AEG: Entwicklung der AEG-Rundfunkgeräte

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AEG: Entwicklung der AEG-Rundfunkgeräte 
17.Aug.10 11:17
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Wolfgang Eckardt (D)
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Wolfgang Eckardt

In den AEG-Mitteilungen Heft 8/1932 wird die "Entwicklung von AEG-Rundfunkgeräten“ der Baujahre 1924 bis 1929 ausführlich vorgestellt. Ich möchte den Artikel hier als OCR-Scan im Original-Wortlaut mit eingearbeiteten Bildern vorstellen.

Die Modelle des "AEG-Rundfunkprogramm 1932/33" werden hier vorgestellt.

 


 

Entwicklung der AEG-Rundfunkgeräte
Von Professor Dr. W. Burstyn, Berlin.
 
Die wichtigsten Entwicklungsphasen auf dem Gebiet des Empfänger- und Lautsprecherbaues seit 1924 bis 1929 werden an bekannten AEG-Konstruktionen gezeigt. Eine Anzahl von Empfänger- und Lautsprechertypen, die als Marksteine auf dem Wege vom Detektorgerät bis zum Standard-Fernempfänger mit Hochleistungslautsprecher gelten, werden beschrieben und in historischer Folge auch bildlich dargestellt.
 
Rundfunkgeräte mit ihren beträchtlichen Einzelwerten und der in Frage kommenden großen Kundenzahl sind - so sollte man annehmen - für die Massenherstellung, die gerade die Großindustrie vor beachtenswerte und reizvolle Aufgaben stellt, in besonderem Maße geeignet. Anderseits veraltet wohl kein anderes elektrotechnisches Erzeugnis so schnell, wie es beim Rundfunkgerät der Fall ist. Wenn die mühevolle Entwicklung und Erprobung im Laboratorium, die Zeichnungen im Konstruktionsbüro und die Vorarbeiten zur Massenfabrikation eines Gerätetyps abgeschlossen sind, können sie bald darauf schon durch einen neuen wirklich oder angeblich besseren Typ überholt sein.
So war es bis vor einigen Jahren. Seither ist eine ruhigere Entwicklung eingetreten, und umwälzende Neuerungen sind aller Voraussicht nach beim Rundfunkempfänger vorläufig ebensowenig zu erwarten wie seit 15 Jahren beim Kraftwagen.
Wenn die AEG sich dem Rundfunkgebiet schon vom Beginn der Entwicklung dieses neuen Zweiges der Elektrotechnik zugewandt hat, tat sie es gewiss nicht in der Annahme, sofort ein großes Geschäft zu erzielen, sondern in der Erwartung, dass sich im Laufe der Zeit die Vorbedingungen für eine Massenfertigung erfüllen würden. Während dieser Zeit der Entwicklung ist die AEG mehrfach mit wesentlichen Neuerungen vorangegangen.
 
Seit Jahren baut die AEG nunmehr Rundfunkgeräte und hält in diesem Jahre mit einer geschichtlichen Ausstellung eine Rückschau auf diese Entwicklungszeit. Der Anregung, als unparteiischer Beobachter die Stufen dieser Entwicklung zu schildern, komme ich hiermit gerne nach.
 
 
Auf der 1. Großen Deutschen Funkausstellung Ende 1924 waren noch Detektor und Kopfhörer vorherrschend. Das Detektorgerät DT der AEG (Bild 1) hatte Pultform und eine durch zwei zehnstufige Schalter grob und fein regelbare Abstimmspule, wodurch der - damals noch teure - Drehkondensator erspart wurde. Dazu gab es einen zweistufigen Niederfrequenz-Verstärker DV (Bild 1) in gleichem Gehäuse und einen elektromagnetischen Hornlautsprecher. Es zeigte sich hier schon das Bestreben, den Rundfunkempfänger aus einem in allen Teilen offenen Spielzeug zu einem geschlossenen Gebrauchsgegenstand zu machen.
 
