUBERGER RPM370 auf, sondern betreibe die Röhre auch probeweise auf einem Referenz - Tuner und schaue mir an, ob der Oszillator mit dieser Röhre schwingt.  Dieser Referenztuner stammt aus einem kannibalisierten GRAETZ-Musica und läuft  selbst mit  emissionsschwachen Röhren noch stabil. Was mich an diesem Referenztuner begeistert, ist die Tatsache dass die Frequenzverwerfung des Oszillators über einen weiten Anodenspannungsbereich hin sehr gering ist: Beim Übergang von Ua = +235 V auf Ua = +110 V nur 180 KHz (110,73 ⇒ 110,55 MHz) !

Damit ich den Tuner bei diesem Funktionstest der Röhre nicht öffnen muss, und da ich nicht gerne blind mit einem Draht in dessen Innereien herumstochere um das Oszillatorsignal auzufangen, verwende ich eine "magnetische Auskoppelschleife" in Verbindung mit einer "twisted pair" Wellenleitung. Dieses Hilfsmittel sieht so aus:

 

Mit dem Multimeter wird die Anodenstromaufnahme gemessen.

Die Schleife aus dünnem PTFE - isoliertem Draht hat 3 Windungen. Sie wird über den unteren Teil der Röhre gelegt und fängt dort das hochfrequente magnetische Wechselfeld der Oszillatorschwingung ein. Die twisted-pair Leitung, die so um die 100 Ohm haben sollte, habe ich nicht abgeschlossen. Wenn man befürchtet, dass stehende Wellen auf der Leitung einen ungünstigen Einfluss auf die Messung haben, kann man die Leitung am Oszillographen oder Frequenzzähler mit der Leitungsimpedanz abschließen.

Meiner Erfahrung nach führt diese Art der Auskopplung der Oszillatorschwingung zu extrem geringer Verwerfung der Oszillatorfrequenz.


Die 3 Windungen und ihre Zuleitung wurden absichtlich sehr flexibel belassen, damit man die Auskoppelschleife auch dann über die Röhre schieben kann, wenn diese - wie in dem GRAETZ-Tuner in einem Schacht sitzt (siehe obiges Bild).

Wenn ich den Referenz-Tuner mit meiner Referenzröhre betreibe, liefert mir die Auskoppelschleife ca. 15 mVss. Die Frequenz lag bei herausgedrehtem Drehko bei 110,73 MHz - also um die ZF höher als das Bandende von 100 MHz.


2.3     Frequenzzähler

 

Zur exakten Bestimmung der Oszillatorfrequenz verwende ich einen Selbstbau - Frequenzzähler, der noch bei 150 MHz einwandfrei funktioniert.

Der Zeitbasisiquarz befindet sich in einem "heißen" Thermostaten. Dessen Temperatur wird über eine Proportionalregelung auf +60 °C gehalten, dem Umkehrpunkt des TK des verwendeten Schwingquarzes.

Hier sieht man den Zähler mit der Auskoppelschleife bei einer Messung am NORA Boston Tuner: Bei geöffnetem Tuner kann man die Schleife bequem über den unteren Teil der Röhre legen.

 


2.4     100 MHz Oszilloscope

Ein vorteilhaftes - wenn auch nicht zwingend notwendiges - Hilfsmittel ist ein Oszilloscope mit mindestens 100 MHz oberer Grenzfrequenz. Ich verwende ein IWATSU - SS - 5711, das ich einmal günstig erstehen konnte.

 

3.     Die Schaltung des NORA Boston

Hier zunächst zur allgemeinen Information die Gesamtschaltung des Gerätes, so wie sie in RM.org zum Modell hochgeladen wurde:

Wie man sieht, haben wir es mit einem Mittelklassegerät der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zu tun. 

Auch der oben links im Schaltbild liegende UKW - Eingangsteil, mit dem wir uns im Verlauf dieses Berichtes ausführlicher beschäftigen wollen, entspricht in seinem grundsätzlichen Aufbau und der Tatsache, dass er eine Doppeltriode ECC85 verwendet, zahllosen anderen Geräten dieser Epoche.

Das Schaltungsprinzip dieser UKW - Eingangsteile ist meist das Folgende:

1. Triode der ECC85:
Vorverstärker und Trennung der Oszillatorstufe vom Antenneneingang zwecks Vermeidung parasitärer Abstrahlung der Oszillatorfrequenz über den Antenneneingang.

2. Triode: Selbstschwingende Mischstufe: Die 2. Triode ist also Oszillator und Mischstufe in einem.

Schauen wir uns nun den Schaltplan der UKW-Box des NORA Boston genauer an:

Links der Dipol-Anntenneneingang. Die Ankopplung des Antennensignals an das Gitter der 1. Triode erfolgt breitbandig mit Hilfe eines Ferrit-Lochkerntransformators (1.2). Das Gitter der 1. Triode erhält vom Ratio-Detektor über 220 KOhm eine negative Regelspannung. Um einen für diese Regelung geeigneten Spannungshub zu produzieren, wird die sich am Ratio-Elko aufbauende Spannung um einen Faktor 6 heruntergeteilt.
Die Anode der 1. Triode führt über ein Dämpfungsglied 1.3 (die DEZI - Sperre zur Vermeidung wilder Schwingungen) auf den ersten abgestimmten Kreis, bestehend aus dem Drehko 1C6, einem Trimmkondensator 2-10 pF und einer Spule 1.4.

