siemens: Pegelgesteuerte Begrenzerautomatik beim SH M57

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siemens: Pegelgesteuerte Begrenzerautomatik beim SH M57 
18.Mar.19 17:53
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Dietmar Rudolph † 6.1.22 (D)
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Dietmar Rudolph † 6.1.22

Die Siemens Kammermusik-Schatulle M57 (1955 - 57) ist die damals größte "Schatulle" und zeichnet sich durch eine pegelgesteuerte Begrenzer-Automatik in der FM ZF (10,7 MHz) aus.


Die pegelgesteuerte Amplitudenbegrenzung ist eine Eigenschaft, die die SH Empfänger H52 (1955 - 56), H53 (1955 - 56), H64 (1956 - 57), M66 (1956 - 57) ebenfalls haben.

Das Ende der Schatullen

In den Jahren 1954 - 1955 hat Siemens mit den Geräten H42 und P48 an seine Vorkriegstradition der "Schatullen" wieder angeknüpft.
Die Kammermusik-Schatulle M57 war jedoch die letzte ihrer Art. Der Grund dafür ist wohl in einem besseren "Marketing Gag" der Konkurrenz zu suchen - und der hieß: 3D-Klang. Dafür wurden nun die Hochton-Lautsprecher in die Seitenwände der Radios eingebaut. Siemens hatte daraufhin einige Argumentations Probleme um die Gitter der Kammermusik-Schatullen nun als gleichwertige Schall-Zerstreuer der Kundschaft anzupreisen.

Bereits beim H52 hat man die Strategie geändert und ist mit dem schaltungstechnisch identischen H53 quasi "auf den neuen Zug aufgesprungen".

Links ist der H52 in Schatullen-Form zu sehen und rechts der schaltungsmäßig identische H53 mit 3D-Klang Seitenlautsprechern. Die Geräte H64 und M66 sind ebenfalls keine Schatullen, sondern haben Seitenlautsprecher.

Der Amplituden-Begrenzer

Zunächst soll der "konventionelle" Amplituden-Begrenzer vorgestellt werden. 

Fig. 6-11 [1] zeigt eine konventionelle Amplituden-Begrenzerstufe für die FM-ZF. Die Schaltung ist prinzipiell sehr ähnlich zu einem Audion - mit dem Unterschied, daß in der Anode ein Schwingkreis liegt. Die RC Gitter-Kombination könnte genau so gut direkt am Gitter liegen. 

 

Fig. 6-10 [1] veranschaulicht die Funktionsweise der Amplitudenbegrenzung. Dem FM-Signal sind hier Störimpulse überlagert.

Gleichzeitig sieht man hier auch, welche Probleme auftreten, wenn die zu begrenzende HF Schwingung nicht die für die Kennlinie der (Begrenzer-) Röhre geeignete Amplitude hat. Bei zu kleinen Amplituden ergibt sich eine einseitge und damit unvollständige Begrenzung.

Zur Erinnerung:
Frequenz-Diskriminatoren, die Frequenz-Änderungen in Amplituden-Signale umwandeln sollen, liefern Ausgangssignale, die von der Amplitude des HF Signals nicht unabhängig sind. Auf diese Weise erscheinen dann (unerwünschte) Amplitudenschwankungen des FM Signals als Störungen des demodulierten Ausgangssignals.

 

 

Etwas besser verhält sich eine Kaskade von 2 Begrenzerstufen. Hier begrenzt dann die 2. Stufe, was die 1. Stufe noch nicht begrenzen konnte, Fig. 6-12.[1] Das betrifft auch die "negative noise peaks" in Fig. 6-10, die in der 2. Begrenzerstufe dann abgeschnitten werden.

 

Nun ergibt sich die Fragestellung: "Wie herum muß die Sekundärseite des 2. Bandfilters in Fig. 6-12 an die 2. Begrenzerstufe angeschlossen werden, damit für schwaches Eingangs-Signal (Fig. 6-10) die "unteren Störspitzen" im 2. Begrenzer ebenfalls abgeschnitten werden?"

