UKW Sender Rheinsberg

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UKW Sender Rheinsberg 
28.Apr.24 14:28
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Wolfgang Lill (D)
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Wolfgang Lill

Rheinsberg ist den Lesern aus der ehemaligen DDR sicher bekannt.Der Ort befindet sich im jetzigen Landkreis Ostprignitz-Ruppin, etwa 100 Km nordwestlich von Berlin entfernt.  Stichwort, Bezirk Potsdam, Fontane mit seinem Meisterwerk Effi Briest,  Kurt Tucholsky mit dem Literaturmuseum im Schloß. Foto: Holger Pfeifer

Am 7.März 1970 wurde Effi Briest,der Fernsehfilm von Wolfgang Luderer  im II. Programm des DDR Fernsehens erstmalig ausgestrahlt. Überragend damals die schauspielerische Leistung von Angelica Domröse. 

Auch das FDGB Erholungsheim "Ernst Thälmann" war für viele ein Urlaubsziel. Der Rheinsberger See lud zum baden und bootfahren ein....Dieses Erholungsheim wurde am 30.10. 2002 gespengt. An dieser Stelle wurde ein Hafendorf mit Hotelkomplex und Leuchtturm errichtet. Ein sehr attraktives Ziel für Urlauber.

Werbefoto

Bekannt wurde Rheinsberg auch durch den Bau des Kernkraftwerkes "zwischen Stechlinsee und Nehmitzsee" dessen Reaktoren eine Bruttoleistung von 70 MW erzeugten.  Es war übrigens das erste KKW in Deutschland.

Foto EWN GmbH

Die Inbetriebnahme erfolgte am11.10.1966. Nach dem Forschungsreaktor in Rossendorf bei Dresden war es das erste Klein-KKW in der DDR.Foto: EWN GmbH Modell Apparatesaal

Übrigens ist auf der Rückseite des 10 Mark Scheines der DDR ein Bild von einem Arbeitsplatz des KKW .

Am 1. Juni 1990 wird der Betrieb des KKW eingestellt und mit dem Rückbau begonnen. Diese Arbeiten sind immer noch nicht sämtlich abgeschlossen.

Rheinsberg wurde erstmalig rundfunktechnisch erwähnt. Am 15.November 1907 kommt es zu einer "Sprechverbindung" zwischen Berlin und Rheinsberg. Immerhin werden laut H. Bredow von der Firma Telefunken 75 km drahtlos überbrückt. Neben Sprache wurde auch Grammophonmusik übertragen. Leider habe ich die Märkische Zeitung vom 16./20. November 1907 noch nicht gefunden, ich kann mir jedoch vorstellen, daß über ein solches Ereignis ausführlich berichtet wurde.  

Wir machen einen Sprung in das Jahr 1938. Am Kiefernweg in Rheinsberg wird eine   große Baugrube ausgehoben. Auftraggeber ist die Deutsche Reichspost.Es wird ein Wohnhaus gebaut in dessen Keller Netztrafos und 15 -kV- Stromzuführung installiert werden. Vom Anbau neben dem Wohnhaus führte eine Treppe in den darunterliegenden Zweietagen-Bunker, dessen Wände aus Stahlbeton bestanden.

Foto: Holger Pfeifer 2024

Mitarbeiter des Verstärkeramtes Rheinsberg (Foto leider nicht datiert, vermutlich Anfang 60iger Jahre).

Die Notstromversorgung erfolgte mit zwei Schiffsmotoren die bereits vor Einzug der Bunkerdecke eingebaut wurden. 

Nach dem Einmarsch der Roten Armee am 29.04.1945 in Rheinsberg wurden diese Anlagen von sowjetischen Technikern begutachtet . Zunächst war man misstrauisch, denn ein Großteil der Technologie war unbekannt. Die Sowjets erkannten jedoch den Wert dieser Technik und sie ließen die Verteilereinrichtungen sowie auch die Notstromgeneratoren ausbauen. Da diese nicht über die Treppe transportiert werden konnten, wurde die Bunkerdecke aufgebrochen .  Die Kisten standen bis 1947 am Bahnhof, der Witterung ausgesetzt. Der Bunker selbst diente dann nur noch zu Lagerzwecken.

