Fernsehen der DDR aus Adlershof, es war einmal....

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ID: 545484
Fernsehen der DDR aus Adlershof, es war einmal.... 
20.Oct.20 20:35
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Nie war ich dort, wo das Fernsehen für die DDR- Bürger  produziert wurde. Ich hatte jedoch ein spannendes Buch von Hans Müncheberg erworben, Blaues Wunder aus Adlershof- Erlebtes und Gesammeltes. Er war vom Anfang an bis zum  Ende am 31.12.1991 als Dramaturg und Autor in Adlershof dabei.

Er lernte sicher noch den ersten Sprecher der Aktuellen Kamera, Herbert Köfer , der am 17. Februar 2020 seinen 99. Geburtstag feierte  ( und nebenbei gesagt immer noch auf der Bühne  steht ) damals bereits als Kollegen kennen.... 

All das kann man in seinem Buch nachlesen.

Jetzt ergab sich die Gelegenheit, im Herbst 2020, einen Besuch der Rudower Chaussee 3 zu planen. Das erste was ich feststellte, diese Adresse gibt es nicht mehr.

Aber finden dürfte kein Problem sein. Da gibt es dieses Prospekt von dem Sachsenwerk Radeberg aus dem Jahre 1953...

Vor einigen Jahren wurde der Straßenzug neu geplant und die Adresse ist nun Moriz- Seeler- Straße.

Dort befindet sich nach wie vor das unter Denkmalschutz stehende markante Antennenträgergebäude. 

Das Gebäude entstand nach den Plänen des Architekten Franz Ehrlich , der bereits 1949, gemeinsam mit Wolfgang Wunsch, die ersten Entwürfe lieferte,  welche bis zum Jahre 1951 realisiert wurden.Der erste Spatenstich erfolgte  am 11. Juni 1950. Der Gebäudekomplex ist  im Bauhausstil projektiert und setzt noch heute ein Achtungszeichen .

 

Am 31.12.1991 ging das Licht für immer für den Deutschen Fernsehfunk aus. Die Länderanstalten  versorgten nun zunächst nur die ostdeutschen Zuschauer : ORB, MDR als Dreiländeranstalt von Sachsen, Sachsen- Anhalt und Thüringen. Mecklenburg Vorpommern sah offensichtlich eigene Schwierigkeiten und wurde Juniorpartner des NDR. Der Deutsche Fernsehfunk hatte sich in den Anfangsjahren 1990 bis 31.12.1991 zum Nr. 1 Sender im Gebiet der ehemaligen DDR entwickelt. das war sicher schon ein Grund ( meine private Meinung) diesen Sterben zu lassen. Es wäre ja eine zu starke Konkurrenz für ARD und ZDF gewesen...

Nun bin ich froh, das Gebäudeensemble selbst hier noch zu sehen.

Der Medienstandort ist auf jeden Fall weiter im Betrieb, so ist beispielsweise eine große Synchronfirma hier angesiedelt.

Im Turmhaus haben sich Firmen eingemietet, die zum Beispiel Umschulungen ausführen, unter dem Motto " Mach dich fit für den zweiten Arbeitsmarkt..." Ich habe jedoch  auch Firmen gefunden, die kommen und gehen, über welche ich lieber jetzt nicht berichten will...

Ein im Komplex befindlicher Bau ist das Theater Adlershof, was von engagierten Mitarbeitern am Leben erhalten wird. Bei meinem Besuch war gerade wegen Theaterferien geschlossen, schade....

Das Theatergebäude wurde ebenso 1952 fertig gestellt , es war und ist das einzigste Deutsche Fernsehtheater, entworfen im Bauhausstil. Cirka 550 Gäste konnten hier Liveauftritte verfolgen .

Im Jahre 1957 wurde dieser Saal in ein Fernsehstudio umgebaut. Von hier wurde dann bis Ende 1991 die "Aktuelle Kamera" übertragen . Nach der Einstellung des Sendebetriebes des DFF wurde dieser Komplex nicht mehr genutzt, das Foyer sowie ein Konferenzraum blieben jedoch in der weiteren Nutzung. Ab 2015 wird wieder Theater gespielt, das alte Foyer wurde in eine Lounge  umgewandelt und im 2. OG können 100 Gäste im Theatersaal Platz nehmen. Das Theater Adlershof hat seine Fans in jeder Altergruppe, so ist auch das Programm gestreut....

Das Gebäude mal von der Hinterseite angesehen, machte jedoch auf mich einen sehr bedenklichen Eindruck. Die Denkmalschützer sind hier gefragt, denn auch dieses Gebäude steht unter Denkmalschutz.