 
Noch vorher war das „A"-Gerät entstanden (Bild 2, links), ein Audion in Holzkasten mit einer Sparröhre (RE 78), zu deren Heizung eine Trockenbatterie (Bild 2, rechts) genügte. Nach dem „Baukasten"-Patent konnte auf der einen Seite ein zweistufiger Niederfrequenzverstärker (Bild 2, Mitte), auf der anderen Seite ein zweistufiger Hochfrequenzverstärker, beide in Gehäusen gleichen Querschnittes wie das Audion, mechanisch und elektrisch angelegt werden. Der Gedanke war dabei der gleiche wie beim „wachsenden Haus“: Der Käufer sollte sich erst das Audion und dann, seinen gesteigerten Bedürfnissen entsprechend, die anderen Teile zulegen. [heute sagen wir „D-Zug“ dazu. W.E.]
Das Audion war mit Rückkopplung versehen. Aber für die Rückkopplung war nicht etwa ein Einstellknopf vorhanden, sondern ihre Drehspule war zwangläufig  durch einen Exentermechanismus derart mit dem Abstimmkondensator verbunden, dass die Rückkopplung nicht bis zum Schwingen getrieben werden konnte. (Eine große Tageszeitung hat es mir damals übel vermerkt, dass ich vor einem Radio-Amateurverein, dem auch junge Bastler angehörten, von Rückkopplung sprach; so ungefähr, als hätte ich mich vor Kindern über sexuelle Fragen ausgelassen.)
 
Dem Bedürfnis, ohne überziehbare Rückkopplung die Entdämpfung der Empfangskreise und damit die Empfindlichkeit auf das Äußerste zu treiben, entsprang die sogenannte Neutrodyn-Schaltung , die in Amerika erfunden wurde. Einen Neutrodyn-Empfänger B brachte die AEG 1925 auf den Markt.
 
Er hatte fünf Röhren, davon zwei für Hochfrequenz, und drei Schwingungskreise. Ihre Spulen waren durch Schrägstellen, nicht durch Abschirmung, voneinander entkoppelt Die drei Drehkondensatoren mussten einzeln eingestellt werden, eine mühselige Arbeit, die durch Beigabe einer Abstimmtafel erleichtert wurde. Bemerkenswert war eine zweistufige Lautstärkereglung, bestehend aus Stabwiderständen, die der Gitterspule des ersten Niederfrequenzverstärkers mittels eines Drehschalters parallel gelegt werden konnten. Dieser Empfänger wurde in zwei Ausführungen, Bg (Bild 3, links) und Be (Bild 3, rechts) geliefert, von denen der zweite einen als Sockel untersetzten Holzkasten mit Trockenbatterien für Heiz- und Anodenstrom hatte.
Bis dahin war der Rundfunk auf das kurze Wellenbereich von 200 bis 600 m beschränkt gewesen. [etwa der heutigen Mittelwelle entsprechend. W.E.]
 
Als 1926 diese Grenze fiel, wurde das eben beschriebene Neutrodyn-Gerät umgebaut und unter dem Namen „Geadyn" auch für lange Wellen von 700 bis 2000 m eingerichtet. Zu jedem Bereich gehörte ein besonderer Spulenkasten, der je drei mit Kupferblech einzeln abgeschirmte Spulen enthielt. Wollte man von einem zum anderen Wellenbereich übergehen, musste man den einen Spulensatz herausheben und den anderen einsetzen. Dieses Gerät war bereits mit einer richtigen bedienbaren Rückkopplung ausgerüstet, da die Reichspost das bis dahin bestehende Verbot inzwischen aufgehoben hatte.
 
 
Zugleich waren auch Netzanschlussgeräte entwickelt worden, NHZ  für die Heizung (Bild 4, links), NAD [>>NW, Widerspruch ??; W.E.]  für den Anodenstrom (Bild 4, rechts), deren Siebketten für die Beruhigung der Ströme nach heutigen Begriffen überbemessen waren; auch Wasserstoffwiderstand und Glimmröhre zur genauen Konstanthaltung des Heizstromes bzw. der Anodenspannung fallen heute fort.
 