Das Signal vom Hochpunkt dieses Kreises wird symmetriert auf den Gitterkreis der 2. Triode eingekoppelt. Dieser koppelt induktiv auf den Oszillatorschwingkreis, bestehend aus
- der Schwingkreisspule (1.6), deren Mittelzapf über 16 pF auf die Anode geht (also eine Rückkopplung grad wie beim Audion)
- einem Trimmkondensator 2-10 pF
- dem zweiten Drehkopaket mit parallel liegendem Festkondensator 7 pF.
- Wenn man mit zwei identischen Drehkopaketen arbeitet, muß man das Oszillatorpaket natürlich mit einem Paddingkondensator verkürzen (die Frequenz des Oszillator soll ja um 10,7 MHz höher liegen als das Eingangssignal. Deswegen liegt in Serie zum Drehko der Kondensator von 60 pF.

Weiterführende Erklärungen findet man in den Beiträgen von H.M. Knoll zum UKW Oszillator, zum essenziellen Parameter der Anschwingsteilheit und zum Testen der Oszillatorfunktion mit einfachen Mitteln.

Die Anode der 2. Triode führt auf das erste 10,7 MHz Zwischenfrequenzfilter. Dessen Sekundärseite wird bei UKW-Empfang auf das Steuergitter der ECH81 gelegt. Während das Steuergitter der ECH81 bei AM-Empfang über 1 MOhm eine Schwundregelspannung erhält, wird es bei UKW-Empfang über den Sekundärwickel des 1. Zf-Filters mit 470 KOhm parallel 100 pF auf Masse gelegt. Die ECH81 arbeitet in diesem Fall also als 1. (ungeregelte) 10,7 MHz Verstärkerstufe.

Das ist im Prinzip schon alles! Also kein großes Mysterium! Aber die Tücke liegt wie so oft im Detail!

 

3.    Der Aufbau des NORA UKW - Tuners

Nun ein paar Bilder des UKW - Tuners im NORA Boston:

Hier sieht man die Außenansicht mit den zwei Anschlussleisten:

Eine dreipolige Leiste für den Anschluss des ZF-Ausgangs und Masse, und eine siebenpolige Leiste  für den Anschluss der Versorgungsspannungen und den Dipol-Antenneneingang.

 

Die ECC85 steckt stramm in einem keramischen Sockel. Auf halber Höhe wird sie mit einer gefalteten Metallklammer in Position gehalten, die gleichzeitig als Abschirmung dient. Diese Konstruktion hat gegenüber solchen mit geschlossenem Abschirmbecher einen wesentlichen Vorteil: Während  geschlossene Abschirmbecher bei Verwendung der ECC85 zu sehr hoher Betriebstemperatur und damit zwangsläufig zu reduzierter Lebensdauer der Röhre führen, hat man bei dem hier gewählten Aufbau eine vorteilhafte Konvektionskühlung. 

Nun einige Bilder des Innenlebens:

 

Das linke Bild zeigt die Oszillatorsektion mit der kompliziert aufgebauten Oszillatorspule, dem direkt daneben liegenden Trimmkondensator 2-10 pF und der Restbeschaltung; das rechte Bild die Spule des abgestimmten Kreises an der Anode des 1. Triodensystems und ihren Paralleltrimmer 3-15pF. In dem nur z.ZT sichtbaren gelben Isolierschlauch versteckt sich das Dämpfungsglied (Dezi - Sperre), ein 120 Ω Widerstand mit daraufgewickelter Spule.

Auf beiden Bildern sieht man dicht bei der 7-poligen Anschlussleiste den braun lackierten Ferrit-Lochkerntrafo, der das Antennensignal auf den Eingang der 1. Triode koppelt (Im Schaltbild die Position "1,2").

Die Unterseite der Schaltung ist weniger spektakulär:

Man sieht den langen Splenkörper des ersten 10,7 MHz Zf-Filters und die (VITROHM) - Widerstände zur Einstellung der Arbeitspunkte.

 

Unwillkürlich fragt man sich natürlich, was an diesem Teil eigentlich kaputt gehen soll ? Ist ja kaum etwas drin.
Wie man sehen wird, ist das eine fatale Fehleinschätzung der Situation.

     

    4.     Untersuchung des NORA Tuners auf mögliche Fehlerquellen

    Abgesehen von Trivialfehlern wie abgerissenen Drähten und fehlenden Betriebsspannungen, können folgende Komponenten Fehler aufweisen, die die Funktion beeinträchtigen oder auch zum Totalausfall führen.

    1. Die Röhre / die Röhren
    2. Die Röhrenfassung
    3. Die Trimmkondensatoren
    4. Die Festkondensatoren
    5. Der Drehkondensator
    6. Die Widerstände
    7. Schlechte Lötstellen

    4.1    Die Röhre 

    Dies erscheint zunächst einmal trivial. Bei Verwendung einer verbrauchten Röhre mit zu schwacher Emission wird der Oszillator nicht mehr schwingen und somit kann die Mischstufe die Eingangsfrequenz nicht mehr auf die Zwischenfrequenz umsetzen. 