Keine 100 m entfernt steht inzwischen ein Zirkuszelt. Dort treten sogar sehr prominente Künstler auf. 

Selbst der 99 jährige Herbert Köfer lässt es sich nehmen und kommt in dieses Zirkuszelt. 

Nochmal ein Testbild vom DDR- Fernsehen, ab 12.März 1990 hieß der Sender , damals noch das erste und zweite Programm, wieder der "Deutsche Fernsehfunk"

Der Deutsche Fernsehfunk wurde mit Inkrafttreten am 3. 10. 1990 vom Artikel 36 des Einigungsvertrags, in der für die zentralen Einrichtungen von Hörfunk und Fernsehen in den neuen Bundesländern die Auflösung bis zum 31. 12. 1991 vorgesehen war, planmäßig abgewickelt. Das Programmvermögen des DFF befindet sich seit 1994 im Deutschen Rundfunkarchiv  Standort Berlin bzw. Potsdam-Babelsberg.

Der Medienstandort Adlershof ist jedoch erhalten geblieben, viele Studios produzieren Sendungen vor Ort.

Hier im Bild das "Studio Berlin " Die Studio Berlin-Adlershof GmbH ist eine Atelierbetriebs- und Fernsehproduktionsgesellschaft. Sie nutzt heute einen Teil der ehemaligen Einrichtungen und Gebäude des Sendezentrums des Deutschen Fernsehfunks....

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Fernsehen der DDR aus Adlershof, es war einmal.... 
22.Oct.20 13:52
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Herr Klaus Feldmann schreibt mir; 

Sehr geehrter Herr Lill,

danke für die gelungene Bildergalerie.

Übrigens, Ehrlich war ja in Buchenwald inhaftiert. Obwohl die Nazis die Architekten des Bauhauses hassten, musste Ehrlich die berüchtigte Torinschrift "JEDEM DAS SEINE"  entwerfen. Das tat er im Bauhausstil, was der SS aber nicht aufgefallen ist.

Es grüßt Sie herzlich Klaus Feldmann

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Fernsehen der DDR aus Adlershof, es war einmal.... 
02.Nov.20 16:43
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Das Bild aus dem Jahre 1957, Werksfoto vom RAFENA- Werk Radeberg, wurde angezweifelt. Ob es das Studio in Adlershof  vor dem Umbau war oder vielleicht auch diese Veranstaltung im alten "Friedrichstadtpalast" stattfand, wir wissen es leider nicht. Kann jemand helfen? Zeitzeugen werden gesucht.

Die RAFENA- Werke hatten einige Fernsehtruhen im Raum aufgestellt, so daß die Gäste live die Darbietungen verfolgen konnten und auch über die Bildschirme. Damit wollten die Radeberger den Stand ihrer Technik zeigen. So eine Fernsehtruhe kostete damals etwa 3500 DM ( Ostmark).

Nach oben waren je Ausstattung mit Rundfunkempfänger, Tonbandgerät, Plattenspieler und Mikrofon sowie Lautsprecherbestückung, keine Grenzen gesetzt. Es gab sogar Truhen im 7000 DM- Bereich. Diese mußten auch verkauft werden. Zeitweilig waren billige TV- Geräte Engpaß und man bot dann die Fernsehtruhen zum Sofortkauf mit Anlieferung und Einrichtung an.

Der Kundenkreis waren zumeist Ärzte und Freiberufliche sowie Unternehmer.

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Fernsehen der DDR aus Adlershof, es war einmal.... 
02.Mar.22 15:01
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Post erhalten habe ich von Herrn Eberhard Kunst. Er informierte mich, daß diese Veranstaltung im Friedrichstadtpalast stattfand.

Bis 1955 hatte der Deutsche Fernsehfunk keine Übertragungswagen. Veranstaltungen fanden im Großen Sendesaal des DFF statt.

Herr Kunst hat mir dazu einige Fotos geschickt:

   

 

Herr Kunst schreibt mir dazu: Nun zum Sendesaal: zu Anfang (50ziger Jahre) mußten wir die Kameras noch aus den FS-Studio in den Saal fahren. Der Sendesaal hatte keine eigenen Kameras. Später fanden im Saal kaum noch Veranstaltungen statt.

Hier im Bild sehen wir zwei IKO- Kameras, Type QP 13  und unten in der Mitte im grauen Anzug, das dürfte Heinz Quermann sein.