Im Jahre 1942 wurde auf dem Krähenberge etwa 2 Km südwestlich von Rheinsberg durch die Forschungsanstalt der Deutschen Reichspost  ein Stahlgitterturm aufgebaut.

Dieser wurde als Stützpunkt eines Dezimeterwellennetzes genutzt. Die Signalzuführung erfolgte über Erdkabel vom Verstärkeramt Rheinsberg.  Über Gransee und weitere Verstärkerämter wurde per Erdkabel die Signalzuführung von Berlin gesichert. 

Wie lange diese Versuche gingen ist nicht überliefert. Mit Fortschreiten des Krieges kam es zunehmend zu Luftangriffen. Deshalb wurde der Stahlgittermast als Beobachtungsturm genutzt. Oben war ein Bretterverschlag aufgesetzt und unten stand  noch eine Holzbaracke .Dieser Ausguck war dann rund um die Uhr besetzt.

Foto vom Ausguck stammt vom hölzernen Beobachtungsturm, der sich zwischen Rheinsberg und dem Nachbardorf Menz befand.

Warum UKW Sender in Rheinsberg ?

Der Aufbau des UKW- Rundfunks war technisch möglich und musste zwangsläufig erfolgen.
Nach Realisierung der Vorgaben des Kopenhagener Wellenplanes von 1950 verschlechterten sich die
Empfangsbedingungen in einigen Gebieten der DDR  von AM- Sendern weiter. Das Mittelwellenband war einfach besonders abends und nachts total überlastet. Die DDR war gezwungen, zur besseren Versorgung der Hörer in der DDR die Übertragungen per Frequenzmodulation ( FM ) zu nutzen. 
Es gab damals eine sehr vernünftige Entscheidung für das CCIR- Band 88...100 MHz.
 
Die Nachbarländer Polen, Tschechoslowakei und andere im Osten Europas hatten sich für die OiR-Norm, 65,8 - 74 MHz, entschieden  
Damals glaubte man in der DDR-Regierung noch an die deutsche Wiedervereinigung. Damit die Hörer in Westberlin und in Teilen der BRD gut informiert wurden, war dieses CCIR- Band vernünftig. In der BRD war der Ausbau das UKW-Netzes schon vorangeschritten,
In München-Freimann ging am 28.Februar 1948 der erste UKW- Sender in Deutschland in Dauerbetrieb. Die Radioindustrie der BRD stürzte sich natürlich sofort auf die Fertigung von Empfängern mit UKW-Bereich. 

In der DDR startete UKW am 1.Mai 1951 vom Brocken aus. Es wurde der in der 7.Etage des Turmes aufgebaute UKW- Sender, hergestellt im Werk für Fernmeldewesen in Berlin, mit einer Endstufenleistung von 250 Watt in Betrieb gesetzt. Die Frequenz 94,5 MHz. Die Abstrahlung erfolgte mit einer Kreuzdipolantenne auf dem Dach des Turmes.

Weitere Sender folgten am 1.5.1953 aus Leipzig Standort Augustusplatz mit dem Programm "Berlin 3" auf 88,0 MHz.

Kurz danach, am 15.06.1953, ging auch ein UKW Sender 94,0 MHz auf dem Inselsberg in Betrieb. 

 
 
Foto Frank Schilonka ; links 250 W-Sender , rechts die 1 kW Endstufe
 
Noch bevor die Bevölkerung des Kreises Neuruppin so richtig über das Vorhaben  informiert wurde, waren CIA-Spione schon vor Ort . Einige Protokolle liegen vor. Angeblich begannen schon Ende Dezember 1953 im Gebiet Zechlin- Fürstenberg- Neuruppin massiv Empfangsstörungen des RIAS - UKW - Programmes, Die Agenten befragten auch Einwohner, bei denen war überwiegend die Meinung geäußert worden, daß der Mast zu einer leistungsfähigen Störstation gehört.
Hier ein Auszug aus dem CIA Protokoll vom 14.April 1954:
Hier die Originalübersetzung des Agentenberichtes:

Schriftstück CIA...8-6, Titel: Turmbau im Raum Rheinsberg vom  14. April 1954

 