     

    Die im NORA - Tuner vorhandene, von SIEMENS gestempelte ECC85 wurde auf meinem NEUBERGER RPM370 getestet. Die Emission war schon etwas schwach, und so wurde der Tuner versuchsweise mit meiner Referenzröhre (der ECC85 von SIEMENS) betrieben.

    Hierfür wurde dieser entsprechend der Schaltung im NORA - Boston an Ua = +235 V und Anoden - Vorwiderständen von 8.2 KΩ und 27 KΩ betrieben. Die Auskoppelschleife wurde um den Röhrenfuß geschlungen. Die gesamte Anodenstromaufnahme lag bei 16,1 mA. (siehe nebenstehendes Bild)
    Allerdings ohne Erfolg. Der  Oszillator schwang nach wie vor nicht. So wurde die ursprüngliche Röhre auf dem Tuner belassen.
     

     


     

    4.2     Die Röhrenfassung

     

    Eine zuverlässige Kontaktierung der Röhrenstifte ist bei der im NORA Boston verwendeten keramischen Röhrenfassung normalerweise kein Problem. Die Federkontakte dieser Röhrenfassungen greifen sehr fest um die Stifte. Trotzdem kann es einmal zu Korrosionsproblemen kommen, die man aber normalerweise durch mehrfaches Ziehen und Wiedereinstecken der Röhre leicht beseitigen kann.

    Dies wurde zwar auch hier probiert, brachte aber erwartungsgemäß keinen Erfolg.

     

    Auf keinen Fall sollte man auf Verdacht eine Prise Kontaktspray in die Fassung blasen.  Da von diesem Sprays immer - wenn auch nur geringfügige - Rückstände auf der rauhen Keramikoberfläche verbleiben, kann man nie vorhersagen, welchen Einfluss diese in Kombination mit sich über die letzten 60 - 70 Jahre akkumulierten Schmutzablagerungen haben. Wenn man schon zu diesem Mittel gegriffen hat, kann man versuchen, die Fassung nachträglich mit Ethanol oder Isopropanol zu reinigen. Dabei sollte man aber tunlichst nicht die ganze Tunerbox "fluten".

    Ungünstiger hinsichtlich der Langzeit - Kontaktgabe sind die früher aus Kostengründen auch häufig verwendeten Pertinax - Fassungen. Hier kam es schon öfter vor, dass der Andruck der Kelchfedern über die Jahre nachließ. Nun sollte man auch hier nicht zu sorglos ans Werk gehen. Die Fassungshersteller sind nämlich irgendwann dazu übergegangen, den Lochkreis um einige Winkelgrade zu verdrehen. Man sollte sich davor hüten, die alte Fassung einfach herauszuknipsen, durch eine neue mit verdrehtem Lochkreis zu ersetzen und die teilweise nun zu kurzen Anschlussdrähte einfach durch ein Stück Schaltdraht zu verlängern. Das führt häufig zu einer totalen Verstimmung des Tuners.

    Merke: 1 Stück Schaltdraht von 1 cm Länge hat eine Induktivität von ca. 7,5 nH. Die ganze Schwingkeisspule des UKW - Oszillators hat nur ca. 100nH!  Jedes Stückchen Draht spielt also eine große Rolle beim Resonanzverhalten der Kreise.


     

    4.3     Trimmkondensatoren

    Bei den Trimmkondensatoren, kann (i) der Kontakt zwischen Rotorschraube und dem versilberten Sektor der Rotorscheibe unterbrochen sein, oder (ii) der Kontakt zwischen dem Hohlniet und der Statorbeschichtung.

    Die Silberbeschichtungen können sich durch atmosphärische Einflüsse über die Jahre zu Silberoxid oder - sulfid umwandeln und besitzen dann keine oder nur noch beschränkte Leitfähigkeit. Das ist häufig schwer erkennbar, da auch eine alte Silberschicht schwarz aussieht.

    Hier sieht man die 3 im UKW - Tuner des NORA Boston enthaltenen keramischen Trimmkondensatoren:

    Nr.1 dient dem Feinabgleich des Zwischenkreises, Nr. 2 dem Feinabgleich des Oszillatorkreises und Nr. 3 dem Abgleich der Oszillator - Brückenschaltung.

     

     

     

    Ob es nun Kontaktprobleme an den beschriebenen Stellen gibt, kann man leicht mit dem Ohmmeter überprüfen. Die Frage ist eher, wie man sie beseitigt.

    Wenn man glaubt eine Unterbrechung aufgespürt zu haben, sollte man auf gar keinen Fall  sofort den Trimmkondensator ersetzen. Viel besser ist es zu probieren, ob sich bei Überbrücken der aufgespürten Unterbrechung der UKW - Empfang wieder einstellt, oder, wenn  man im Verlauf der Reparatur den UKW - Tuner ausgebaut hat, ob der Oszillator wieder schwingt.