Die Fragestellung, was da passiert, muß komplett im Zeitbereich betrachtet werden, weil es sich bei der Amplituden-Begrenzung um einen nichtlinearen Vorgang handelt.
[Mit dem Frequenzbereich oder den AM Seitenbändern hat das nichts zu tun.]

Also, die Spitzen bzw. auch die Amplitudenmodulation (für schwaches Signal) werden nur einseitig weggeschnitten, Fig. 6-10. Dadurch ergibt sich resultierend eine (zusätzliche) Gleichgröße.  Zuvor war das ja eine reine Wechselgröße. Ansonsten wäre die Spannung nicht über das Eingangs-Bandfilter übertragen worden.

Über das nächste Bandfilter kann aber diese Gleichgröße nicht übertragen werden.
Wenn nun aber die Gleichgröße hinter dem Bandfilter fehlt, muß dadurch zwangsläufig auf der zuvor "glatt rasierten" Seite der ZF Schwingung wieder eine Schwankung der Amplitude entstehen. Aus diesem Grund ist die Polarität der Sekundärspule des Bandfilters gleichgültig. Im Prinzip hat man dadurch wieder eine Amplitudenmodulation, aber nur noch mit der Hälfte des ursprünglichen "Modulations-Grades".

Durch die Verstärkung der ersten ZF Stufe ist nun aber das Signal insgesamt größer geworden, so daß es nun in der 2. Begrenzer-Stufe oben und unten "abrasiert" wird.

Für klitzekleine ZF Signale wird das natürlich noch nicht zutreffen. Aber die haben eh mit dem Rauschen zu kämpfen. Ich unterstelle, daß bei einem richtig dimensionierten zweistufigen Begrenzer alle Signale, die nicht "im Rauschen verschwinden", dann "ordnungsgemäß" beidseitig begrenzt werden.

 

Auch wenn 2 solche Begrenzer-Stufen besser arbeiten als eine, erhält man prinzipiell stets eine fallende Kennlinie für die Begrenzung wie sie Abb. 9-10 [2] zeigt.

Die Begrenzer-Kennlinie zeigt ein "Gefälle" in Richtung höherer Eingangs-Spannungen. Das ist unerwünscht, weil auf diese Art dann trotz "idealer" Amplituden-Begrenzung im demodulierten Signal eine Abhängigkeit von der Amplitude des FM ZF Signals entsteht.

In [3] wird eine Erklärung für den Verlauf der konventionellen Begrenzerstufe angegeben und gezeigt, wie man mit Hilfe einer Pegelsteuerung das Problem beseitigen kann.

 

 

Bild 4 [3] zeigt ähnlich wie das obige Bild Fig. 6-10 die unvollständige Begrenzung für den Fall, daß die Amplitude der FM Schwingung keine ausreichende Größe hat. ["Bias" in Fig. 6-10 wird hier mit "Richtspannung" bezeichnet.]

In der Figur Bild 4 sind die hochfrequenten Schwingungen nur angedeutet. Die der ZF Schwingung überlagerte störende AM-Modulation ist dagegen dick gezeichnet. [Im Unterschied zu den Störimpulsen in Fig. 6-10.]

 

Bild 5 [3] zeigt nun - im Unterschied zu Bild 4 - die Auswirkung einer festen Begrenzer-Kennlinie auf die einzelne hochfrequenze ZF Schwingung.

Nun ist deutlich zu sehen, daß bei Zunahme der Amplitude der ZF Spannung die Strom-Impulse des Anodenstroms Ia der Begrenzer-Röhre immer "dünner" bzw. schlanker werden.

Da nun aber im Anodenkreis der Begrenzer-Röhre ein Schwingkreis liegt, der auf die ZF Frequenz abgestimmt ist, wird von diesem nur die "Grundschwingung" ausgesiebt, die in den Strom-"Nadeln" enthalten ist. Je spitzer die "Nadeln" werden, um so mehr Oberschwingungen und um so weniger Grundschwingung enthalten diese - gemäß einer Fourier-Zerlegung. Folglich wird die Amplitude der Grundschwingung um so kleiner, je "dünner" die "Nadeln" des Anodenstroms werden. Das ist der Grund für die "fallende" Kennlinie eines konventionellen Amplituden-Begrenzers.