Dieses Bild ist ein interessantes Beweisstück, es gab nicht nur Kameramänner sondern auch Kamerafrauen...hi

                             

Die QP13 in Nahaufnahme

Endlich war dann soweit ! Der Deutsche Fernsehfunk erhielt im Sommer 1955 zwei Übertragungswagen von der englischen Firma PYE.

Der Ü1  wurde erstmalig am 6.Oktober 1955 eingesetzt.

Herr Kunst schreibt mir: Anbei noch ein Foto von der ersten Live-Übertragung des Ü 2 (PYE-Ü-Wagen) am 7.10.1955 aus dem Lustgarten in Berlin. Der Ü-Wagen 1 übertrug am Vorabend den Staatsakt aus der Berliner Staatsoper. Diese beiden Sendungen waren die ersten Live-Übertragungen vom Deutschen Fernseh-Funk. So ein Übertragungswagen war mit 3 Kameras bestückt. Die Ostberliner Zeitungen hatten ein TOP-Thema , hier die BZ                 mit freundlicher Zustimmung des Berliner Verlages 

Kamerafrau Inge Müller im Park von Sanssouci am 20./21. August 1960 Kamera vom DFF-Ü2 PYE 014.

In großer Freude berichten die DDR- Zeitungen am 5.- 6. Oktober 1955, daß mit den zwei Übertragungswagen, aus England importiert ,nun eine neue Phase des Fernsehzeitalters in der DDR beginnt. Nunmehr sind Originalübertragungen auch von außerhalb der Studios- Adlershof möglich.

Man spricht von Originalübertragungen, welche bislang auf Film aufgezeichnet  und dann zeitversetzt gesendet wurden. Geplant waren Direktübertragungen von Theateraufführungen aus der Berliner Volksbühne und anderen Spielstätten, die beliebte Unterhaltungssendung "Da lacht der Bär", eine Originalübertragung des Fußballspieles DDR gegen Bulgarien.

Perspektivisch plante man direkte Übertragungen auch aus anderen Teilen der Republik, entsprechende Richtfunkstrecken mussten häufig aufgebaut werden. Der Zeitzeuge beschreibt hier auch den Arbeitsplatz des Technikers im Übertragungswagen, der am "Mischgerät" sitzt  und blitzschnell die laut Drehbuch vorgesehenen Aufnahmen ein- und umschaltet. Er kann seine Arbeit auf einem im Wagen installierten Monitor verfolgen ( so wurde es damals beschrieben). 

Wenn Sie auch etwas zum Richtfunk und zur Geräteentwicklung erfahren wollen, dann klicken sie bitte hier. Der Radeberger Betrieb Rafena war damals der wichtigste Produzent von Fernsehtechnik in der DDR.

Mit den zwei PYE- Übertragungswagen

und der bereits vorhandenen Senderkette in Berlin, Leipzig, Dresden, Karl-Marx- Stadt, Marlow, auf dem Inselsberg und auf dem Brocken konnte man einen großen Teil des DDR- Gebietes versorgen, aber auch Berlin- West und in angrenzenden Gebieten der BRD konnte das inzwischen auf CCIR- Norm umgestellte Programm empfangen werden. Schwarze Flecken gab es noch im Erzgebirge und in großen Teilen von Mecklenburg. 

Das Versuchsfernsehen konnte nun, und zwar am 03. Januar 1956, in den regulären Betrieb überführt werden. Übrigens zu Ehren des 80. Geburtstages von Wilhelm Pieck, dem damaligen DDR Präsidenten.

Mit dem italienischen Fernsehen hatte man bereits die Übertragungsrechte von dem Olympischen Winterspielen in Cortina d'Ampezzo (Italien) gesichert. Das ging allerdings noch über die BRD. Der Lugstein ( Richtfunk und Intervisionsstrecke ) war noch nicht fertiggestellt. 

Ein interessantes Foto ist von einer Übertragung aus dem Neuen Zentralstadion in Leipzig. Dort fand vom 2.- 5. August1956 das II.Deutsche Turn- und Sportfest statt.

Im Einsatz eine PYE- Kamera mit ZOOM- Objektiv. Dank der Richtfunkstrecke nach Berlin konnte hier auch direkt übertragen werden.

Vielen Dank, lieber Herr Kunst , nicht nur für Ihre interessanten Informationen, sondern auch für die Bilder aus Ihrem Archiv.

 

es geht noch weiter...aber im Teil 2 .

Im zweiten Teil kommt ein Beitrag direkt von der Bastei wo am Pfingstsonnabend (7.Juni 1958) eine spektakuläre Unterhaltungssendung gestartet wurde...

Foto; Wolfgang Lill

 

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