    Beim Einbau eines neuen Trimmkondensators muss man unbedingt darauf achten, dass dieser die gleiche Größe / Bauform und den gleichen Temperaturkoeffizienten (TK) hat. Die Größe / Bauform bestimmt  die Wärmekapazität des Bauteils und der TK wie stark sich der Kapazitätswert bei einem bestimmten Temperaturanstieg verändert.

     

    Für des probeweise Überbrücken verwende ich einen Kontaktpinsel, den ich mir aus einem ausgedienten Tuschpinsel und einem Stück Messkabel selbst hergestellt habe.

    Ist das Überbrücken erfolgreich, male ich die Silberbeschichtung mit einem winzigen ("000") Künstlerpinsel unter Verwendung einer Silberkolloidlösung (Ich verwende ACHESON  Electrodag 1415 Kontaktsilber) nach. Das funktioniert sowohl bei Kontaktproblemen zwischen dem Kopf der Stellschraube und der Silberbeschichtung des Rotors als auch bei Unterbrechungen zwischen dem Hohlniet und der Silberbeschichtung des Stators. Bei letzterem muss man etwas vorsichtig zu Werke gehen, damit man das Kontaktsilber nicht versehentlich auf den Rotor verschleppt.

    Im vorliegenden Fall machten überraschenderweise die Stellschraubenköpfe aller 3 Trimmkondensatoren schlechten Kontakt mit der Rotorversilberung. So habe ich damit begonnen die Schraubenköpfe mit ihren Silbersektoren mit Hilfe des Kontaktpinsels zu brücken. Schon beim 1. Versuch am Trimmer Nr. 3, der in der Oszillator - Brückenschaltung liegt, stellte sich Erfolg ein. Der Oszillator schwang wieder. Nach der Behandlung mit Kontaktsilber und 24 stündiger Trockung war also ein Problem gelöst.

    Unglücklicherweise schwang der Oszillator aber nur bei mehr als 2/3 herausgedrehtem Drehko. Auch lag die Frequenz bei ganz herausgedrehtem Drehko bei 111,75 MHz anstatt bei 110,7 MHz.  Also wurden auch die Trimmer Nr. 1 und 2 nachversilbert. Danach funktionierte der Tuner im Prinzip wieder. Nur die Trimmer und die Induktivitäten des Zwischen- und Oszillatorkreises wurden minimal nachgeglichen.

    Wichtig: An dem Brückentrimmer Nr. 3 sollte man besser nicht ziellos herumdrehen, da dadurch die Abstrahlung der Oszillatorschwingung über den Antenneneingang beeinflusst wird. Zur korrekten Justierung dieses Kondensators ist eine Überwachung des Oszillator-Spannungspegels am Antenneneingang notwendig, was außerhalb der messtechnischen Möglichkeiten der meisten Forumskollegen liegen dürfte.

     

     

    So sah der Oszillator - Trimmkondensator Nr. 2 des NORA Boston nach dem "Neuanstrich" aus.

     



     


     

    4.4     Festkondensatoren

    Obwohl sich die in UKW - Tunern eingesetzten Kondensatoren in Hinblick auf die angestrebte Frequenzstabilität durch eine sehr stabile Bauform auszeichnen, kommt es immer wieder zu Ausfällen.

    Die starren Verbindungsdrähte der Kondensatoren sind zwecks Reduktion parasitärer Induktivitäten häufig sehr kurz angelötet. Bei Erwärmung - und die Tuner erwärmen sich beträchtlich weil die ECC85 mit hohem Anodenstrom gefahren wird - treten durch unterschiedliche Ausdehnungskoeffizienten der verschiedenen Bauteile mechanische Spannungen auf, die schon mal einen Draht einschließlich seines Lötpunktes von einem Scheibchenkondensator abheben können. Solche Fehler sind kaum mit dem Auge auszumachen und daher schwer aufzuspüren.


    Bei Röhrchenkondensatoren kann es in seltenen Fällen zu Durch- / Überschlägen des Dielektrikums kommen.

    In einem mir bekanntem Fall hatte man offenbar schon in der Fertigung einen Teil des sehr spröden Körpers eines Röhrchenkondensators abgebrochen. Normalerweise wird die Metallisierung des äußeren Kondensatorbelags etwas vom Röhrchenende zurückgezogen, damit es an der scharfen Abrisskante des Keramikröhrchens durch lokale Feldüberhöhung zu keinen Oberflächen - Gleitentladungen mit nachfolgenden Überschlägen kommt. Die "Feldentlastung" fehlte nun und irgendwann schlug der Kondensator durch.

    Einen kritischen Punkt stellen auch verletzte Lackierungen der Keramikkondensatoren dar, durch die korrosive Luftbestandteile den Lack untertunneln, die Metallisierung angreifen und dadurch den Kapazitätswert des Kondensators verringern können.

    Im Fall eines solchen Defektes muss unbedingt darauf geachtet werden, dass ein Kondensator nicht nur gleichen Kapazitätswertes sondern auch gleicher Bauart, gleicher Abmessungen und mit gleichem Temperaturkoeffizienten eingesetzt wird.