Der 65 Meter hohe Turm befindet sich auf dem Gipfel des Krähenberges, etwa 2,5 Kilometer südlich von Rheinsberg, Kreis Neuruppin.
Auf der Spitze des Turms wurde kürzlich ein neues Gebäude errichtet, und im Inneren des Turms wurden einige Arbeiten abgeschlossen. Es ist möglich, dass dieser Stahlmast für einen UKW-Sender im Inneren des Turms bestimmt ist, der an das Fernkabelnetz angeschlossen werden kann. Die örtliche Bevölkerung nimmt an, dass der Mast Teil einer neuen und leistungsfähigen Störsenderanlage ist, da in den letzten 3 Wochen vor dem 13. Januar 1954 die Störungen des RIAS-Empfangs im Raum Zechlin-Fürstenberg/Neuruppin erheblich zugenommen haben.

 
dazu mein Kommentar" Der RIAS auf Mittelwelle wurde in der DDR flächendeckend gestört. Ich will nicht ausschließen, dass in Rheinsberg Versuche zur Störung des UKW Rundfunks geplant waren, nach meinem Kenntnisstand jedoch ohne Erfolg."
 
Die Übertragungen bei UKW erfolgen mit Frequenzmodulation ( FM) . Gegenüber den amplituden- modulierten Sendern (AM) ist dies der größte Vorteil. 
Vom Ministerium für Post und Fernmeldewesen wurde deshalb beschlossen, bei Rheinsberg eine Funkbetriebsstelle einzurichten. Der noch vorhandene Stahlgitterturm aus dem 3. Reich  war sicher ein wichtiges Standortargument.
Der Vertrag zwischen Hauptverwaltung (HV) Funk und dem Werk für Fernsehelektronik Berlin ( WF) vom 19.August 1953 sah die Lieferung von 10 Sendern mit einer Endstufenleistung von 10 kW vor.  Einer davon für den Standort Rheinsberg. 
Man kann es drehen wie man will, aber ich bin der Meinung, daß der Rheinsberger Sender den Grundnetzsendern zugeordnet werden kann.

Man hatte ausgerechnet, dsß dieser UKW-Sender auch in der Bezirksstadt Neubrandenburg, in Schwerin, Potsdam und Teilen Berlins zu empfangen sein würde.

Mit dem Aufbau der Sendestelle wurde im Spätsommer 1953 begonnen. 

Auf dem Stahlgitterturm von 45 m Höhe wurde das Holzhaus  ( Ausguck) abgerissen und nach Überholungsarbeiten am Turm ein 4 m langer Rohrmast montiert, an welchem die UKW Sendeantennen befestigt wurden.

1 Baracke 21,30 m lang und 12,60 m breit   Foto aus des Chronik des Senders

1 massiver Schuppen, Transformatorenstation

Müllgrube , Lüfterhäuschen, Sicherheitszaun Holzzaun 2 m hoch und Aussenbeleuchtung bestehend aus acht Holzmasten mit Tiefstrahlern je 300 Watt. 

Die Sendestelle unterstand bis 1955 dem Funkamt Potsdam (Golm) .

(Hinweis : wenn Sie auf den unterstrichenen Text klicken sind sie beim Beitrag über Golm).

Der erste Probebetrieb erfolgte am 3.März 1954.  Bis zum 28.März wurden die Sendungen über 90,5 MHz abgestrahlt. Ab 29.April 1954 wird der Sender Rheinsberg offiziell in das Programm des Deutschen Demokratischen Rundfunks aufgenommen und sendet "Berlin 3". Dem Neuen Deutschland ist das eine kleine Meldung wert.

Die Frequenz war nun 95,20 MHz.

Jetzt hat die DDR ingesamt sieben UKW- Sender in Betrieb.

...und schauen wir doch mal, was für Programme damals so liefen: 

Der Deutsche Fernsehfunk, der mit großer Antenne und etwas Glück auch hier schon empfangen werden konnte, auf Kanal 1 OIR_Norm von Berlin Müggelberge berichtete, wie auch die drei Rundfunkvollprogramme  in dn Hauptsendezeiten über den 4.Parteitag der SED.

Interessant wäre zu erfahren, ob schon jemand in Rheinsberg das DFF-Versuchs-Fernsehprogramm damals empfing und auch wer schon einen Empfänger mit UKW sein eigen nannte. Jedenfalls unternahm die DDR-Radioindustrie Anstrengungen zum Bau guter UKW-Radios und in der Folgezeit wurden auch in Fernsehgeräte wie in den Rubens UKW eingebaut.