 

 

In Bild 6 [3] wird die Unterdrückung einer Amplituden-Modulation für einen Begrenzer mit fester Begrenzer-Kennlinie gezeigt.

Verglichen mit Fig. 6-12. besteht hier bereits eine Verbesserung darin, daß die am Steuergitter der EF80 entstehende Richtspannung der 1, Begrenzerstufe mit der EF89 als Regelspannung für Gitter 3 zurückgeführt wird.

Die resultiernde NF Spannung für 30% Störmodulation ist speziell für höhere Eingangspegel der ZF Spannung unbefriedigend, wie ein Vergleich mit dem pegelgsteuerten Begrenzer zeigt, siehe Bild 7 (unten).

 

Die pegelgesteuerte Begrenzer-Automatik

Durch Variation der Schirmgitterspannung der EF80 lassen sich die Begrenzer-Kennlinien an die Größe der Amplitude des ZF Signals anpassen, Bild 3.[3]

Es wird somit ein Regel-Kreis gesucht, der das bewerkstelligen kann.

Die Prinzipschaltung [4] zeigt, wie diese Regelschaltung funktioniert. Mit steigender Amplitude der ZF Spannung entsteht (durch Gitter-Gleichrichtung) eine wachsende negative Vorspannung. Diese wird auf das Gitter der (im FM Betrieb sonst nicht benötigten) Triode der ECH81 gegeben und bewirkt eine Reduzierung des Anodenstroms der Triode. Dadurch steigt nun aber die Anodenspannung der Triode und damit die Schirmgitterspannung der EF80. Man erhält so die pegelgesteuerten Begrenzer-Kennlinien der EF80.

 

Bild 8 [3] ist die etwas ausfühlichere Schaltung der pegelgesteuerten Begrenzerstufe.

Zwischen AM Betrieb und FM Betrieb des Radios werden Gitter und Anode der EC(H)81 umgeschaltet.

Bei FM Empfang ist also kein Röhrensystem unbenutzt.

 

 

In Bild 7 [3] ist als oberste Kurve der Verlauf der Schirmgitterspannung der EF80 als Funktion des Pegels am Gitter 1 zu sehen.

Im Vergleich zu Bild 6 (oben) ist hier ekennbar, daß durch die pegelgeregelte Schirmgitterspannung der EF80 und die dadurch erzielte Variation der Begrenzer-Kennlinien nun die Reduktion der störenden AM für höhere ZF Pegel deutlich abnimmt.

 

 

Die Aussteuerungskurve des Empfängers zeigt, daß bereits bei einem Eingangs-Signal von 2 μV ein Geräuschabstand von 26 dB erreicht ist, Bild 9.[3]

 

Bild 10 [3] zeigt die Abstimm-Charakteristik, gemessen für den H53.

Weil bei sehr kleiner Eingangsspannung des Empfängers die Begrenzer-Schwelle sehr niedrig liegt, wird dadurch auch das Rauschen zwischen den Sendern entsprechend vermindert.

 

Im Stromlauf der SH Kammermusik-Schatulle M57 sind die Steuerleitungen für die pegelgesteuerte Begrenzer-Stufe (EF80) farbig markiert. Die bereits in Bild 6 oder Bild 7 (oben) gezeigte zusätzliche Steuerung des Bremsgitters der EF89 ist nicht extra markiert.

[1] "Ghirardi, A.A.: Receiver Circuitry and Operation, 4th printing, Rinehart, 1961"
[2] "Nowak, A.; Schilling, F.: Empfangstechnik frequenzmodulierter Sendungen, Schütz, 1955"
[3] "Haag, E.: Die pegelgesteuerte Begrenzerstufe im UKW-Empfänger, Funkschau 1957, Heft 5, pp. 115 - 117"
[4] "Begrenzung, Demodulation, Rauschautomatik, Funk-Technik 1955, Nr. 22, pp.636 - 638"


Mein Dank geht an Hans Knoll, der wesentliche Informationen zu diesem Thema beigesteuert hat.

MfG DR

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