    In machen Tunermodellen werden die Betriebsspannungen über Durchführungskondensatoren in das Innere der UKW - Box geführt. Eine sehr bewährte Maßnahme um zu verhindern, dass das Oszillatorsignal  das Tunerkästchen verlässt und mit schwer abzuschätzenden Auswirkungen durch die restliche Schaltung vagabundiert. Durchführungskondensatoren sind sehr bruchempfindlich! Also nicht zu stark an den Drähten biegen!.

    Liegt ein solch gebrochener Kondensator vor, sollte man nicht versuchen, ihn auszulöten, da hierbai die ganze Box stark erhitzt werden muss - mit schwer überschaubaren Konsequenzen für die restlichen Bauteile. Ich gehe so vor, dass ich den beschädigten Durchführungskondensator mit mechanschen Mitteln entferne. In das entstandene Loch löte ich einen neuen Kondensator ein und zwar mit einem sehr starken Lötkolben und nur mit wenigen kleinen Lötpunkten. So hält sich die Erwärmung des Gehäuses in Grenzen.


    Im vorliegenden Fall des NORA Boston Tuners wurden zwar keine defekten Festkondensatoren gefunden, aber es wurden trotzdem Arbeiten am Parallelkondensator ( 7 pF) zum Oszillatordrehko durchgeführt, um die Frequenzdrift zu reduzieren (Siehe Abschnitt 5).


     

    4.5     Drehkondensator

    Mit einem wegen schlechter Zugänglichkeit besonders unangenehmen Fehler hat man es bei einer Störung der Kontaktgabe zwischen der Kontaktbahn des Drehko - Rotors und der Kontaktfeder zu tun.

    Wie der RM - Kollege Beckmann kürzlich berichtete, fand er bei der Überprüfung des Übergangswiderstandes der Rotorkontaktierung seines defekten UKW - Tuners einen Wert von 0,5 Ω. Dieser  im Prinzip garnicht so hoch erscheinende Wert war jedoch ausreichend, um den Oszillatorkreis so stark zu bedämpfen, dass die Schwingungen aussetzten.  Normalerweise dürfte der Übergangswiderstand in der Größenordnung von mΩ liegen.

    Wenn ich bereits alle anderen Fehler ausgeschlossen habe und der UKW - Oszillator immer noch nicht läuft, reinige ich die Kontaktbahn mit einem handelsüblichen Silberputzmittel für Silberbesteck (mit Hilfe einer spitzen Pinzette mit Kleenex- Kügelchen) und wasche die Partie danach ausgiebig mit Äthanol. Abschließend kann man die Kontaktbahn mit einem Tropfen Tunerspray oder auch mit einem Silberkolloid - Schmiermittel benetzen.

    Ich verwende hierzu das Produkt "Elecolit", das aber anscheinend nicht mehr im Handel ist. Aber man findet im Internet Ähnliches, wenn man nach dem Stichwort "electrically conductive lubricant" sucht. "Fette" sind hier meines Erachtens besser geeignet als Kontaktsprays, da die mit ihnen erzielte Verbesserung der Oberflächenleitfähigkeit eine längere Standzeit hat.

     

    4.6     Festwiderstände

    Wie man auf diesen Bildern erkennen konnte, wurden im NORA Boston Tuner Widerstände des Herstellers VITROHM verwendet. Diese haben je nach Alterungsbedingungen die unangenehme Eigenschaft ihre Werte teilweise massiv zu ändern. Das gilt meiner Erfahrung nach eher für hochohmige als für niederohmige Widerstandswerte.

     

    Da ich im Verlauf eines mehrstündigen Testlaufs des NORA Tuners feststellen musste, dass dessen Oszillatorschwingung am niederfrequenten Bandende nach 3 Stunden total aussetzte, hatte ich sofort die VITROHM - Widerstände in Verdacht.

    Sie wurden also größtenteils gegen hochqualitative Metallschicht - Widerstände ausgetauscht. Wenn man sich zum Einsatz neuer Widerstände entschließt, sollten diese induktionarm (nicht gewendelt) sein. Andernfalls bringt man wieder ungewollt zusätzliche Induktivitäten in die Schaltung ein. Dieses Argument sprach übrigens für den ursprünglichen Einsatz der VITROHM - Widerstände! Man konnte ja damals nicht ahnen, das diese Massewiderstände irgendwann zu Wertänderungen neigen würden. .

    Zu meiner großen Enttäuschung änderte diese Maßnahme nichts am Aussetzen der Oszillatorschwingungen.

     

    Auf dem Bild erkennt man den nachversilberten Trimmkondensator Nr. 3.


     

    4.7     Schlechte Lötstellen
     

    Nach diesem Rückschlag habe ich damit begonnen, sämtliche Bauteile und Lötstellen einem Temperaturschock zu unterziehen.

    Zunächst wurden die Teile mit einem mit Isopropanol getränkten kleinen Tuschepinsel betupft und wieder trocknen gelassen. Leider ohne Erfolg.

    Danach wurden mit meiner dünnsten Lötspitze die Anschlussdrähte der Kondensatorn dicht neben deren Körper berührt ( bitte nicht so lange, bis sich der Lack kräuselt!).