Die Rundfunkgerätehersteller der DDR übertrieben aus meiner Sicht damals auch etwas. Ein 9-Kreiser nur mit UKW-Band, damals für 343 Deutsche Mark, das war heftig . REMA Tenor

Bild aus dem GFGF Archiv 

Oben habe ich den 250 Watt Sender und die 1 kW-Stufe als Foto vom Inselsberg. Diese war baugleich mit der Rheinsberger Anlage. Die Sendeantenne bestand aus zwei kreuzweise angeordneten Faltdipolen.

Der Antennenschwerpunkt lag bei 47,35 m, damit, wenn man die Höhe der Krähenberge dazurechnet, 118 m NN, konnte man die Antennenhöhe von 165,35 m errechnen. 

Die Modulation erfolgte mit dem Kabel RF 262 vom Verstärkeramt  Biesenthal- Rheinsberg. Diese Leitung funktionierte jedoch nur bis 7 kHz- Frequenzgang, also mit der Qualiät eines Mittelwellensenders ! 

Die Inbetriebnahme ist erst mal geschafft. Auf dem Gruppenbild erkenne ich auch einige Kollegen aus Golm und in der unteren Mitte des Bildes den Wachhund "Waldi"

Die CIA interessierte sich komplex für dieses Vorhaben. In einem weiteren Bericht vom 7.Mai 1954 kommen Informationen aus dem Herstellerwerk.

deutsche Übersetzung:

Schriftstück CIA...4-3, Titel: Entwicklung von Frequenzweichen für den Einsatz in Störsendern, 7. Mai 1954

 

1. Ende Januar erhielt das Funkwerk Köpenick Abteilung TEA, das von Dr. Erich Schüttlöffel geleitet wird, den Auftrag, eine Frequenzweiche zu entwickeln, die für Störsender-Zwecke verwendet werden kann. Schüttlöffel entwickelte ein solches Gerät, dabei basierte seine Arbeit auf einem Artikel in Mitteilungen von Rohde & Schwarz Jg. 1953, Band 3, wo die Funktion eines solchen Gerätes als Weiche (Zusammenführung) eines Fernseh- Bild- und Tonträgers auf eine gemeinsame Sendeantenne beschrieben wird. D.h. die Funktion wurde dort nicht für Störsender-Anwendungen beschrieben.

 

2. Die von Schüttlöffel entwickelte Frequenzweiche ist für 2 kW Leistung vorgesehen. Eine stärkere Weiche für 10 kW wird später entwickelt. Der Arbeit an diesem Projekt wird höchste Priorität eingeräumt.

 

3. Im Folgenden wird beschrieben, wie die Frequenzweiche für Störsender-Zwecke verwendet wird.

Zwei Sender werden mit einer Antenne durch Verwendung der Frequenzweiche verbunden. Einer der Sender (der Störer) wird auf der RIAS-UKW-Frequenz 93,7 MHz betrieben. Der 2. Sender, der auf 92,1 MHz arbeitet, strahlt ein normales ostdeutsches Radioprogramm aus. Zweck dieser Einrichtung ist es, die Existenz eines Störsenders zu verschleiern. Die Öffentlichkeit soll nur über die Ausstrahlung auf 92,1 MHz erreicht werden, während gleichzeitig auf 93,7 MHz die Störaussendung läuft.

 

4. Die beiden UKW-Sender mit je 3 kW Leistung wurden vom VEB Werk für Fernmeldewesen WF (früher OSW) in Berlin-Oberschöneweide beschafft. Die Sender im Betrieb mit der 2 kW Frequenzweiche an einer Antenne, entwickelt von Schüttlöffel, wurden Anfang März 1954 in Rheinsberg im Probebetrieb eingesetzt.

Nach erfolgreichem Abschluss des Probebetriebes wird Schüttlöffel mit der Entwicklung der 10 kW Weiche beginnen.