 
1927 brachte die AEG auf Grund der neuen indirekt geheizten Röhren den ersten Rundfunkempfänger mit vollem Netzanschluss für Wechselstrom, „Geatron 1 (Bild 5, links) heraus, ein Dreiröhren-Gerät mit Audion im Eingang und zwei widerstandsgekoppelten Niederfrequenz-Verstärkerstufen. Der Erfolg dieses Gerätes entschied den Sieg des Netzempfängers. „Geatron 1“ war nur für den kurzen Wellenbereich eingerichtet - für lange Wellen musste man einen besonderen Spulenkoppler (Bild 5, Mitte) aufstecken. Dieses Gerät wurde bald durch das vollkommenere „Geatron 2“ (Bild 5, rechts) ersetzt, das zwei eingebaute Spulensätze besaß, wie sie heute allgemein üblich sind. Der VDE-Vorschrift, nach der das geöffnete Gerät aus Sicherheitsgründen stromlos sein musste, wurde in einfacher und vorbildlicher Weise genügt, indem die am Lichtkabel hängende Steckdose durch ein Loch des Blechgehäuses gesteckt werden musste und so dessen Abheben verhinderte.
 
 
Im Jahre 1928 wurde das „Geatron 3“ (Bild 6, links) mit einigen baulichen Ver-besserungen herausgebracht. Es hatte Pultform und konnte sowohl für Gleich- als auch für Wechselstromnetze geliefert werden; ferner war es mit einem Anschluss für Schallplatten-Tonabnehmer versehen.
Diese Merkmale wies auch das viel leistungsfähigere „Geadem“ (Bild 6, rechts) auf, ein Vierröhren-Gerät, bei dem 1929 erstmalig eine indirekt geheizte Hochfrequenz-Verstärkerröhre mit Schirmgitter verwendet wurde. [die RENS 1204. W.E.]
Es ist ein ausgezeichneter Fernempfänger, während das „Geatron“ nur als Orts- und Bezirksempfänger anzusprechen ist. Die beiden Abstimmkreise hatten gekoppelte Drehkondensatoren, deren einer durch Verstellung des Stators nachgestellt werden konnte. Eine richtige Einknopfbedienung war das noch nicht, kam aber diesem Ideal schon ziemlich nahe.
Die Erhöhung der Zahl und Stärke der Rundfunksender, ferner das Verlangen nach bequemster Bedienung der Empfangsgeräte haben in den letzten Jahren dem Bau der Rundfunkgeräte die Richtung gewiesen. Was die AEG unternommen hat, sich diesen Ansprüchen anzupassen, die noch durch die Forderung billigen Preises und gefälligen Aussehens verschärft werden, zeigen die neuesten Modelle der diesjährigen Funkausstellung, über die in den nächsten Aufsätzen dieses Heftes berichtet wird. [siehe hier. W.E.]
 
 
Auch auf dem Gebiete des Lautsprecherbaues ist die AEG wiederholt hervorgetreten, oft sogar richtunggebend gewesen. Von den früheren Lautsprecher-Konstruktionen, die zurzeit ihres Erscheinens als wesentliche technische Fortschritte anerkannt wurden, seien nur erwähnt der erste elektromagnetische Holztrichter-Lautsprecher mit Spezialtonführung (Bild 7) aus dem Jahre 1925 und der erste elektrodynamische Rice-Kellogg-Lautsprecher  [hier in Post 3, W.E.]  für den Heimgebrauch (Bild 8) aus dem Jahre 1927. Das Jahr 1929 brachte mit „Gealion 1“ (Bild 9) die Veredelung des elektromagnetischen Systems in einem vorher nicht für möglich gehaltenen so hohen Maße, dass dieses System sich bis in die Jetztzeit durchsetzen konnte.

 
Wolfgang Eckardt 
 
 

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