    Und siehe da, bei einem Styroflex-Kondensator fing der Oszillator wieder an zu schwingen. Zu sehen war nichts, und der dann ausgelötete Kondensator zeigte auch auf dem KARU seinen Sollwert (hätte mich auch gewundert, wenn ein Styroflex - Kondensator Probleme macht).
    Es hatte sich offenbar um eine korrodierte Lötstelle gehandelt. Also habe ich mich überwunden und alle Lötstellen im Tuner nachgelötet.


    Das nun erreichte Ergebnis war zwar im Prinzip schon sehr befriedigend, jedoch zeigte sich nach längerem Betrieb, dass der Oszillator nach tieferen Frequenzen hin weglief. Dieser Problematik werde ich den letzten Abschnitt dieses Berichts widmen.

      

    5.     Das Problem der Frequenzdrift

    Es ist ein ewiges Ärgernis: man hat mit viel Mühe erreicht, dass das Radio auch auf dem UKW - Bereich wieder seinen Dienst tut. Und dann muss man zu häufig die Sender nachstellen, weil nach einiger Zeit die Wiedergabe anfängt zu krächzen.

    Was der Aufmerksamkeit des Reparateurs häufig entgeht, ist die Tatsache, dass dies erst nach Einsetzen einer neue Röhre auftrat. 

    Ich werde versuchen etwas Licht in diese dunkle Geschichte zu bringen:

    Zunächst stellt sich die Frage, welche Komponenten eigentlich die Frequenz des UKW - Oszillators und deren Stabilität beeinflussen?

    Die Schwingungsfrequenz von Oszillatoren wird bestimmt durch die L und C - Werte des frequenzbestimmenden Schwingkreises. Da, wie unten noch näher erläutert wird, diese Werte temperaturabhängig sind, versucht man durch geschickte Wahl der einzelnen Temperaturkoeffizienten TK (das sind die relativen Änderungen der Kapazitäts- bzw. Induktivitätswerte pro °C) zu einem Aufbau zu gelangen, bei dem die Schwingungsfrequenz über einen möglichst weiten Temperaturbereich konstant ist.

    Einfach gesagt: Man versucht zu erreichen, daß "L" genau so viel in der einen Richtung wegläuft,  wie "C" in der anderen. Dann erhält man aus der Thomsonschen Schwingungsgleichung, in der das Produkt aus L und C steht immer die gleiche Frequenz f=1/[2 π √ (LxC)]

    Läuft also ein Oszillator während der Aufwärmphase eines Gerätes weg - so wie es hier am Boston UKW - Tuner beobachtet wurde - so ist die Temperaturkompensation der frequenzbestimmenden Komponenten offensichtlich nicht vollständig. Um zu verstehen was da passiert, muss man die frequenzbestimmenden Komponenten des Oszillators im einzelnen betrachten:

    (i) Die Schwingkreisspule hat einen positiven Temperaturkoeffizienten. Das heisst: Steigt ihre Temperatur an, so dehnt sich die Spule aus und ihre Induktivität steigt. Warum? Weil die Induktivität mit dem Quadrat des Durchmessers steigt, aber nur linear mir der Länge abnimmt.


    Schwierig wird die Sache bei Tunern mit induktiver Abstimmung (wie z.B. bei manchen RFT - Geräten oder den TELEFUNKEN Jubilate, Gavotte etc.). Da muss man spezielle mechanische Vorkehrungen treffen damit sich der Spulenkern nicht durch die differentielle thermische Ausdehnung der Spule aus der Spule herauszieht.

    (ii) Der Drehko hat einen negativen Temperaturkoeffizienten - wenn er sich erwärmt, dehnt er sich aus und der Plattenabstand vergrößert sich. Die Kapazität des Plattenkondensators sinkt mit wachsendem Plattenabstand.

    (iii) Die Werte aller in den Schwingkreis eingehenden Festkapazitäten -also Scheibchen, Röhrchen und Trimmer weisen ebenfalls eine Temperaturabhängigkeit auf. Hier wird die Sache schon interessanter. Man kann nicht irgendwelche Kondensatoren nehmen, nur weil sie den richtigen Kapazitätswert haben, sondern muss darauf bedacht sein, dass der Temperaturkoeffizient dieser Kondensatoren so gewählt wird, dass im Endeffekt die Temperaturdrift der Oszillatorfrequenz von Kaltzustand bis zum Warmzustand des Gerätes möglichst gering ist. So erklärt sich, dass man in Oszillatoren meist Kondensatoren mit orangem Farbpunkt antrifft.

    Diese haben nämlich einen leicht negativen Temperaturkoeffizienten (-150 x 10-6 / °C) der in der Mehrzahl der Fälle gerade so die Temperaturdrift der anderen Komponenten ausgleicht. Hier ein paar Bilder von einem Telefunken Gavotte Tuner mit solchen orangen Kondensatoren (es gibt auch einen mit lila Punkt, der ist aber nicht frequenzbestimmend):

     

     

    Nachfolgend eine Übersicht der TK-  Kennzeichnungen von Kondensatoren von VALVO aus dem Jahr 1964. Zum Vergrößern bitte anklicken.