Bereits während der Phase der Inbetriebnahme  dieses ersten Senders wurde kurzfristig entschieden, auf diesem Standort einen weiteren  1-kW WF-Sender aufzustellen. Um erstmals in der DDR zwei UKW-Sender über eine gemeinsame Antenne betreiben zu können, war die Aufstellung eines Labormusters von einer UKW-Antennenweiche erforderlich. 

Nach entsprechenden Versuchs- und Probeausstrahlungen konnte der zweite UKW- Sender noch während der in Genf tagenden Außenministerkonferenz  (26.04. -20.07.1954) offiziell in Betrieb genommen werden. Der zweite Sender arbeitete auf 93,40 MHz  mit einem Sonderprogramm. Es wurden u.a .informationssendungen zum Aufstand in Ungarn im Okober 1956 und zum 9-Tage-Krieg Ägypten-Israel (29.10.-07.11.56...) gesendet

Dieser zweite Sender wurde am 19.11.1956 außer betrieb genommen, wieder abgebaut und nach Leipzig umgesetzt. Das dazugehörige Senderüberwachungsgestell erhielt die FuSSt Helpterberg.

Die Antennenweiche sollte sicher damals getestet werden. Nach einigen Tagen brannte diese jedoch ab und dabei wurden die Endröhren in den Senderanlagen zerstört. Trotz mehrfacher Reparaturarbeiten in diesem Anlagenteil wurden diese Versuche bis Mitte 1956 weitergeführt. Dadurch konnten wertvolle Erkenntnisse für die weitere Entwicklung der Antennenweichen gesammelt werden.

Am 14.Mai 1954 wurde in der Berufsschule in Rheinsberg eine Hörerversammlung durchgeführt. Dort wurden den Teilnehmern alle Fragen des UKW-Rundfunks allgemeinverständlich erklärt. In Zusammenarbeit mit dem staatlichen Handel wurden einige Empfänger mit UKW-Teil vorgeführt.

Im Sommer 1954 wurde der 1.Wettbewerb im Funkamtsbereich Potsdam organisiert. Alle Mitarbeiter der Betriebsstelle Rheinsberg nahmen teil. Gewertet wurden Arbeiten zur Verbesserung der Betriebsdurchführung sowie Verbesserungsvorschläge. Rheinsberg erzielte den 1. Platz in diesem innerbetrieblichen Wettbewerb im Oktober 1954. 

Im Juni 1954 erhielt die Betriebsstelle ein Motorrad vom Typ AWO. Bis dato gab es nur ein Dienstfahrrad. Der Kollege Lenzner wurde beauftragt in Potsdam die Postfahrerlaubnis abzulegen und künftig notwendige Dienstfahrten durchzuführen. 

Die vom VEB (K) Bau Neuruppin aufgestellte Betriebsbaracke entsprach in keiner Weise den Erfordernissen.

So konnten die Kollegen des technischen Personals durch die Ostwand des Betriebsraumes am Tage Sonnenstrahlen und nachts Sterne sehen. 

In der kalten Jahreszeit führte dieser Zustand zu erheblichen Störungen in der Betriebsabwicklung. Die Quecksilberdampfgleichrichter arbeiteten bei niedrigen Temperaturen nicht mehr korrekt und die Kollegen des technischen Personales waren oftmals auch durchgefroren.

Einige der häufigsten Ausfallursachen waren die Gleichrichterröhren G 7,5 d 

In nur einem Monat mussten in beiden Anlagen 50 Röhren dieser Type gewechselt werden ! Vermutlich führte die damals nicht stabile Stromversorgung, Stichwort Grundlast, zu solchen Röhrenausfällen. Zum einem konnte man die 50 Hz-Frequenz nicht stabil halten und die Spannung schwankte erheblich.        Eine Netzersatzanlage für den Sender war noch nicht vorhanden.

Wichtig zu wissen: Die FuSST Rheinsberg war dem damaligen FuA Potsdam/Golm angeschlossen, aus dem am 1.April 1955 das neue Funkamt Oranienburg/Zehlendorf hervorging.

Immer wieder hatten die Kollegen mit Ausfällen  zu kämpfen, so war auch die Frischwasserversorgung ausgefallen. Diese erfolgte aus einem Brunnen mit knapp 70 m Tiefe. Als die Unterwasserpumpe ausfiel, musste diese nach oben gehievt werden, was sich als schwierig gestaltete. Dann wurde die Pumpe zu einem Spezialbetrieb nach Berlin mit einem Dringlichkeitsschreiben der Kreiskatastrophenkommission beim Rat des Kreises Neuruppin zur Reparatur eingeschickt. Trotzdem dauerte es acht Wochen bis die Pumpe repariert zurück war und wieder eingebaut werden konnte.

Bei einem schweren Herbststurm wurde das Dach der Betriebsbaracke schwer beschädigt. Nicht nur die Dachpappe wurde weggerissen, sondern auch Holzplatten von etwa 25 m2 wurden bis  30 m weggeschleudert. Durch sofortige Alarmierung aller Kollegen und der Feuerwehr gelang es weitere Schäden zu verhindern und die Dachplatten wieder zu befestigen. Auch das Lüfterhaus mußte für die neuen 10kW Betriebsbedingungen umgebaut werden.... 

Zur Stabilisierung des Sendebetriebes mit der vorgesehenen Leistung von 10 kW erhielten die Rheinsberger Kollegen im Dezember 1956 eine fahrbare Netzersatzanlage von 63 kVA. 

Im Oktober 1955 erfolgte die Werksabnahme der Anlagenteile der 10-kW-Stufe , die Lieferung und Aufstellung der Baugruppen Endstufengestell, Siebmittel - und Netzschrank erfolgte durch Monteure des Herstellerwerkes WF.

UKW Sender 10 kW, Werksfoto 1954 .

Es gab eine genaue Technikaufstellung in der Betriebsbaracke. Die Zeichnungen sind leider nicht mehr auffindbar. So müssen wir uns mit der schriftlichen Information zufriedengeben, hier die Hauptkomponenten:

1.  Sender I Typ G 806/HF   6506  (10 kW) Baujahr 1955

2.  Sender II Typ G 427/HF 2833, 250 Watt  Nr. 010  und Typ G 408/HF 2952, 1 kW Nr.010

3.  Sender alt WF (1954 - 1956)

4   Standplatz RVG 905 

zur Info Werksfoto vom VEB Sachsenwerk Radeberg, Richtfunkverbindungsgerät RVG 905

5   Mod.-übergabegestell

6   Schalt-Tafel

7   Arbeitsplatz des Schichtleiters

8   Antennenweiche ( 1954 -56)

9   Künstliche Antenne (FWB)

10 Überwachungsgestell Sender I

11 Überwachungsgestell Sender !!

12 Überwachungsgestell für 1 kW-Sender (1954-56)

13 Antennenumschalter Sender I/II

14 UKW Ballempfänger HE05        ====> leider bis jetzt noch keine Info zu diesem Gerät

Norbert Köller bedient den 10 kW-Sender.  Die Frontlänge ist hier 4,40 m.

Die Zielstellung war die Inbetriebnahme des 10 kW-Senders mit Beginn der 3. Parteikonferenz der SED am 24.März 1956. Dies gelang jedoch nicht, sowohl senderseitig als auch bezüglich der Belastbarkeit  der Antenne gab es Mängel, deren Beseitigung der Hersteller WF am 09.Mai 1956 begann.

Um eine neue Sendeantenne mit 12 m langem Stahlrohr aufzubauen, war es erforderlich, die zwei UKW-Sender kurzzeitig außer Betrieb zu nehmen.Die neue Antenne, deren Teilabnahme am 08. Juni 1956 erfolgte, bestand nunmehr aus vier Ebenen kreuzweise angeordneter Faltdipole mit zusammen 16 Dipolelementen zu je 600 Watt in Rundstrahlanordnung und einem dreifachen Gewinn (etwa 4,8 dB).

Über diese Antenne wurde in der Zeit vom 25. Juni bis 30. Juni 1956 versuchsweise mit erhöhter Leistung gestrahlt, davon am 26. Juni 1956 mit 10 kW. Aus Sicherheitsgründen, die in der Belastbarkeit des HF-Kabels lagen, wurde ab 02. Juli wegen Erhöhung der Außentemperaturen die Leistung auf 6 kW und ab 22. Juli 1956 sogar wieder auf 1 kW je Sender reduziert. 