     

    Verwendet man Kondensatoren mit lila Farbpunkt im Oszillatorkreis, bekommt man den Oszillator nie stabil, da diese einen negativen Temperaturkoeffizienten von -750 x 10-6 / °C haben!

    (iv) Natürlich beeinflussen auch alle über induktive Kopplung in den Oszillator - Schwingkreis hinein transformierten Impedanzen die Oszillatorfrequenz. Dazu gehört auch die Röhreneingangsimpedanz.

     

    Im Schaltplan des NORA Boston UKW - Tuner sieht man bei Position 1.6 am Gitter der 2. Triode den Oszillatorschwingkreis, dessen gezapfte Spule mit 16 pF Rückkopplungs-Kondensator auf die Anode geht. Aber der Oszillatorschwingkreis hängt nicht direkt am Gitter der 2. Triode sondern über eine Koppelwicklung. Die Eingangsimpedanz der Triode transformiert sich also quadratisch in den Oszillatorkreis. (Spannungen transformieren sich im Windungsverhältnis, Impedanzen im Quadrat der Windungsverhältnisses)

    Ändert sich also die Gitter/Kathodenkapazität der Röhre, so wirkt sich das intensiv auf die Oszillatorfrequenz aus. Ändert sich dieser Parameter während der Anlaufphase der Röhre - und es dauert es eine Weile, bis sich im Röhrensystem thermischen Gleichgewicht eingestellt hat, so muss auch dies im gesamten Temperatur-Koeffizienten berücksichtigt werden.

    Alle diese Einflüsse spielen also eine Rolle bei der Frequenzstabilität der Abstimmung.

    Leider wird die Sache noch dadurch kompliziert, dass die Aufwärmgeschwindigkeiten der Tunerkomponenten davon abhängt, wie dicht sie an der Röhrenfassung (die Röhre erwärmt ja über Wärmefluss alle thermisch gekoppelten Komponenten) oder an irgendwelchen Anodenvorwiderständen liegen. Man sah schon am NORA Tuner, daß man die Widerstände auf der einen Seite der Basisplatte versammelt hatte und die L/C Komponenten auf der anderen Seite. Die größeren Anodenspannungs - Vorwiderstände hat man schon absichtlich außerhalb des Kästchens positioniert.
     



    Wie gingen also die Firmen früher vor, wenn sie neue Tuner entwickelten, also zu einer Zeit, als es noch keine PLL - Schaltungen gab, die die Oszillatorfrequenz festhielten?

    Sie betrieben realitätsnahe Testaufbauten in einer sich realistisch aufwärmenden Umgebung. Der Tuner wärmt sich auf, die Umgebung wärmt sich auf, und die verschiedenen Komponenten im Tuner wärmen sich daher auch auf - alle unterschiedlich schnell. Jetzt wurde getüftelt, wie man die Oszillatorfrequenz am besten stabilisierte - jedenfalls so weit, dass dem Kunden die Senderdrift nicht unangenehm auffiel. Wenn das endlich gelungen war, konnte das Radio in die Fertigung gehen und vekauft werden.

    Hätte man von vornherein Radios mit driftenden UKW - Sendern verkauft, hätte man bald Ärger mit den Reklamationen gehabt. Man kann also davon ausgehen, daß die Sender bei Neugeräten nicht wegliefen. Aber warum tun sie das jetzt?

     

    • Möglicherweise haben sich die Eigenschaften einer oder mehrerer der Kondensatorkeramiken über die Jahre geändert?

     

    • Möglicherweise stimmt durch Nachgleichen (oder einfach durch Alterung der Mechanik) der induktiven Abstimmung (Jubilate und ähnliche) die Kompensation der differentiellen thermischen Ausdehnung des Spulenaggregats nicht mehr?

     

    • Aber es gibt auch noch eine interessante andere Ursache für die Senderdrift: Die Röhre!


    Ich hatte mal einen NORDMENDE Othello zur Reparatur, bei dem nach Austausch aller notwendigen Komponenten die UKW-Abstimmung weglief. Nach Aussage des Besitzers  lief der UKW Empfang aber vor meiner Reparatur stabil. Nun war die im Gerät vorgefundene ECC85 zwar noch funktionsfähig, hatte aber schon recht schwache Emission. Ich hatte sie routinemäßig durch eine neue Röhre ersetzt. Nach der Reklamation des Besitzers habe ich versuchsweise mehrere neue ECC85 unterschiedlicher Hersteller eingesetzt.

    Dabei zeigte sich erstaunlicherweise, dass nur bei Verwendung einer VALVO Röhre /Fabrikation PHILIPS - Heerlen die Abstimmung nicht mehr weglief. Daraufhin habe ich mir 2 von VALVO gestempelte Röhren genauer angeschaut.