Im Zusammenhang mit der Installierung einer für 10 kW belastbaren Koaxialrohrleitung mußte die Antennenweiche, mit der wichtige Erkenntnisse über derartige Anlagenteile für das gesamte Funkwesen der DDR gesammelt werden konnten., ebenfalls neu bemessen werden.

Die Kollegen in Rheinsberg waren die ersten UKW-Sender-Betreiber in der DDR, die nun mit 10 kW sendeten.

Ich hatte bereits auf die beschränkte Frequenzbreite nur bis 7 kHz beim Kabel hingewiesen. 

Ab 31.Juli 1959  wird das Programm von Radio DDR ii über FuSST Rheinsberg 95.2 MHz ausgestrahlt.

Deshalb wurde nach Fertigstellung 1959 und Inbetriebnahme 1961 eine Richtfunkstrecke von FuSST Rhinow zu FuSST Rheinsberg aufgebaut. Spiegeldurchmesser je 2,50 m.

  

Hier ein Auszug aus dem Werksprospekt des Herstellers RAFENA-Werke in Radeberg. Diese gab es auch für die Befestigung an Stahlgittertürmen. Im Juni 1962 wurde ein Funkfeld über 48 Km zum Richtfunkturm Rhinow aufgebaut. Der ehemalige Monteur von RAFENA schreibt mir zu seinem Foto folgendes:Eine RVG 935-Antenne hängt da schon oben, dazu noch der Spiegel von der vorhergehenden Technik RVG 904/905. Sehr gut ist da auch der verglaste Aufzugsschacht a.d. Seite zu sehen.

 Foto : Album Römer von Rafena Radeberg Das Bild zeigt den zu DDR - Zeiten erbauten und unter Denkmalschutz stehenden asymmetrischen Fernmeldeturm in Rhinow

 

Dieser Richtfunkturm, damals 86 m hoch, war am 24.Juli 1961 in Betrieb genommen worden. Von dort kam über den 2,5 m Spiegel das UKW-Signal zur FuSST Rheinsberg. 1968 war der Spiegel Richtung Rheinsberg schon abgebaut.Die zu sehenden Antennen sind für RVG 935 und 958. Zur Reserve wurde Ballempfang mit ausgerichteter UKW-Antenne und Empfänger HE 05 installiert.  Damit wurde der UKW- Sender Schwerin IV (Radio DDR II) empfangen.

Am 01.Mai 1962 kommt es zu einer geplanten Frequenzumstellung von 95,2 MHz auf 95,25 MHz.

Am 01. September 1962  wird die Frequenz Rheinsberg auf 90,5 MHz geändert.

Mit der Übernahme des Programmes von Radio DDR II werden auch Regionalprogramme über FuSST Rheinsberg ausgestrahlt.

Erstmalig am 07.November 1959 das Eigenprogramm vom Rundfunkstudio Neubrandenburg .

Von 1960 bis 1963 täglich 1 Stunde nachmittags und ab 29.Januar 1964 kam von 6 bis 8 Uhr "leichte Morgenkost" aus Neubrandenburg. Das Programm mit Geburtstagsgrüssen, Straßensperrungen  und anderen wichtigen regionalen Informationen wurde angenommen und es rückten während dieser zwei Stunden am Morgen RIAS und SFB in den Hintergrund.

 

Die vorstehende Werbung erschien im ND am 13.10,1966 sowie auch in weiteren Zeitungen. Man wollte dieses Informationsprogramm weiter bekanntmachen und damit neue Hörer gewinnen.

Die Richtunkstrecke Rhinow - Rheinsberg wurde im Laufe des Februar 1965 außer Betrieb genommen. Warum ? Dazu habe ich bis jetzt noch keine offizielle Erklärung gefunden. 

Vielleicht lag es am Fernmeldeturm Rhinow. Er hat ein sogenanntes schwimmendes Fundament. Bei starkem Wind  schwankte der Turm erheblich, das könnte die Richtfunkübertragungen beeinflusst haben. 

In der Chronik steht jedenfalls nichts davon. 

Springen wir in das Jahr 1970. Ab 03.April konnte in der FuSST Rheinsberg der Sender II, ebenfalls 10kW als Reservesender genutzt werden. Es stellte sich heraus, daß dieser stabiler im Betriebsverhalten war und so wurde der alte Sender I als Reservesender vorgehalten und der neue ging in Dauerbetrieb.

Am 16.Februar 1970 gingen vom 365 m hohem neuen Fernsehturm in Ostberlin die fünf UKW- Vollprogramme in den Äther. Der Sender Berlin IV ( Radio DDR II ) überdeckte erwartungsgemäß große Teile der vom Sender Rheinsberg versorgten Fläche .

Ausgehend davon wurde zur stabileren UKW- Versorgung der südöstlichen Kreise des Bezirkes Schwerin und der südwestlichen Kreise des Bezirkes Neubrandenburg die Strahlungscharakteristik der bisher rundstrahlenden Antenne mit Reichweiten von 45 ...50 Km zu verändern.

Die neue Antenne wurde in der FuSST Demin vorgefertigt und am 12/13.6.73 wurde diese montiert.  Dazu machte sich eine Senderabschaltung von etwa 36 Stunden erforderlich. Am 18.07.1973, unmittelbar vor den in Berlin beginnenden X. Weltfestspielen, wurde die neue Antenne in Betrieb genommen und die alte Anlage sofort demontiert. 

Bei der neuen Sendeantelle hanelt es sich um vier gleichphasig gespeiste B-Felder mit Richtcharakteristik. Bei einem Einzelgewicht von rund 90 kg hatten sie jeweils eine Reflektorfläche von    2 x 4m . 

Die aus dem FWB ( Funkwerk Berlin Köpenick ) stammenden Antennenelemente waren vorher in Dequede bzw. Marlow im Einsatz gewesen. Die Antennenfelder wurden in zwei Ebenen an der Nordostecke des Trägerturmes montiert. DER antennenschwerpunkt lag nunmhr ca. 3,5 m unterhalb der Turmplattform und damit etwa 12,5 m niedriger als bei der bisherigen Quirlantenne. 

Hauptstrahlrichtungen waren Röbel, Weesenberg und Fürstenberg.

An 28.August 1981 um Null Uhr ging der UKW- Sender Helpterberg IV ( Programm Radio DDR II) in den Probebetrieb. Zur gleichen Zeit stellte der UKW-Sender Rheinsberg den Betrieb ein.

Der Sender Rheinsberg bleibt jedoch bsi 18.Septmber 1981 in operativer Sendebereitschaft. Anschließend wurde mit der Verschrottung der Sendertechnik begonnen.

Lediglich die 250 Watt und die 1 kW-Stufe wurde in die Lehrlingseinrichtung der DP nach Königs-Wusterhausen umgesetzt.

ZUSAMMEN MIT EINEM 1953 IM FWB hergestellten 3-kW-UKW-Sender, dem sie zur Ansteuerung dient, ging die zweite 250-W-Stufe 1982 nach Kabul ( Hauptstadt von Afghanistan) als ein Solidaritätsgeschenk der DDR. 

Der Sohn des ehemaligen Betriebsstellenleiters Peter Lenzner teilte mir noch interessante Details mit:

Herr Lenzner berichtete, dass es in der Anlage Einschübe gab. Diese wurden bei Ausfällen gewechselt, so dass die Ausfallzeit möglichst gering war.

Für Basteleien gab es eine Werkstatt mit Drehbank.

Die Dienstfahrzeuge waren in der Reihenfolge: Motorrad Awo, Motorrad MZ BK, Auto F8 mit hölzernem Kastenaufbau, Framo, B1000.

Auf dem Gelände gab es einen Schießstand der GST (oder Kampfgruppe?), auf dem einige Mitarbeiter Schießübungen machten. Sie nahmen auch an Kreismeisterschaften teil.

Mit Wirkung vom 01.Januar 1982 bestand die FuSST Rheinsberg nicht mehr. Sie existierte 28 Jahre. 

Die Farbfotos wurden nach 1990 gemacht, als das Objekt schon dem Vandalismus zum Opfer gefallen war.​​

Bei jeder Revolution, und sei sie noch so friedlich, kommt es zu solchen Zerstörungen, trotz Einfriedung und Verschluß der Zugänge.

 

Der Gittermast wird seit einigen Jahren wieder genutzt für Mobilfunk und Richtfunk. 

Das Bild vom Frühjahr 2024 hat mir Herr Norbert Gast geschickt. Vielen Dank -

 

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