     

     

     

    Die Glas-Ätzcodes besagen:

    Linke Röhre:
    "tU7" = ECC85 Systemaufbau Variante 7
    Δ1H1 = PHILIPS Röhrenfabrik Heerlen 1961 August 1. Kalenderwoche

    Rechte Röhre:
    "tU?" = ECC85 Systemaufbau Variante ?
    D8G = PHILIPS Röhren- und Halbleiterfabrik VALVO Hamburg 1958 Juli

    Trotzdem beide Röhren mit "VALVO ECC85" gestempelt sind, weist deren Systemaufbau erstaunliche Unterschiede auf - bis hin zu den Perforierungen des Anodenblechs und den Getterhaltern im Röhrendom. Angesichts dieser konstruktiven Unterschiede erstaunt es nicht, dass sich auch das thermische Verhalten der beiden Röhren unterscheidet.

    Nun soll das nicht etwa heißen, dass die ECC85 Röhren aus Heerlen, also die mit dem "Δ" Zeichen in der zweiten Zeile des Ätzcodes immer das Problem der Oszillatordrift zu lösen vemögen und alle anderen Fabrikate das nicht schaffen. Ganz im Gegenteil.

    Es ist eher so, dass die Schaltungsentwickler Röhren eines ganz bestimmten Herstellers eingesetzt haben und die Tunerdrift mit diesem bestimmten Röhrenfabrikat minimiert haben.Verwendet man heute ein anderes Fabrikat, kann man sich mit einem Driftproblem konfrontiert sehen.

    Untersuchung mit unterschiedlichen Röhren und Kondensatoren

    Entsprechend dieser Erkenntnis habe ich einen neuen Anlauf genommen, die Drift des NORA UKW - Tuners in den Griff zu bekommen. Wie man im Schaltbild sieht, liegt parallel zum Oszilatordrehko ein Trimmkondensator von 2 - 10 pF und ein Scheibenkondensator von 7pF und gelbem Punkt.

     

     

     


     

    Dieser Kondensator wurde nun versuchsweise gegen solche mit nahezu identischem Wert aber anderem Farbpunkt - also anderem TK - ersetzt.

    Das nachfolgende Diagramm zeigt die Ergebnisse in Form der Frequenzablage des Oszillators nach einer bestimmten Betriebszeit:

     

     

    Verwendet wurden ECC85 Röhren von zwei verschiedenen Herstellern: die ursprünglich im Tuner vorhandene SIEMENS Röhre und meine Referenzröhre von VALVO /Heerlen.

    Es wurden mehrere unterschiedliche Oszillator - Kondensatoren eingesetzt, die sich im Wert nur marginal unterschieden, aber sehr unterschiedliche TKs hatten. Dargestellt sind hier nur die besten Ergebnisse, die mit den folgenden 2 Kondensatoren erhalten wurden (alle anderen führten zu prohibitiv hoher Drift):

    • Dem ursprünglich eingebauten 7 pF Scheibenkondensator  mit gelbem Punkt (-220 x 10-6 / °C). Nachmessen auf einer Präzisionsmessbrücke ergab einen Wert von 6,5 ± 0.1pF.
    • Einem Röhrchenkondensator mit einem Nominalwert von 6 pF mit blauem Punkt (-470 x 10-6 / °C). Nachmessen auf derselben Messbrücke ergab einen Wert von 5,8 ± 0.1pF.

    Die Idee hinter der Wahl des 2. Kondensators war, die bei Temperaturerhöhung zuvor nach unten weglaufende Oszillatorfrequenz durch Wahl eines Kondensators mit höher negativen TK abzufangen und dadurch auf einem akzeptablen Niveau zu stabilisieren.

    An den Kurvenverläufen erkennt man: 

    1. Bei der Verwendung meiner Referenzröhre von VALVO / Heerlen ergibt sich eine viel höhere Oszillatordrift als mit der SIEMENS Röhre, mit der der Tuner ursprünglich betrieben wurde (blaue Kurve). Nach 35 Minuten liegt die Frequenzablage des Oszillators gegenüber dem Einschaltmoment bei ca. -115 KHz.
    2. Der vergleichbare Wert bei Verwendung der SIEMENS Röhre liegt bei ca. -50 KHz (rote Kurve)
    3. Eine entscheidende Verbessung der Driftsituation ergab der Austausch des ursprünglichen Scheibenkondensators gegen den Röhrchenkondensator mit doppelt so hohem negativen TK.

    Die Frequenzdrift reduzierte sich hier auf ±20 KHz relativ zur Oszillatorfrequenz im Einschaltmoment. Gemessen wurde am unteren und oberen Bandende und einer mittleren Frequenz: (grüne Kurve: 99,5 MHz - gelbe Kurve:  107 MHz - magenta Kurve: 110,7 MHz ).  

    Bei einem einmal eingestellten Sender am oberen und unteren UKW-Bereichsende waren über eine Laufzeit von 2-3 Stunden keine Verzerrungen mehr festzustellen. So konnte der UKW - Tuner des NORA Boston wieder zu seinem Besitzer zurückehren.

     


     
    Ich hoffe, mit diesem Beitrag dem einen oder anderen RM Mitglied ein wenig Mut zur Selbsthilfe bei der Reparatur von UKW - Tunern gemacht zu haben und danke den Kollegen D. Rudolph und H.M. Knoll für ihre ständige Mithilfe beim Verfassen solcher Artikel.
     
    Harald Giese
     
     

     

    Für diesen Post bedanken, weil hilfreich und/oder fachlich fundiert.